23.11.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 66 / Tagesordnungspunkt I.18

Hermann GröheCDU/CSU - Arbeit und Soziales

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Herr Präsident! Lieber Herr Bundesminister Hubertus Heil! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Der Einzelplan des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales ist mit 145,3 Milliarden Euro – das wurde schon gesagt – der größte Einzeletat. Er steigt gegenüber dem laufenden Jahr noch einmal um 6 Milliarden Euro. Dies zeigt: Deutschland ist ein starker, ein leistungsstarker und solidarischer Sozialstaat. Darauf können wir stolz sein.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Klar ist dabei zugleich: Dieser starke Sozialstaat lebt von der Wirtschaftskraft unseres Landes. Es geht also stets um eine kluge Einheit aus Wirtschafts- und Sozialpolitik. Ein robuster, ein guter Arbeitsmarkt ist die entscheidende Grundlage für ein starkes soziales Sicherungsnetz.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Ein unbezahlbares „Wünsch dir was“, das die Wirtschaftskraft unseres Landes und den Arbeitsmarkt abwürgt, würde erst zum Schuldenstaat und dann zu einem immer schwächeren Sozialstaat führen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wenn wir wollen, dass die gute wirtschaftliche Lage unseres Landes – Rekordbeschäftigung, steigende Löhne und Renten sowie gut gefüllte Sozialkassen – immer mehr Menschen zugutekommt, dann muss es zunächst und zwingend darum gehen, das uns Mögliche zu tun, damit diese gute wirtschaftliche Entwicklung anhält.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das hat uns bei den Koalitionsverhandlungen geleitet und – das will ich ausdrücklich sagen – auch zu guten und fairen Kompromissen geführt, die wir jetzt in einem guten und fairen Miteinander umsetzen. Deshalb ist es gut, dass wir mit einem Fachkräfteeinwanderungsgesetz eine richtige Antwort auf den Fachkräftemangel als eine entscheidende Wachstumsbremse in vielen Regionen unseres Landes geben. Wir ermöglichen damit einen besseren und unbürokratischeren Zugang der dringend benötigten qualifizierten Fachkräfte auch von außerhalb Europas zu unserem Arbeitsmarkt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Deswegen ist es gut, dass wir, etwa mit der Absenkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung, Spielräume nutzen, um Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und Wirtschaft zu entlasten.

Deswegen ist es schließlich richtig, dass wir bei dem Bemühen, stets eine gute Balance zu finden zwischen den Bedürfnissen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach Flexibilität bei der Gestaltung ihrer Arbeit und den entsprechenden Bedürfnissen der Wirtschaft, den besonderen Belangen kleiner und mittelständischer Betriebe Rechnung tragen, wie wir dies etwa beim Brückenteilzeitgesetz getan haben. Das war eine wichtige Antwort; denn unfreiwillige Teilzeitarbeit riskiert Altersarmut, wovon leider oft Frauen betroffen sind.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Der Gedanke, gerade kleine und mittelständische Betriebe nicht zu überfordern, wird uns auch – das will ich ausdrücklich sagen – beim notwendigen Abbau von befristeter Beschäftigung, zu dem wir uns ausdrücklich bekennen, leiten.

Meine Damen, meine Herren, es geht darum, den Sozialstaat gezielt und mit Augenmaß weiterzuentwickeln. Das tun wir. Ich nenne beispielsweise noch einmal das Rentenpaket mit den Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente und der Mütterrente, übrigens auch mit der Beitragssenkung für die Bezieher mittlerer Einkommen – Einkommen unter 1 300 Euro brutto –, die, ohne dass die Rentenanwartschaften sinken, bei den Beiträgen entlastet werden – ein richtiger Schritt.

(Otto Fricke [FDP]: Das ist ein mittleres Einkommen? – Gegenruf des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist ein Niedrigeinkommen, kein mittleres Einkommen!)

Weil hier wieder die Schlachten der Vergangenheit geschlagen worden sind: Selbstverständlich ist es so, dass heute schon der Bundeszuschuss die Höhe der versicherungsfremden Leistungen übersteigt. Hören Sie also auf, Schlachten der Vergangenheit zu schlagen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie der Abg. Kerstin Tack [SPD])

Diesen Weg werden wir gezielt fortsetzen, etwa wenn wir demnächst eine Altersvorsorgepflicht für Selbstständige angehen. Auch das ist ein wichtiger Schritt zur Vermeidung von Altersarmut.

