28.11.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 67 / Tagesordnungspunkt 1

René RöspelSPD - Vereinbarte Debatte Organspende

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Fast am Ende einer, wie ich finde, sehr guten Debatte kann man sicherlich zusammenfassend feststellen, dass wir einig sind im Ziel, das wir erreichen wollen, nämlich mehr Organspenden bereitzustellen, aber sehr uneins in der Einschätzung sind, welcher Weg dorthin der beste ist: die Widerspruchslösung oder die Entscheidungslösung. Über diese Frage ist schon vor über zehn Jahren in einer Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages diskutiert worden. Wir haben uns damals angeschaut, warum es so große Unterschiede zwischen Deutschland und Spanien gibt, was die Organspendebereitschaft angeht. Wir haben uns auch Deutschland selbst genau angeschaut. Wir haben festgestellt: Es gibt Unterschiede zwischen den Bundesländern, vor allen Dingen zwischen städtischen und ländlichen Regionen sowie zwischen Regionen, in denen Krankenhäuser gut aufgestellt sind, und den Regionen, in denen Krankenhäuser nicht gut aufgestellt sind; das sage ich, ohne einen Vorwurf zu erheben. Wir sind überwiegend zu der Einschätzung gekommen: Tatsächlich sind das Kernproblem die Organisation und die Unterstützung der Krankenhäuser. Deswegen ist der Gesetzentwurf, über den diskutiert wird, der richtige Ansatz, um das Kernproblem zu lösen.

(Beifall des Abg. Stephan Pilsinger [CDU/CSU])

Worüber ich mich tatsächlich wundere, ist, dass schon die Frage nach der Widerspruchslösung gestellt wird. Ich bin von diesem Weg nicht überzeugt – das will ich ausdrücklich sagen –,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Stephan Pilsinger [CDU/CSU])

und zwar aus zwei Gründen. Erstens glaube ich, dass diese Verfahrensweise mit der rechtsstaatlichen Auffassung, die wir haben, nicht übereinstimmt. Ich glaube, dass es sogar verfassungswidrig ist, anzunehmen, dass jemand, der sich nicht äußert, eine Entscheidung getroffen haben soll. Zu Recht und mit Verve kämpfen wir doch dafür, dass jemand am Telefon oder an der Haustür keinen Vertrag abschließt, nur weil er sich nicht äußert, sondern dass Zustimmung erforderlich ist, dass der Betreffende zum Beispiel unterschreiben muss, ob er den Telefonanbieter wechselt.

(Beifall bei Abgeordneten der der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das darf doch bei der Organspende wahrlich nicht anders sein.

(Beifall des Abg. Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Der zweite, fast viel wichtigere Punkt ist, dass in der Organspende wie in keinem anderen Feld, das das Ende des Lebens betrifft – vielleicht gilt es auch noch für die Patientenverfügung –, das Vertrauen der Menschen in einem Bereich, wo sie im Umgang mit dem Tod auf Dritte oder vielleicht auch Weitere angewiesen sind, eine Rolle spielt.

Ich stelle immer wieder fest – wie Sie vielleicht auch –, dass viele Menschen mit Organspenden zwar einverstanden sind und sie gut finden, dass es aber, wenn es um sie selbst geht, auch ein großes Misstrauen gibt, was vielleicht daran liegt, dass es einige wenige Fälle und Skandale gab, in denen Organtransplantationen sehr negativ in der Presse dargestellt wurden. Es geht dabei um wenige von vielen Tausend Organtransplantationen. Diese wenigen Fälle haben die Menschen auch verunsichert: Werde ich vielleicht nicht bis zum Schluss oder bis zur Gesundung gepflegt, weil man meine Organe braucht? Das ist eine Befürchtung, von der ich finde, dass sie nicht berechtigt ist. Unsere Aufgabe ist es, dagegen zu argumentieren und mehr Vertrauen zu schaffen.

Ich glaube, dass es eine Katastrophe für das Vertrauen wäre, wenn der erste Fall auftritt, dass jemand, der eigentlich nicht Organe spenden wollte und nicht widersprochen hat – aus welchen Gründen auch immer; ich gebe zu, dass ich in meinem Stadtteil zwar Entsprechendes erwarten möchte; aber die Realität ist sicherlich nicht so, dass jeder Mensch selbstbestimmt darüber entscheidet und darüber nachdenkt, ob er Organspender werden will oder nicht –, eine Organentnahme an sich vornehmen lassen muss. Ich glaube, das wäre genau der GAU, der eintreten könnte. Deswegen wäre die Widerspruchslösung an dieser Stelle ein zusätzlicher großer Vertrauensverlust, den wir unbedingt vermeiden müssen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU sowie der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE])

Ich komme zum Ende. Ich finde, dass dieser Gesetzentwurf die richtige Bahn einschlägt und dass wir mehr daransetzen müssen, dass das Vertrauen in Organspenden berechtigterweise größer wird. Deswegen spreche ich mich ausdrücklich für eine Entscheidungslösung aus.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der LINKEN)

Vielen Dank, René Röspel. – Nächster Redner: Oliver Grundmann.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7296342
Wahlperiode 19
Sitzung 67
Tagesordnungspunkt Vereinbarte Debatte Organspende
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