Guten Morgen, Herr Präsident! Guten Morgen, werte Kollegen! Guten Morgen, werte Gäste des Hohen Hauses! Wir reden heute hier über den größten Teilhaushalt des Bundeshaushaltes, über den Einzelplan Arbeit und Soziales, der mit 144 Milliarden Euro 40 Prozent des gesamten Bundeshaushaltes ausmacht.
Die Ausgaben für den Arbeitsmarkt sind mit insgesamt 36,7 Milliarden Euro veranschlagt. Davon entfallen 36,1 Milliarden Euro auf die Grundsicherung für Arbeitssuchende. Das sind immerhin noch etwas mehr als 10 Prozent des Bundeshaushaltes. Dazu gehören die Ausgaben für das eigentlichen Hartz IV in Höhe von 20,2 Milliarden Euro, die Beteiligung an den Kosten für Unterkunft und Heizung mit 5,9 Milliarden Euro, die Leistungen zur Eingliederung oder Wiedereingliederung in Arbeit mit 4,9 Milliarden Euro und – man glaubt es kaum – eine horrende Verwaltungskostenerstattung für die Durchführung der Grundsicherung in Höhe von 5,1 Milliarden Euro.
Lassen Sie mich zunächst auf Hartz IV eingehen. Was ist das eigentlich? Es ist nicht nur eine staatliche Transferleistung für alle Arbeitslosen, die keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld I haben. Es ist nicht einmal eine Leistung für Menschen, die überhaupt irgendwann mal gearbeitet haben oder die arbeitssuchend und für Arbeit qualifiziert sind. Darum sind die Bezeichnungen Arbeitslosengeld II oder Grundsicherung für Arbeitssuchende für diese Leistungen eher irreführend.
Es ist eigentlich eine Grundsicherung für alle, deren Einkommen unterhalb dessen liegt, was die Regierung als Regelbedarf für das Existenzminimum betrachtet, egal ob sie arbeitslos, langzeitarbeitslos, erwerbsfähig oder nicht erwerbsfähig sind. Konkret sind das derzeit 416 Euro im Monat. Und das, liebe Kollegen, ist kein armutsvermeidendes Existenzminimum mehr, sondern es ist ein Existenzminimum, das für die Leistungsbezieher ein Leben in Armut bedeutet.
(Beifall bei der AfD)
Zumal Sie selber den Regelbedarf künstlich kleingerechnet haben, als Sie im Jahr 2011 die untersten 15 Prozent der Einkommensbezieher als Maßstab für die Berechnung genommen haben und nicht, wie früher, 20 Prozent. Würde man das korrigieren, läge der Leistungssatz heute – das wissen Sie alle – bei 571 Euro und nicht bei 416 Euro.
Großzügigerweise haben Sie allerdings in Ihrem Haushalt zum 1. Januar 2019 eine Anhebung um 8 Euro beschlossen. Das hat natürlich für die Leistungsbezieher keine entlastende Wirkung, sondern ist die Fortschreibung einer Geschichte, für die wir uns hier schämen sollten, nämlich der Geschichte von menschenunwürdiger Armut mitten in Deutschland.
(Beifall bei der AfD)
Die Zahl der Bezieher von Hartz-IV-Leistungen liegt seit 2011 fast konstant in der Nähe von 6 Millionen. Davon sind lediglich 1,5 Millionen Hartz-IV-Empfänger arbeitslos gemeldet. Das ist nur jeder Vierte. Die meisten Leistungsbezieher, nämlich 2,6 Millionen, sind nicht arbeitslos gemeldet, aber erwerbsfähig, und unter diesen 2,6 Millionen sind 620 000 Erwerbstätige, die ihren Verdienst mit Hartz-IV-Leistungen aufstocken müssen, also sogenannte arbeitende Arme. Weitere 658 000 sind Asylbewerber, die bisher Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bezogen haben, nun in das Hartz-IV-System gewechselt sind und dem Arbeitsmarkt erst einmal nur theoretisch zur Verfügung stehen.
Insgesamt lag die Zahl der Hartz-IV-Empfänger aus Asylherkunftsländern Ende des ersten Quartals 2018 bei 978 000. Ich gehe einmal davon aus, dass wir die Millionengrenze mittlerweile deutlich überschritten haben. Der Anteil von Personen mit Migrationshintergrund, und zwar der ersten und zweiten Generation, ist in der Gruppe der erwerbsfähigen Hartz-IV-Empfänger besonders hoch. Er lag nach einer Erhebung der Bundesagentur für Arbeit im Dezember 2017 bereits bei 56 Prozent.
(Kai Whittaker [CDU/CSU]: Eine wunderschöne Problemanalyse! Jetzt sagen Sie mal was zur Lösung!)
Die dritte große Gruppe der Hartz-IV-Bezieher sind die 1,7 Millionen nicht erwerbsfähigen Leistungsberechtigten. Das sind zu 97 Prozent Kinder, die in Haushalten leben, in denen das Einkommen unter dem Regelsatz liegt, ein Armutszeugnis, wie wir finden, für ein Land wie Deutschland.
(Beifall bei der AfD)
Minister Heil, bitte überdenken Sie auch noch einmal Ihr Projekt eines sozialen Arbeitsmarktes. Wobei sich für mich natürlich die Frage stellt: Ist der normale Arbeitsmarkt unsozial?
(Zuruf der Abg. Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Sie wollen für weitere 4 Milliarden Euro 150 000 Langzeitarbeitslose fünf Jahre beschäftigen. Der Vorsitzende des Sachverständigenrates der Wirtschaftsweisen hat dazu gesagt, dass ein Ausbau eines sozialen Arbeitsmarktes für Langzeitarbeitslose nicht der richtige Weg ist, um das Ziel zu erreichen, Hartz-IV-Bezieher zu aktivieren. Alle, wirklich alle Programme, die Sie in den letzten Jahren durchgeführt haben, um Langzeitarbeitslose wieder in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren, sind gescheitert.
(Beifall bei der AfD – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was möchte die AfD?)
Der Haushalt für den Einzelplan 11 stützt ein reformbedürftiges und im Kern nach wie vor unverändertes System durch Ausgaben in Milliardenhöhe, die nicht sinnvoll eingesetzt sind. Daher können wir Ihrem Haushaltsentwurf leider nicht zustimmen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der AfD – Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Jetzt wollen Sie mehr Milliarden! Sie haben doch gesagt, es sei zu wenig!)
Nächster Redner ist der Bundesminister für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Source | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
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Electoral Period | 19 |
Session | 66 |
Agenda Item | Arbeit und Soziales |