23.11.2018 | Deutscher Bundestag / 19. EP / Session 66 / Tagesordnungspunkt I.18

Axel FischerCDU/CSU - Arbeit und Soziales

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Der Haushalt 2019 im Bereich Arbeit und Soziales, den wir jetzt beraten, spiegelt deutlich die gute wirtschaftliche Lage wider und ist ein sehr ambitionierter und zukunftsorientierter Haushalt.

Trotz sinkender Arbeitslosigkeit mussten wir im Regierungsentwurf geplante Ausgaben um mehr als 1 Milliarde Euro erhöhen. Dies liegt auch an den sich langsam eintrübenden Zukunftsaussichten für unsere wirtschaftliche Entwicklung – Kollege Theurer sprach gerade schon davon –; denn im dritten Quartal dieses Jahres ist die wirtschaftliche Leistung im Land das erste Mal seit langer Zeit wieder gesunken. Das heißt, es wurde weniger erwirtschaftet als vorher, nicht mehr.

Auch die demografische Entwicklung zeigt bereits deutliche Spuren im Haushalt. So sind Mehrausgaben in Höhe von 400 Millionen Euro unter anderem für die Erhöhung der Pflegebeiträge für Hartz-IV-Bezieher vorgesehen. 800 Millionen Euro Mehrausgaben waren notwendig wegen der Beteiligung des Bundes an den flüchtlingsbedingten Kosten für Unterkunft und Heizung.

Mehr als 1 Milliarde Euro Mehrausgaben – das sind mehr als 1 000 Millionen Euro – für höhere Ausgaben für Hartz IV und für Kosten für Unterkunft und Heizung. Das ist eine Zahl, die unheimlich schwer zu greifen ist. Vielleicht wird sie etwas plausibler, wenn man sich vorstellt, dass man mit diesem Geld den Bau von etwa 5 000 Doppelhaushälften finanzieren könnte. Das wäre ein familiengerechtes Zuhause für rund 20 000 Menschen. Aber all diese Ausgaben gehen zusätzlich in den Konsum und stehen somit nicht für notwendige und wünschenswerte Zukunftsinvestitionen zur Verfügung.

Unsere rückläufige Wirtschaftskraft hat am Arbeitsmarkt bislang noch keine Spuren hinterlassen. So haben wir derzeit die geringste Arbeitslosenquote und den höchsten Beschäftigungsstand seit der Wiedervereinigung. Im September dieses Jahres waren mit knapp 33,1 Millionen Menschen sage und schreibe 715 000 Personen mehr sozialversicherungspflichtig beschäftigt als noch im Vorjahr. Gleichzeitig ist auch die Zahl der Hartz-IV-Leistungsberechtigten im Oktober im Vergleich zum vergangenen Jahr um mehr als 320 000 gesunken. Sie sehen, meine Damen und Herren: Unser wirtschaftlicher Aufschwung ist auch bei den sozial Schwächeren angekommen und kommt ihnen zugute. Das ist Ergebnis erfolgreicher unionsgeführter Politik.

(Beifall bei der CDU/CSU)

So positiv die derzeitige Entwicklung auch ist, verschließen wir doch nicht die Augen vor deutlich sichtbaren zukünftigen Herausforderungen. Nicht nur zum Erhalt unserer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist angesichts der demografischen Entwicklung eine verbesserte Ausschöpfung des Arbeitspotenzials der hier lebenden Menschen dringend notwendig. Genau deshalb erhöhen wir, wie übrigens im Koalitionsvertrag vorgesehen, die Leistungen für die Eingliederung in Arbeit erheblich.

Meine Damen und Herren, das heute im Land vorhandene Arbeitskräftepotenzial reicht jedoch nicht aus, um die Wirtschaftskraft zu erhalten, der wir unseren Wohlstand heute verdanken. Wir brauchen Zuwanderung, weil wir in vielen Bereichen nicht genügend Arbeitskräfte haben.

(Beifall der Abg. Sonja Amalie Steffen [SPD])

Mit einem Fachkräftezuwanderungsgesetz muss die legale Zuwanderung von beruflich Qualifizierten und Auszubildenden von außerhalb Europas in den Arbeitsmarkt erleichtert werden. Bislang kommen weniger als 10 Prozent unserer Zuwanderer über den offiziellen Weg als Erwerbstätige nach Deutschland. Das ist deutlich weniger als in klassischen Einwanderungsländern, was auch an der Komplexität unseres derzeitigen beruflichen Zuwanderungssystems liegt.

Das neue Gesetz muss also die Voraussetzungen schaffen, gezielt Fachkräfte im außereuropäischen Ausland gewinnen zu können. Es muss darüber hinaus eine nachhaltige Integration von Zuwanderern in den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft gewährleisten, und es muss Veränderungen am deutschen Arbeitsmarkt in beide Richtungen zeitnah Rechnung tragen.

Mit Blick auf den Fachkräftemangel ist ein Vorgang, über den sich der Vorstandschef der Asklepios Kliniken öffentlich beschwert hat, befremdlich. Er hat sich öffentlich darüber beschwert, dass 500 vom Konzern selbst ausgebildete, der deutschen Sprache mächtige Pflegekräfte aus den Philippinen nicht einreisen dürfen, weil die Botschaft in Manila überlastet sei und so keine Visa erteilen könne.

(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Unglaublich!)

