28.11.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 67 / Tagesordnungspunkt 1

Kathrin VoglerDIE LINKE - Vereinbarte Debatte Organspende

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Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, Frau Schmidt, das Thema Organspende ist eines, das den Bundestag immer wieder beschäftigt, und das auch zu Recht; denn über 10 000 Menschen stehen auf den Wartelisten für ein Spenderorgan, und für jeden Einzelnen und jede Einzelne von ihnen ist das die letzte Hoffnung auf Leben und Lebensqualität.

Wer sich dafür entscheidet, nach seinem Tod als Organspenderin oder Organspender zur Verfügung zu stehen, der leistet einen Akt der individuellen Solidarität mit einem wildfremden Menschen, aber eben auch einen Dienst an der Gesellschaft. Ich finde, deswegen haben diese Personen ihrerseits Anspruch auf Anerkennung und Wertschätzung. Es ist eben keine Selbstverständlichkeit oder nach dem Tode eintretende Bürger- und Bürgerinnenpflicht, sondern ein Ausdruck individueller Selbstbestimmung in sozialer Verantwortung.

Das Bewusstsein dafür ist in den letzten Jahren gewachsen, was sich in der zunehmenden Zahl von Organspenderausweisen, aber auch in einer überwiegend positiven Haltung der meisten Menschen zur Organspende nach dem Hirntod ausdrückt. Angesichts dessen, Herr Spahn, habe ich mich schon sehr gewundert, dass Sie als Gesundheitsminister, der diese positive Entwicklung ja kennen müsste, sich im Sommer dieses Jahres für die Einführung einer Widerspruchsregelung ausgesprochen haben. Um noch einmal klarzumachen, was das bedeutet: Das würde bedeuten, dass jemand, der zu Lebzeiten keine Erklärung zur Organspende abgegeben hat, dann automatisch als Organspenderin oder Organspender gelten würde, wohingegen es heute so ist, dass vor einer Organentnahme der mutmaßliche Wille des Verstorbenen erkundet werden muss. Auch die Angehörigen werden in diese Klärung einbezogen. Wenn nicht geklärt werden kann, wie die Person zur Organspende gestanden hat, dann dürfen keine Organe entnommen werden. Ich finde, dieses Vorgehen entspricht der Menschenwürde und der Selbstbestimmung, die in unserer Rechtsordnung auch über den Tod hinaus zu respektieren sind.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wozu sonst hätten wir denn Bestimmungen zum Umgang mit Toten wie etwa § 168 Strafgesetzbuch, der eine Störung der Totenruhe mit bis zu drei Jahren Haft bedroht?

Vor diesem Hintergrund, finde ich, müsste schon eine Widerspruchsregelung aus ähnlich hochstehenden Rechtsgütern zu begründen sein, und das ist sie aus meiner Sicht aus mehreren Gründen nicht. Eine Widerspruchsregelung ist weder notwendig noch überhaupt geeignet, um das Ziel einer besseren Versorgung mit Spenderorganen und damit eben auch von mehr Überlebensmöglichkeiten für die Menschen auf der Warteliste zu erreichen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU])

Aus der bereits mehrfach angesprochenen Studie der Universitätsklinik Kiel geht hervor, dass im Jahr 2015 von 27 258 Todesfällen in Krankenhäusern, die für eine Organspende infrage gekommen wären, überhaupt nur 2 245 – das sind gerade einmal 8,2 Prozent – an die zuständige Stiftung Organtransplantation gemeldet wurden. Und nur bei 3,2 Prozent kam es dann tatsächlich zur Entnahme von Organen. Diese Quote entwickelt sich genau rückläufig zu der Bereitschaft der Bevölkerung. Der Anteil der Menschen mit Organspendeausweis hat sich von 22 Prozent im Jahr 2012 auf 32 Prozent im Jahr 2016 erhöht und in den letzten zwei Jahren noch weiter. Wenn die Realisierungsquote trotzdem nur bei 3,2 Prozent liegt, dann zeigt das doch, dass es in den Krankenhäusern selbst sehr viele praktische, konkrete Verbesserungsmöglichkeiten gibt. Bevor diese nicht ausgeschöpft sind, sollte man nicht an eine Widerspruchsregelung denken.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP sowie des Abg. Sven Lehmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Aus meiner Sicht ist es wichtig, noch einmal darauf hinzuweisen, dass die Ökonomisierung der Krankenhäuser durch die verhängnisvollen Fallpauschalen dazu führt, dass Intensivbetten und OPs mit lukrativem Patientengut – was für ein schrecklicher, menschenfeindlicher Begriff! – ausgelastet sein müssen. Eigentlich müssten wir dort ansetzen. Dafür sehe ich aber leider keine Mehrheit. Eine Widerspruchslösung könnte sogar gegenteilige Effekte haben.

Denken Sie an Ihre Redezeit!

Deshalb möchte ich dafür werben, dass wir uns gemeinsam um eine bessere Information und Beratung zur Organspende, aber vor allem auch um eine bessere Organisation in den Krankenhäusern bemühen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Kathrin Vogler. – Nächste Rednerin: Sylvia Kotting-Uhl.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7296332
Wahlperiode 19
Sitzung 67
Tagesordnungspunkt Vereinbarte Debatte Organspende
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