28.11.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 67 / Tagesordnungspunkt 1

Katrin Helling-PlahrFDP - Vereinbarte Debatte Organspende

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Großmutter hat mich als Kind ein ums andere Mal mit der Maxime „Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen“ zur umgehenden Erledigung meiner Aufgaben ermahnt.

(Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Sehr gute Devise!)

Wenn ich sehe, dass laut aktueller Repräsentativbefragung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung 84 Prozent der Menschen in Deutschland einer Organspende positiv gegenüberstehen, aber nur 36 Prozent über einen Organspendeausweis verfügen, scheinen viele eher nach Mark Twain zu verfahren: Verschiebe nicht auf morgen, was genauso gut auf übermorgen verschoben werden kann. Das ist bei Fragen, die erst im Zusammenhang mit dem eigenen Ableben relevant werden, ja auch allzu verständlich. Wenn aber dadurch schließlich die Angehörigen vor die Frage einer Organspende gestellt werden, ist das für diese nicht nur extrem belastend, sondern sie entscheiden sich in dieser konkreten Trauersituation dann auch überdurchschnittlich häufig gegen eine Organspende. Deshalb müssen wir uns der Herausforderung stellen und die Schere zwischen denjenigen, die zur Spende bereit sind, diese Bereitschaft aber noch nicht dokumentiert haben, und denjenigen, die sich auch tatsächlich bekennen, schließen. Eingedenk sinkender Spenderzahlen und überlanger Wartelisten ist der Schluss, dass alle bisherigen Bemühungen nicht ausreichend waren, unausweichlich.

Auch wenn die Problematik nicht monokausal zu betrachten ist, müssen wir im Hinblick auf die Frage „Zustimmungslösung, verpflichtende Entscheidungslösung respektive Widerspruchslösung“ den nächsten Schritt gehen. Ich wünsche mir, dass wir hier pragmatisch vorgehen. Ich finde, dass die Widerspruchslösung gut vertretbar ist. In der Abwägung Selbstbestimmungsrecht in Form positiver Zustimmung auf der einen und Leib und Leben der Betroffenen auf der anderen Seite kann man zu dem Ergebnis kommen, dass Freiheit in Verantwortung auch bedeuten kann, sich proaktiv dazu bekennen zu müssen, nicht Spender sein zu wollen.

Andererseits aber bin ich schon der Auffassung, dass wir bei einem solch massiven Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht behutsam vorgehen müssen. Dass wir das mildeste Mittel zur Steigerung der Spenderzahl wählen müssen. Dass wir verpflichtet sind, zunächst den Weg zu gehen, der die Menschen weniger in ihrem Selbstbestimmungsrecht belastet. Das bedeutet, dass wir verpflichtet sind, den Weg der verpflichtenden Entscheidungslösung zu gehen, bevor wir die Widerspruchslösung aufrufen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)

Es ist unseren Bürgern zuzumuten, dass sie, etwa bei der Ausgabe von Ausweisdokumenten, dazu angehalten werden, verbindlich eine Erklärung zur Organspende abzugeben. Diese Entscheidung rettet dann Leben. Bereits die Notwendigkeit zur Entscheidung wird die Schere zwischen Spendebereiten und Spendebekennern schließen.

Im gleichen Zuge müssen wir zwingend und dringend ein Organspenderegister schaffen. Wenn jemand sich dafür – oder auch dagegen – entscheidet, Spender sein zu wollen, dann muss sichergestellt sein, dass seine Entscheidung auch respektiert wird. Das ist nicht nur ethisch und rechtlich geboten, es ist auch die beste vertrauensbildende Maßnahme für Organspenden. Derzeit kommt es immer wieder vor, dass Organspendeausweise nicht aufgefunden werden. Wir sollten deshalb dringend und ganz unabhängig von der Lösung, die wir hier finden, die zusätzliche Möglichkeit schaffen, sich digital und unkompliziert als Spender registrieren zu können.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sehr geehrte Damen und Herren, sorgen wir dafür, dass die Menschen sich entscheiden. Dann haben wir im Ergebnis mehr Spender, weniger Belastungen für die Angehörigen und mehr Selbstbestimmung.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)

Dr. Petra Sitte, Fraktion Die Linke, ist die nächste Rednerin.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7296319
Wahlperiode 19
Sitzung 67
Tagesordnungspunkt Vereinbarte Debatte Organspende
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine