Sabine DittmarSPD - Vereinbarte Debatte Organspende
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Die Entscheidung für oder gegen eine Organspende ist zweifelsohne eine sehr persönliche, setzt sie doch die Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod voraus. Jeder Einzelne von uns muss für sich selbst die Frage beantworten, ob er mit seinem Tod neues Leben, neue Hoffnung schenken will. Angesichts der dramatischen Zahlen ist aber nicht von der Hand zu weisen, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Über 11 000 schwerstkranke Patienten und Patientinnen warten auf ein lebensrettendes Organ. Die durchschnittliche Wartezeit für ein Spenderorgan ist bei uns drei- bis fünfmal so hoch wie in unseren Nachbarländern. Teilweise warten, bangen oder hoffen die Patienten über zehn Jahre, und doch versterben Tag für Tag drei bis vier Patienten, weil es kein passendes Organ gab.
Ich habe während meiner praktischen Arbeit als Ärztin einige Patienten und deren Familien begleitet und weiß um die Dramatik der Situation. Ich weiß aber auch und kenne die Dramatik der Situation, wenn Angehörige am Sterbebett nach einer möglichen Zustimmung zur Organspende gefragt werden und in dieser emotional sehr schwierigen Situation völlig überfordert sind. Deshalb halte ich es für dringend geboten, dass jeder Einzelne von uns eine persönliche Entscheidung trifft und diese dokumentiert. Laut Umfragen – es wurde schon erwähnt – sind 84 Prozent der Deutschen bereit für eine Organspende; aber bedauerlicherweise hat weniger als die Hälfte dies auch tatsächlich dokumentiert.
Das zeigt für mich zweierlei: erstens, dass wir mit allen bisherigen Maßnahmen, Aufklärungskampagnen, Informationskampagnen, regelmäßigem Zusenden des Organspendeausweises durch die Krankenkasse, gescheitert sind, und zweitens, dass wir angesichts der bekannten Zahlen effizient und schnell handeln müssen.
Effizient handeln bedeutet für mich nicht, dass wir lediglich zusätzliche Infobriefe durch die Bundeszentrale verschicken lassen, oder auch nicht, dass wir alle zehn Jahre bei der Passbeantragung nachfragen. Effizient handeln bedeutet für mich, dass die Bürgerinnen und Bürger aktiv aufgefordert werden, sich für oder gegen Organspende zu entscheiden und diese Entscheidung zu dokumentieren. In dieser expliziten Aufforderung muss auch deutlich auf die Konsequenz der Nichtentscheidung hingewiesen werden. Wenn keine dokumentierte Entscheidung, kein dokumentierter Widerspruch vorliegt, dann ist von einer Zustimmung zur Organspende auszugehen, es sei denn, den Angehörigen ist ein anderer, mutmaßlicher Wille bekannt.
Ich halte diese Form der Widerspruchslösung für einen zumutbaren und für einen wichtigen Baustein, um Organspendezahlen zu erhöhen. Ich denke, wer eine solche Regelung ablehnt, der muss auch die Frage beantworten, warum wir dann Spenderorgane aus Eurotransplant-Ländern mit Widerspruchslösung annehmen. Auch dieses moralische Dilemma gilt es zu klären.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Karl Lauterbach [SPD])
Mir ist natürlich bewusst, dass wir allein mit der Einführung der Widerspruchslösung nicht alle Probleme lösen. Deshalb ist es wichtig, dass wir im nächsten Jahr das Gesetz zur Verbesserung der Rahmenbedingungen in unseren Krankenhäusern auf den Weg bringen. Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren: Ich möchte nicht noch mal erleben, dass ich bei einem Besuch in einem Krankenhaus mit Dialyseabteilung und mit neurologischer Intensivstation bei meiner Nachfrage nach dem Transplantationsbeauftragten einen fragenden Blick ernte, und ich möchte auch nicht noch mal erleben, dass verzweifelte Eltern mit ihrem herzkranken Sohn nach Spanien umziehen, weil sie sich dort bessere Chancen erhoffen, zeitnah ein rettendes Organ zu bekommen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Genau das ist vor 14 Tagen in meinem Wahlkreis passiert.
Kommen Sie bitte zum Schluss.
Ja, Frau Präsidentin. – Ich denke, wir brauchen beides: strukturelle, gute Voraussetzungen in den Krankenhäusern und die Widerspruchslösung; denn dann wird die Organspende beim nicht umkehrbaren Ausfall der Gehirnfunktion –
Kommen Sie bitte zum Schluss.
– nicht zur Ausnahme, sondern zum Normalfall.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Nächster Redner: Dr. Andrew Ullmann.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7296324 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 67 |
Tagesordnungspunkt | Vereinbarte Debatte Organspende |