Kerstin GrieseSPD - Vereinbarte Debatte Organspende
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es gut, dass wir das Thema Organspenden mit einer Orientierungsdebatte starten. Diesen Weg sind wir schon einmal gegangen, als wir in der letzten Wahlperiode über assistierten Suizid diskutiert haben. Das war gut und ist auch jetzt gut; denn wir brauchen Zeit, um schwierige ethische Fragen zu klären. Oft sind es auch sehr persönliche Fragen.
Wir sind uns alle einig, dass wir mehr Organspenden brauchen. Ich habe lange überlegt, zu welcher Position ich neige. Ich melde mich heute zu Wort, weil ich für eine verpflichtende Entscheidungslösung plädieren möchte.
(Beifall der Abg. Stephan Pilsinger [CDU/CSU] und Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Zum einen hat mich das, was die Befürworter der Widerspruchslösung vertreten, nicht in Ruhe gelassen. Das Ziel ist richtig: Wir brauchen mehr Organspender, aber ich denke, der Staat, der Gesetzgeber, kann das nicht verordnen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Es wäre eben keine Spende mehr, es wäre eher eine „Organabgabe“. Organspende heißt ja auch, dass man sich aus Nächstenliebe, aus Humanität, Vernunft oder Überzeugung – oder wie man es definieren will – entscheidet, zu helfen, und deshalb zu Lebzeiten festlegt, dass alle bzw. welche Organe nach dem eigenen Tod gespendet werden können. Organspende ist ein Geschenk.
(Beifall des Abg. Dr. Martin Rosemann [SPD])
Pauschal vorzugeben, dass all diejenigen, die nicht widersprechen, Organspender sind, geht meines Erachtens zu weit. Das missachtet das Selbstbestimmungsrecht in einer so persönlichen Frage.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Zum anderen will ich nicht, dass alles so bleibt, wie es ist, und wir einfach nur ein paar Broschüren mehr verteilen. Aufklärung und Information müssen auch zu selbstbestimmtem Handeln führen. Wie wichtig es ist, Leben retten zu können, damit muss sich jeder beschäftigen; denn Organspenden retten Leben. Ich finde, der Staat, der Gesetzgeber darf jeden Menschen in bestimmten Situationen auffordern, sich mit dem Thema Organspende zu beschäftigen und sich zu entscheiden.
Meine eigene Erfahrung ist, dass man einen Anstoß braucht, um sich mit den schweren Fragen von Leben und Tod zu beschäftigen. Kaum jemand macht das von alleine. Ich gestehe gerne: Ich habe einen Organspendeausweis, weil mich unser damaliger Fraktionsvorsitzender Frank-Walter Steinmeier mit seiner Nierenspende an seine Frau sehr beeindruckt hat. Damals habe ich begonnen, darüber nachzudenken. Auch wenn es sich um eine Lebendspende handelte, hat mir sein Handeln gezeigt: Du musst was tun.
Als wir schon einmal im Bundestag darüber diskutiert haben, 2012, haben wir entschieden, dass die Krankenkassen mit der Post Informationen und Organspendeausweise verschicken. Trotzdem stagnierte die Zahl der Organspenden, sie ist sogar gesunken. Ich sage deshalb: Wir müssen mehr tun als bisher, damit sich die Zahl der Organspenden erhöht.
Ich will und ich werbe dafür um Unterstützung, dass wir klar gesetzlich festlegen: Jeder Mensch soll sich bei der Ausstellung seines Führerscheins, bei der Verlängerung des Personalausweises oder Reisepasses fragen lassen müssen, ob er oder sie Organspender wird. Mithilfe guter Informations- und Beratungsangebote muss man sich dann entscheiden: Ja oder nein? Oder – ich glaube, diese Möglichkeit wird es auch geben müssen – man muss sich eingestehen, sich noch nicht entscheiden zu können. Man weiß aber, dass man im Leben noch mal gefragt werden wird, dass diese Frage wiederkommt, und damit ist das Thema präsent. Deshalb plädiere ich für die verpflichtende Entscheidungslösung, damit Menschen sich für eine echte Organspende freiwillig entscheiden können, aber eben auch entscheiden müssen, wenn sie zum Bürgeramt gehen. Ich hoffe sehr, dass dadurch mehr Menschen Organspender werden.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Entscheidung zur Organspende muss jeder Mensch selbst fällen. Unsere Aufgabe als Gesetzgeber muss es aber sein, regelmäßiger, gezielter, besser zu informieren und dafür zu sorgen, dass sich jeder Mensch damit beschäftigt, auch mehrmals, um eine Entscheidung zu treffen, um Leben retten zu können durch eine Organspende.
Vielen Dank.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Katja Kipping [DIE LINKE])
Katrin Helling-Plahr, FDP, ist die nächste Rednerin.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7296318 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 67 |
Tagesordnungspunkt | Vereinbarte Debatte Organspende |