29.11.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 68 / Zusatzpunkt 3

Heiko Maas - Globaler Pakt für Migration

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Beinahe die ganze Weltgemeinschaft verständigt sich auf ein gemeinsames Vorgehen,

(Lachen bei der AfD – Martin Hebner [AfD]: Nein! – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Schon der erste Satz ist falsch!)

nach jahrelangen Verhandlungen, und das bei einem so kontroversen Thema wie Migration. Wenn wir heute also über den Globalen Pakt für sichere, geordnete und reguläre Migration sprechen, dann reden wir vor allen Dingen über einen bemerkenswerten Erfolg internationaler Zusammenarbeit.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

In Zeiten, in denen weltweit Nationalismus gepredigt wird

(Zuruf von der AfD: Oh!)

und bewährte Prinzipien und Grundlagen unserer internationalen Zusammenarbeit und unserer Beziehungen infrage gestellt werden, setzt der Globale Pakt ein mutiges und ein ermutigendes Zeichen für ein funktionierendes multilaterales Handeln.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, der Globale Pakt ist die Antwort der Staatengemeinschaft auf eine Herausforderung, für die es eben keine rein nationalen Lösungen gibt. Migration ist so alt wie die Menschheit. Migration ist ihrem Wesen nach global. Sie betrifft uns alle. Sie gemeinsam steuern und regulieren zu wollen, liegt in unserem ureigenen Interesse. Der Inhalt des Globalen Paktes unterstreicht dies; er ist deshalb richtig und wichtig für uns alle.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

Meine Damen und Herren, bei den Wortbeiträgen in den letzten Wochen und auch noch einigen, die heute folgen werden, scheint mir hingegen das Empörungspotenzial größer zu sein als das Lesevermögen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Jürgen Braun [AfD]: Ein lächerlicher Auftritt! Ein ganz und gar lächerlicher Auftritt von Ihnen!)

Tatsachen werden gezielt verdreht und Behauptungen aufgestellt, die an Böswilligkeit nicht zu überbieten sind, etwa jene, dass der Pakt das Recht souveräner Staaten bei Migrationsfragen einschränke und ungeregelte Masseneinwanderung zur Folge hätte.

Wahr ist – und das steht ganz deutlich schon in der Präambel dieses Paktes –: Die nationalen Hoheitsrechte werden weder eingeschränkt, noch werden sie irgendwohin übertragen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der FDP – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Ja, ja!)

Das muss man mal zur Kenntnis nehmen, auch wenn es in die eigene Diktion nicht passt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, was der Globale Pakt aber auch deutlich macht, ist, dass Menschenwürde unteilbar ist. Dies gilt für jeden, auch für die über 250 Millionen Migranten, die es auf der Welt gibt. Sich dazu zu bekennen, das sollte doch eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Behauptet irgendjemand, dass es für manche Menschen die Menschenwürde gibt und für andere nicht?

Meine Damen und Herren, der Bundesregierung wurde und wird auch heute mangelnde Transparenz vorgeworfen. Ich will diesem Vorwurf auch von dieser Stelle eindrücklich widersprechen: Die Bundesregierung hat die Öffentlichkeit von Anfang an in die Aushandlung des Globalen Paktes eingebunden.

(Lachen bei der AfD)

Das können Sie nachlesen: In den sozialen Medien, im Internet,

(Dr. Alice Weidel [AfD]: Im Hinterzimmer!)

überall sind dieser Pakt und die Verhandlungen darüber sehr offen dargestellt worden. Bei mehreren hochrangigen Konferenzen zur Migration haben wir über die Verhandlungen informiert.

(Zurufe von der AfD)

Auch der Bundestag war eingebunden und hat schon im April dieses Jahres über den Pakt diskutiert. Vor Beginn der eigentlichen Verhandlungen gab es fünf große Beratungs- und Anhörungsrunden auch für nichtstaatlich Interessierte bei den Vereinten Nationen. Bedauerlicherweise haben nicht alle Fraktionen davon Gebrauch gemacht. Jetzt raten Sie mal, welche nicht.

Herr Minister, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung von Herrn Hebner von der AfD-Fraktion?

Nein, aber ich will zumindest darauf hinweisen, dass wir selbst im Auswärtigen Amt so weit gegangen sind, dass wir einen Abgeordneten der AfD-Fraktion im Auswärtigen Amt zweimal über den Verhandlungsstand bei dem Pakt und auch über die Ergebnisse informiert haben.

(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Ach!)

Zugegebenermaßen: völlig erfolglos.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der FDP: Wer denn? Wer war das denn?)

Meine Damen und Herren, auch das will ich an dieser Stelle sagen: Ähnlich transparent wie im Bundestag haben wir übrigens auch die Öffentlichkeit über die Verhandlungen, die Ergebnisse und den Inhalt informiert, im Übrigen auch eine Vielzahl von Medienvertretern auf die Verhandlungen hingewiesen. Es ist nicht so, dass alles, was wir dorthin weitergegeben haben, seinen Niederschlag in der Berichterstattung gefunden hat. Deshalb will ich dem einen oder anderen, der in den Medien behauptet, dass darüber nicht ausreichend informiert oder geschrieben worden ist, sagen: Wenn man mit dem Finger auf andere zeigt, dann gibt es noch mehrere Finger, die auf einen selber zurückzeigen, meine sehr verehrten Damen und Herren von den Medienvertretern.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wenn wir von einem Erfolg sprechen, dann hat das auch damit zu tun, dass wir, wie ich finde, selbstbewusst auf die Ergebnisse des Paktes schauen können.

(Martin Hebner [AfD]: Dann lassen Sie Zwischenfragen zu! Trauen Sie sich doch!)

Erstmals gibt es mit ihm eine internationale Absichtserklärung zur Regulierung der Migration.

(Martin Hebner [AfD]: Erzählen Sie doch keinen Nonsens!)

Wir definieren gemeinsame Ziele, die insbesondere der Reduzierung – noch mal, damit Sie es verstehen: Reduzierung – von irregulärer Migration und ihren negativen Auswirkungen dienen.

(Jürgen Braun [AfD]: Das ist eine pure Erfindung von Ihnen! – Weitere Zurufe von der AfD)

Dies ist ausdrückliches Leitprinzip des Paktes. Deshalb profitieren auch wir in Deutschland davon, dass er verabschiedet wird.

(Martin Hebner [AfD]: Lassen Sie eine Zwischenfrage zu! Trauen Sie sich doch mal!)

Dieser Pakt ist auch im deutschen Interesse – im deutschen Interesse. Verstanden?

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es geht nämlich auch darum, dass Migranten in ihren Heimatregionen besser versorgt werden,

(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Ja, ja!)

dass Fluchtursachen bekämpft werden,

(Martin Hebner [AfD]: Das ist doch Unsinn! – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Eritrea nimmt unsere Sozialpolitik auf – ja, ja!)

dass Menschen dort, wo sie leben, unterstützt werden; eine Forderung, die wir als deutsche Bundesregierung von Anfang an erhoben und in die Verhandlungen eingebracht haben. Deshalb ist ein Ziel dessen, was dort niedergeschrieben ist, dass Menschen in ihrer Heimat eine Lebensperspektive haben. Die Konsequenz ist, dass es nicht mehr, sondern weniger Migration auf der Welt gibt.

(Martin Hebner [AfD]: Unsinn!)

Aber auch das scheint für den einen oder anderen zu schwer zu verstehen zu sein.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, auch das will ich sagen: Es gibt kaum ein Land auf der Welt, das von internationaler Zusammenarbeit und von multilateralem Handeln mehr profitiert als Deutschland.

(Martin Hebner [AfD]: Die Nachbarländer sind ausgestiegen!)

Deshalb sollten doch gerade wir wissen, dass die großen Herausforderungen – die Migration gehört zweifelsohne dazu – eben nur im globalen Zusammenwirken bewältigt werden können. Deshalb fordern wir auch von anderen Ländern ein Bekenntnis zum multilateralen Handeln und fordern sie auf, vieles von dem, was wir in Deutschland beim Thema Migration längst zur Realität gemacht haben, auch zu ihrer Realität werden zu lassen, wenn es darum geht, kriminelle Schleuserbanden zu bekämpfen, wenn es darum geht, Rückführungen zu erleichtern.

Wenn alle beim Thema Migration so weit wären wie wir – viele haben sich in ihrer politischen Absichtserklärung dazu bereit erklärt –, dann würde es bei diesem Thema in Zukunft auf der Welt weniger Probleme geben.

(Martin Hebner [AfD]: Das ist doch Unsinn! Nordamerika ist raus! Australien ist ausgestiegen!)

Deshalb sollten wir diesen Pakt und damit auch alle, die sich bereit erklärt haben, auf diese Ziele hinzuwirken, unterstützen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Sind die alle irre? Sind Aus­tralien und die USA Verrückte?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, zum Schluss will ich noch sagen: Es geht auch um so was wie Glaubwürdigkeit. Es gibt Länder, die sich zwar nicht aus der Verhandlung, aber letztlich aus der Zustimmung verabschiedet haben.

(Martin Hebner [AfD]: Ja, viele!)

Das muss jeder mit sich selber ausmachen.

(Siegbert Droese [AfD]: Peinlich, sich so was anzuhören! Das ist Unfug, was Sie erzählen!)

Wie glaubwürdig ist es, an den Verhandlungen teilzunehmen, den Text dieses Paktes mitzuschreiben und sich dann aufgrund einer schnell geführten und nicht unbedingt von Fakten geprägten innenpolitischen Debatte aus diesem Pakt zu verabschieden? Ich verstehe das bei einigen nicht. Aber ich muss es auch nicht unbedingt verstehen.

Ich weiß nur eines: Es ist höchste Zeit für diesen Pakt. Die Probleme der Welt wachsen immer weiter zusammen. Die Augen davor zu verschließen, ist nichts anderes als naiv. Der Globale Pakt ist keine internationale Verschwörung. Er ist ein Akt der Vernunft. Deshalb verdient er unsere Zustimmung.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Heiko Maas. – Ich möchte Ihnen mitteilen, dass auf Antrag der AfD über diesen Punkt, also die Vorlage von CDU/CSU und SPD zum Globalen Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration, namentlich abgestimmt wird. Das ist kurzfristig, aber es ist möglich.

(Beifall bei der AfD)

Eine Fraktion kann das beantragen. Also wird es am Ende der Debatte dazu eine namentliche Abstimmung geben.

Nächster Redner: Dr. Gottfried Curio für die AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD – Jürgen Braun [AfD]: Die anderen Fraktionen können sich alle bei Herrn Maas bedanken!)

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Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7296294
Wahlperiode 19
Sitzung 68
Tagesordnungspunkt Globaler Pakt für Migration
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