Hilde MattheisSPD - Vereinbarte Debatte Organspende
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Zahlen sind hier mehrfach genannt worden; auch die Notwendigkeit, die Zahl der Spenden zu erhöhen, ist vielfach erwähnt worden. Insofern ist es für mich unverständlich, dass wir an dieser Stelle eine Debatte führen, die eigentlich den Kern dessen, was schon in einem Gesetzentwurf vorliegt, ein Stück weit überdeckt:
(Beifall der Abg. Stephan Pilsinger [CDU/CSU] und Dr. Kirsten Kappert-Gonther [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Zusammenarbeit und der Strukturen bei der Organspende wollen wir dafür sorgen, dass es zu einer Erhöhung der Organspendezahlen kommt. Es war umso unverständlicher, dass der Minister, der den Gesetzentwurf vorgelegt hat, diese Debatte lostritt.
Ich will die Zahlen noch einmal nennen: 12 000 Menschen warten auf eine Organspende. Damit ist über das ganze Elend schon alles gesagt. Angehörige bangen um ihre Kinder oder Ehepartner. Das ist alles unglaubliches Leid. Natürlich ist das Leid auf der anderen Seite genauso unglaublich, nämlich in einem Krankenhauszimmer gefragt zu werden: Steht der Angehörige zur Organspende zur Verfügung? Was sagen Sie? – Mit der doppelten Widerspruchslösung würden wir vor allen Dingen die Angehörigen vor eine schwierige Aufgabe stellen. Man müsste ihnen sagen: Ihr Vater, Ihre Mutter hat nicht widersprochen. Wie sehen Sie das? – Das Problem ist, dass wir auf dieser Grundlage eine Organspende provozieren, die ich unter anderem aus ethischen und rechtlichen Gesichtspunkten nicht möchte.
Lassen Sie uns doch bitte die zentralen Fragen klären: Wie kriegen wir es hin, dass auch kleinere Krankenhäuser die Entnahme im Blick haben? In kleineren Krankenhäusern verstirbt die Hälfte aller Menschen in Deutschland. Das sind die Todesfälle, um die es geht. Das muss man im Blick haben. Wie kriegen wir es hin, dass die Krankenhäuser die Entnahme nicht nur als unwillige Pflichtaufgabe empfinden, sondern sich der Sache annehmen und sagen: „Ja, damit wird ein wichtiger medizinischer Beitrag geleistet“?
(Beifall der Abg. Karin Maag [CDU/CSU] und Dr. Kirsten Kappert-Gonther [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Und: Wie kriegen wir es hin, dass die Vergütung stimmt?
Als Reisende nach Spanien und Dänemark komme ich auf die Erfahrungswerte in diesen Ländern zu sprechen. Aus den Gesprächen, die wir dort geführt haben, und auch aus den entsprechenden Untersuchungen geht hervor: Es gibt keinen Zusammenhang zwischen der Widerspruchslösung und der Zahl der Organspenden oder der Zustimmungslösung und der Zahl der Organspenden. Es liegt allein an den Strukturen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Nicole Westig [FDP] und Kathrin Vogler [DIE LINKE])
Wie kriegt man es hin, dass in den Entnahmekliniken Transplantationsbeauftragte wirklich eingebunden sind, dass Intensivmedizinerinnen und Intensivmediziner den Blick darauf haben und geschult sind, dass sie sich in der Ausbildung entsprechendes Wissen aneignen können? Wie kriegen wir es hin, dass in einem Team auch Pflegerinnen und Pfleger dabei sind und christlicher bzw. theologischer Beistand sichergestellt ist? Denn niemand von uns möchte sich vorstellen, in irgendeinem kahlen Krankenhauszimmer zu sitzen und mit dieser Frage allein zu sein. Egal ob er widersprochen oder sich entschieden hat: Niemand möchte mit dieser Frage allein sein. Er möchte medizinische Auskunft sowie ethischen oder religiösen Beistand haben. Dafür müssen wir sorgen.
Vielen Dank.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank, Hilde Mattheis. – Nächste Rednerin: Dr. Claudia Schmidtke.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7296336 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 67 |
Tagesordnungspunkt | Vereinbarte Debatte Organspende |