Beim Qualifizierungschancengesetz, dem wir uns in Kürze zuwenden werden, geht es gezielt darum, Arbeitslosigkeit infolge von technologischem Strukturwandel erst gar nicht entstehen zu lassen, indem es erweiterte Weiterbildungsförderungsmöglichkeiten gibt, die Menschen Gewissheit geben, dass sie mit ihrer Qualifikation auch weiterhin eine gute Arbeit finden und dass sie nicht erst in Arbeitslosigkeit fallen. Wir werden darauf achten, dass dieses Gesetz nicht zuletzt auch kleinen und mittleren Betrieben im Strukturwandel zugutekommt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie der Abg. Katja Mast [SPD])

Schließlich ist das Teilhabechancengesetz ein Anstoß, jetzt die Zeit zu nutzen, uns besonders Langzeitarbeitslosen zuzuwenden, wobei ich ausdrücklich sage: In den letzten zehn Jahren ist die Zahl der Langzeitarbeitslosen halbiert worden. Also haben auch diese Menschen vermehrt Chancen auf einem Arbeitsmarkt, zu dem heute mit über 1,2 Millionen offenen Stellen viele unbesetzte Arbeitsplätze gehören.

Aber es ist richtig, dass wir mit einem Kraftakt von 4 Milliarden Euro in den nächsten Jahren, mit Lohnkostenzuschüssen, mit gezielter ganzheitlicher Beratung, die auch die Familiensituation in den Blick nimmt, mit einer besseren personellen Ausstattung der Jobcenter, noch mehr tun, damit auch diese Menschen eine bessere Chance auf Teilhabe am Arbeitsmarkt haben.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ja, meine Damen und Herren, wir entwickeln unseren Sozialstaat zielgerichtet weiter, und wir machen ihn fit für die Zukunft. Ich möchte aber natürlich auch etwas zur Debatte der letzten Tage über die grundsätzliche Ausrichtung des Sozialstaats sagen. Ich halte es jedenfalls für unangemessen, unseren leistungsstarken Sozialstaat schlechtzureden oder gleichsam so zu tun, als müsste erst ein verlässlicher Sozialstaat überhaupt geschaffen werden, so als würde das das Vertrauen in die Politik stärken. Das stärkt übrigens auch nicht das Vertrauen in die Politik einer Partei, die seit vielen Jahren den Arbeits- und Sozialminister stellt. Ich glaube deswegen, dass es ein falscher Weg wäre, die erfolgreichen Arbeitsmarktreformen der letzten Jahre abzuwickeln. Nein, wir bekennen uns ausdrücklich zu diesen gemeinsam getragenen Arbeitsmarktreformen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Ulli Nissen [SPD])

Vergangenheitsbewältigung ist kein guter Kompass für die Zukunftsgestaltung.

Wer angesichts der notwendigen Bedürftigkeitsprüfung im Rahmen der Unterstützung von Langzeitarbeitslosen gleichsam den Eindruck eines Systems der Dauerdemütigung erweckt, der missachtet damit die eindrucksvolle Arbeit von 60 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Jobcentern, vor die sich der Chef der Bundesagentur für Arbeit zu Recht gestellt hat, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wer schließlich so tut, als seien Sanktionen bei verweigerter Mitwirkung gleichsam das zentrale Element bei der Betreuung von Langzeitarbeitslosen, der übersieht, dass 97 Prozent der Menschen davon überhaupt nicht betroffen sind,

(Sven Lehmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann können Sie es auch abschaffen!)

dass es für 97 Prozent derjenigen, die zu Recht Unterstützung erfahren, selbstverständlich ist, dass auch ihrerseits Mitwirkungspflichten bestehen. Ich glaube, diese 97 Prozent würden es einigermaßen befremdlich finden, wenn dauerhafte Verweigerung jedweder Mitwirkung ohne jede Reaktion und gleichsam folgenlos bliebe.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dies untergräbt Solidarität, meine Damen und Herren, und darum kann es aus meiner Sicht nicht gehen.

Es wird schließlich gesagt: Dann machen wir eben nicht Sanktionen, sondern es gibt eine Prämie für die, die ihren Pflichten tatsächlich nachkommen.

(Zuruf der Abg. Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Überlegen Sie sich mal einen Moment, wir würden das am Arbeitsmarkt machen: Gehalt für alle und eine Prämie für die, die tatsächlich kommen.

Meine Damen, meine Herren, so nimmt man die Menschen nicht ernst. Jeder Weg, der auf die Mitwirkung verzichtet – Mitwirkung zu fordern, macht nur Sinn, wenn ihre Verweigerung auch Folgen hat –, jedes bedingungslose Grundeinkommen, das überhaupt nicht mehr das Ziel hat, Menschen in Arbeit zu führen, untergräbt Solidarität in unserem Sozialstaat.

(Zuruf des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])

Wir wollen nicht kapitulieren, auch nicht vor Beschäftigungshemmnissen, sondern gezielt Menschen helfen: Hilfe zur Selbsthilfe, zu einem selbstbestimmten Leben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dazu dient unsere Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, und dem dient dieser Haushalt.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Nächster Redner ist der Kollege Otto Fricke, FDP.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7294135
Wahlperiode 19
Sitzung 66
Tagesordnungspunkt Arbeit und Soziales
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