Meine Damen und Herren, da sucht ein Mitglied unserer Bundesregierung, Minister Jens Spahn, händeringend Pflegekräfte, die Wirtschaft bildet diese auf eigene Kosten aus, und ein anderes Mitglied dieser Bundesregierung, der SPD-Bundesaußenminister, erschwert deren Zuwanderung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP sowie des Abg. Jürgen Braun [AfD])

Herr Kollege Fischer, die Kollegin Andreae würde gerne eine Zwischenfrage stellen.

Sie darf gerne nachher eine Erklärung abgeben.

Na ja, das entscheidet der Präsident.

Okay.

Sie lassen keine Zwischenfrage zu?

Ich lasse keine Zwischenfrage zu.

(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schade!)

Ich denke, meine Damen und Herren, da muss die Bundesregierung eindeutig besser werden. Vielleicht könnte eine Art zentralisierte Clearingstelle zu einer Beschleunigung und Vereinfachung des Verfahrens beitragen.

Und natürlich müssen wir die heute schon hier lebenden Zuwanderer möglichst gut und zügig in den Arbeitsmarkt integrieren. Ich begrüße daher ausdrücklich, dass wir im Bundeshaushalt die Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen und die berufsbezogene Deutschsprachförderung sachgerecht fördern.

Erhebliche Herausforderungen liegen zukünftig im Bereich der Ausbildung der Migrationskinder. Es ist doch bezeichnend, wenn die UNESCO in dieser Woche, mehr als drei Jahre nach dem beherzten „Wir schaffen das“ unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel, feststellt, dass in Deutschland 42 000 Lehrer für Flüchtlingskinder fehlen, und fehlenden Sprachunterricht sowie damit einhergehende Integrationsprobleme bemängelt. Hier sind insbesondere die Bundesländer zu fragen, warum und inwieweit sie Verpflichtungen nicht nachkommen und dies trotz sprudelnder Steuerquellen. Geld wäre jedenfalls, auch bei den Ländern, mehr als genug vorhanden.

Meine Damen und Herren, wir haben zudem Maßnahmen ergriffen, um den Betrug bei Hartz-IV-Mitteln einzudämmen. Nach Daten der Bundesagentur für Arbeit entstehen durch bandenmäßigen Leistungsmissbrauch Schäden in Höhe von rund 50 Millionen Euro. Ich begrüße von daher eine Initiative aus der Berliner CDU zur besseren Bekämpfung der Kleinkriminalität. Wir müssen datenschutzrechtliche Regelungen im Sozialgesetzbuch dahin gehend anpassen, dass Datenschutz nicht zum Täterschutz von Betrügern wird. Ein systematischer Datenabgleich durch die Sozialleistungsträger könnte da helfen.

Meine Damen und Herren, es wäre fatal, wenn sich bei unseren Leistungserbringern der Eindruck festsetzte, auf der Ausgabenseite würde geltendes Recht Betrügern dauerhaft Tür und Tor öffnen und ihr hart verdientes Steuergeld würde verjubelt. Die gesellschaftliche Akzeptanz unseres Sozialstaates dürfen wir nicht ohne Not weiter in Gefahr bringen. Das betrifft im Übrigen in hohem Maße auch die Gefährdung der Akzeptanz unseres Sozialstaates durch eine in der Bevölkerung als übermäßig empfundene Zuwanderung. Diese führt bereits heute nicht nur zu politischer, sondern auch zu sozialer Destabilisierung und senkt die Bereitschaft der Leistungserbringer, für den Sozialstaat zu zahlen.

Meine Damen und Herren, die Zahlungen an die Rentenversicherung stellen mit rund 100 Milliarden Euro den größten Block im Bundeshaushalt 2019 dar.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Gut so!)

Diese Mittel zur Sicherung und Steigerung des Lebensstandards unserer Senioren

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Auch der Seniorinnen!)

machen knapp 30 Prozent der Ausgaben des Bundes aus. Wenn wir diese Summe erfahrbar machen wollen und einmal in Wohnraum umrechnen, dann ließen sich mit diesen 100 Milliarden Euro etwa 450 000 Doppelhaushälften für 1,8 Millionen Menschen finanzieren. Das entspräche dem Bau einer Gartenstadt mit der Einwohnerzahl Hamburgs, und das nicht nur einmalig, sondern in jedem Jahr. Das macht vielleicht anschaulicher, was die Steuerzahler in Deutschland derzeit für das Wohl der älteren Generation aufbringen.

Zukünftige Herausforderungen zeichnen sich deutlich ab: Der Bundesrechnungshof verweist auf überproportionale Ausgabensteigerungen und bestehende Tragfähigkeitsrisiken, die mittelfristig durch Mütterrente und Rente mit 63 befördert werden. Langfristig, nach 2025, seien erhebliche Zusatzbelastungen und Risiken für den Bundeshaushalt zu erwarten, wenn die jüngst beschlossene doppelte Haltelinie über das Jahr 2025 hinaus fortgesetzt würde. Gespannt erwarten wir daher die Ergebnisse der von der Bundesregierung eingesetzten Kommission „Verlässlicher Generationenvertrag“.

Meine Damen und Herren, abschließend bleibt mir, Ihnen allen sehr herzlich für eine gute Zusammenarbeit zu danken, besonders dem Kollegen Michael Groß von der SPD-Fraktion, aber auch der Hauptberichterstatterin, Ekin Deligöz, allen anderen Mitberichterstattern und den zuständigen Arbeitsgruppen, dem Ministerium und allen nachgeordneten Behörden.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Dann hat jetzt das Wort zu einer kurzen Zwischenbemerkung die Kollegin Kerstin Andreae.

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