28.11.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 67 / Tagesordnungspunkt 1

Axel GehrkeAfD - Vereinbarte Debatte Organspende

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Danke schön, Herr Präsident. – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die heutige Debatte reißt alte Wunden auf. Durch die geplante Einführung der Widerspruchslösung wird die Organspende zur staatlich sanktionierten Organentnahme. Die Widerspruchslösung verbessert nur scheinbar die Situation der Lebenden, aber erhöht das Leid der Trauernden. In der gesamten Organspendedebatte gibt es zwei Seiten: eine helle und eine dunkle. Über die helle Seite wird hier sicher ausgiebig gesprochen werden. Es ist die Seite, die auf die inzwischen 12 000 Menschen abhebt, die dringend auf ein Spenderorgan warten. Wir alle kennen die Bilder von Kindern, die nach einer Transplantation wieder fröhlich in die Kamera lachen. Es ist beglückend, auf dieser hellen Seite zu stehen und als Operateur, Kliniker oder Pharmazeut am Erfolg dieser medizinischen Meisterleistungen mittelbar oder unmittelbar beteiligt zu sein. Großartig, dass es diese Möglichkeiten gibt, und hoffentlich schreitet der medizinische Fortschritt weiter voran.

Demgegenüber steht die dunkle Seite. Ich bin gespannt, wie häufig diese heute im Plenum angesprochen wird. Ich bin der festen Überzeugung, dass, wenn wir die Widerspruchslösung einführen, der Staat dem Bürger dann die im neuen Gesetz geforderte umfassende Aufklärung auch wirklich umfassend schuldet; denn der besorgte Bürger wird nachfragen. Was gehört zu einer umfassenden Aufklärung? Es ist nicht die Hirntotdebatte, die im Internet geführt wird. Als langjährig auf Intensivstationen tätiger Arzt kann ich versichern, dass eine Patientin oder ein Patient mit einer langanhaltenden Nulllinie in den Gehirnströmen niemals – wirklich niemals – eine Chance hat, weiterzuleben. Ausnahmslos alle Schauermärchen hielten einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht stand. Diese Menschen sind Sterbende, die nur noch durch Apparate am Leben gehalten werden. Nach Ausschalten der Apparate tritt unweigerlich und in kurzem zeitlichen Abstand der Tod ein.

Hier beginnt die Grauzone, die den Menschen zu Recht Sorge macht, nämlich die Organentnahme. Ich zitiere eine betroffene Mutter aus dem Internet: Wir dachten: Der stirbt jetzt, und dann entnehmen sie die Organe. Dass das im Sterben passiert, war uns ja gar nicht bewusst. Warum haben wir nicht gefragt: „Was genau passiert denn da?“, bevor wir eingewilligt haben? – Bei einer Widerspruchslösung wird nicht einmal das mehr möglich sein.

Deswegen wird die Widerspruchslösung meiner Meinung nach eher zu noch weniger Organspenden führen als die derzeitige Entscheidungslösung, bei der sich Menschen individuell und häufig über einen längeren Zeitraum genau informiert haben und in voller Kenntnis dessen sagen: Jawohl, ich möchte anderen Menschen helfen und über meinen Tod hinaus der Menschheit nützlich sein. Ich stelle meine Organe aus selbstlosen Motiven zur Verfügung. – Das ist eine bewundernswerte Haltung, die nicht hoch genug eingeschätzt werden kann.

Ob das umgekehrt bei der Widerspruchslösung mit gleicher positiver Grundhaltung geschehen wird, bezweifle ich. Es gibt nicht zu wenig Spender. 70 Prozent der Befragten – eben wurde von 80 Prozent gesprochen; ich kenne die Zahl 70 Prozent – äußerten sich positiv zur Organspende. Es sind die Mängel bei der Organisation und Mängel bei der Betreuung und nicht bei der Methode der Auswahl, die dazu führen, dass wir zu wenig Spender haben. Das hat ja im Übrigen auch die Delegationsreise des Gesundheitsausschusses gezeigt, worüber heute sicher noch berichtet wird.

Die Widerspruchslösung ist dagegen voller Baustellen, vor allem wird sie sich nie von dem Verdacht der Begehrlichkeiten Dritter befreien können. Das beginnt schon bei sogenannten organprotektiven Maßnahmen, also Maßnahmen, die beim Sterbenden ergriffen werden, um die zu transplantierenden Organe zu schützen. Wer hat mehr Rechte – der zukünftige Empfänger oder der Sterbende? Wie steht es mit Verfügungserklärungen vieler Menschen, das Leben nicht unnötig zu verlängern, das heißt, die Geräte abzuschalten, auch wenn der Hirntod noch nicht eingetreten ist?

Herr Kollege Gehrke, auch Ihre Redezeit –

Ich komme zum Schluss.

– ist leider abgelaufen.

Dann bedanke ich mich sehr herzlich.

(Beifall bei der AfD)

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Karl Lauterbach, SPD.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7295099
Wahlperiode 19
Sitzung 67
Tagesordnungspunkt Vereinbarte Debatte Organspende
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine