29.11.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 68 / Zusatzpunkt 2

Albrecht GlaserAfD - Änderung des GG - Bildung, Bau, Verkehr

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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung wünscht eine Änderung mehrerer Artikel der Finanzverfassung, in erster Linie zur Verteilung von Geld an die Länder. Es soll dabei um die Sicherstellung der Qualität und der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens gehen, wie es heißt, die Gemeindeverkehrsinfrastruktur und den sozialen Wohnungsbau. Wie man sieht: Kernaufgaben der Länder, die im föderalen Staatsaufbau diesen zur eigenen Erledigung zugewiesen sind.

Wie allgemein bekannt, ist ein lebendiger Föderalismus unabänderbares Verfassungsgebot – Artikel 79 Absatz 3, Sie kennen das. Die Finanzverfassung des Grundgesetzes zieht daraus seit 1969 die logische und rationale Konsequenz – ich zitiere Artikel 104a Grundgesetz –:

Der Bund und die Länder tragen gesondert die Ausgaben, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben …

Hinter dieser Regelung steckt die kluge staatstheoretische und verwaltungswissenschaftliche Erkenntnis, dass Aufgabenträgerschaft und Finanzverantwortung auf der gleichen staatlichen Ebene angesiedelt werden müssen. Das nennt man Good Governance.

(Beifall bei der AfD)

Ein Verfassungsrechtler hat bei der Anhörung zu der geplanten Rechtsänderung ausgeführt:

Die Frage, wer in der Sache entscheiden soll, muss über die Zuordnung der Sachkompetenz geregelt werden. Die Finanzkompetenz muss dann folgen.

Dies sieht der Bundesrechnungshof auch so. Und die Bundesregierung, die in gleicher Mannschaftsaufstellung wie heute zur Stärkung dieses Prinzips 2006 eine große Föderalismusreform gemacht und dafür 25 Artikel des Grundgesetzes geändert hat, hat diese Änderungen seinerzeit so begründet:

Die bundesstaatliche Ordnung … leidet an einer übermäßigen institutionellen Verflechtung von Bund und Ländern …

Und:

Mischfinanzierungen verschränken Aufgaben- und Ausgabenzuständigkeiten und engen zugleich die Spielräume für eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung beider staatlicher Ebenen ein.

Eine kluge Bundesregierung, die das damals ins Werk gesetzt hat – eine Große Koalition.

(Beifall bei der AfD)

Als im Jahre 2017 wiederum eine CDU/CSU/SPD-Regierung dieses früher für so wichtig gehaltene Prinzip der Staatsorganisation verwässert hat, haben unter anderem die beiden Ministerpräsidenten Dreyer und Kretschmann schärfsten Protest erhoben.

(Christian Lindner [FDP]: Frau Dreyer aus anderen Gründen!)

Das war vorgestern. Das Ergebnis der Verhandlungen erhalte „eine sachlich eben gerade nicht zu begründende Unwucht zu Gunsten des Bundes“, sagte Dreyer, und Kretschmann sprach von der „Grenze des Zumutbaren, insbesondere … bei den Kontrollrechten des Bundes im Bereich der Finanzhilfen“. Das war vorgestern richtig, das ist heute noch richtig.

(Beifall bei der AfD)

Der ganze jetzt ins Werk gesetzte Angriff gegen den Föderalismus und gegen eine rationale Staatsorganisation geht zudem von einer überbordenden Leistungsfähigkeit des Bundes und der Armut der Länder aus. Schon diese Annahme ist unrichtig, wie die Haushaltsüberschüsse zeigen. Der Kollege Rehberg ist immer bereit, als Zeuge dafür zur Verfügung zu stehen. Und wenn diese Annahme stimmen würde, dann gäbe es die hierfür, meine Damen und Herren, geschaffene einfachgesetzliche Lösung nach Artikel 106 Grundgesetz, worauf ebenfalls in der Anhörung hingewiesen wurde. Dort wird die Aufteilung aller wesentlichen Steuern geregelt; damit soll sichergestellt werden, dass – Zitat – Bund und Länder ihre notwendigen Ausgaben decken können und bei Änderung der Verhältnisse entsprechende Anpassungen erfolgen. So einfach könnte man das Problem lösen – wenn es ein Finanzproblem der Länder gäbe.

(Beifall bei der AfD)

Eine Verfassung, meine Damen und Herren, ist keine Geschäftsordnung der Bundesregierung, die wegen einer Tages- oder Nachtlaune von Koalitionären mal so eben geändert wird. Theoretisch ist das mal so gesagt worden vom Herrn Finanzminister – in praxi wird es völlig anders gemacht. Dass die Oppositionsparteien, die diesen Übergriff in die Verfassung hätten verhindern können, nun auch mitmachen, führt zu der Feststellung: Außer der AfD gibt es im Deutschen Bundestag keine Opposition. Alle anderen sind sich fast immer einig – eine fröhliche Demokratie!

(Beifall bei der AfD – Lachen der Abg. Leni Breymaier [SPD] – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Stimmt doch überhaupt nicht!)

Wenn man wüsste, wie die Wurst hergestellt wird, würde niemand sie essen, sagt der Volksmund.

(Dr. Marco Buschmann [FDP]: Sie zitieren doch sonst immer Bismarck!)

Ähnliches gilt wohl auch für Gesetze und Verfassungsänderungen. Und dabei geht es um die Kostbarkeit des Respekts vor dem Rechtsstaat, die hier so gerne beschworen wird. – Mal wieder ein schlechter Tag für diese Republik!

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der AfD – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wegen Ihrer Rede oder warum?)

Jetzt hat das Wort Eckhardt Rehberg, CDU/CSU.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

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Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7296246
Wahlperiode 19
Sitzung 68
Tagesordnungspunkt Änderung des GG - Bildung, Bau, Verkehr
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