Lorenz BeutinDIE LINKE - Klimaschutzpolitik
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Als neugewählter Abgeordneter konnte ich im letzten Jahr am Weltklimagipfel in Bonn teilnehmen. Dort habe ich live hören können, wie unsere Bundeskanzlerin verkündet hat: Wir als Deutschland werden die Klimaziele für 2020 einhalten.
Nach Katowice wird unsere Bundeskanzlerin nicht anreisen. Sie sagt, sie habe Terminprobleme. Aber seien wir mal ehrlich: Mit dieser Blamage in der Klimapolitik anzureisen, geht einfach nicht; das können wir auch verstehen. Deswegen sage ich ganz klar: Diese Bundeskanzlerin ist in der Klimapolitik eine Kanzlerin der gebrochenen Versprechen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Zuruf von der AfD)
Es ist ja so: Sitzungswoche für Sitzungswoche trage ich vor, was notwendig wäre und was möglich wäre. Teilweise könnte ich hier massenweise Aluhüte nach rechts verteilen.
(Lachen des Abg. Dr. Rainer Kraft [AfD] – Karsten Hilse [AfD]: Behalten Sie den Aluhut mal lieber für sich!)
Herr Sitta, Sie haben sich heute auch einen Aluhut verdient.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Aber ich stehe hier nicht nur als Politiker, sondern ich stehe hier auch als Mensch, und solange ich politisch aktiv bin, setze ich mich für eine bessere Zukunft der Menschen ein.
(Dr. Rainer Kraft [AfD]: Da haben Sie eine Wunschvorstellung!)
Wenn wir uns damit einmal auseinandersetzen, sehen wir: Es geht beim Klimawandel nicht nur ums Bangemachen, es geht darum, aufzuzeigen, dass wir etwas ändern können. Das bedeutet, gegen den Klimawandel einzutreten und für eine bessere Zukunft zu kämpfen.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich will das an einigen Beispielen vorstellen. Stellen Sie sich vor – viele von Ihnen werden das kennen –, Sie stehen morgens im Stau, kommen schon gestresst zur Arbeit, oder Sie stehen mit dem Fahrrad an der Ampel, Sie atmen Abgase ein und kommen auch gestresst, möglicherweise noch mit gesundheitlichen Belastungen, auf der Arbeit an. Aber wenn wir ernst machen mit einer sozial-ökologischen Verkehrswende,
(Dr. Rainer Kraft [AfD]: Dann gehen wir alle zu Fuß!)
dann wird es anders aussehen – vielleicht in 10, vielleicht in 20 Jahren –, dann haben wir einen gut ausgebauten, bezahlbaren öffentlichen Nahverkehr, dann haben wir Städte, die vor allem für die Menschen da sind, nicht für die Autos,
(Lachen des Abg. Dr. Rainer Kraft [AfD])
dann haben wir Vorrang für Radfahrerinnen und Fußgängerinnen, dann haben wir durch Klimaschutz lebenswertere Städte.
(Beifall bei der LINKEN)
Erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Sitta?
Nein; es gibt ja die Möglichkeit der Kurzintervention.
Oder sprechen wir über die Energie der Zukunft. Auch in der Zukunft wird der Strom immer noch aus der Steckdose kommen,
(Karsten Hilse [AfD]: Genau, da kommt er her: aus der Steckdose!)
so weit ist es klar. Aber ist es nicht ein viel schöneres Gefühl, wenn Sie beispielsweise in der Stadt wohnen und Mieterstrom sowie Solaranlagen auf dem Dach haben, aus deren Energie Ihr Stromnetz gespeist wird,
(Dr. Rainer Kraft [AfD]: Nachts vor allem! – Karsten Hilse [AfD]: Genau: vor allem nachts!)
oder wenn Sie auf dem Dorf wohnen und Sie hinter dem Deich eine Windkraftanlage haben
(Karsten Hilse [AfD]: Die die ganzen Möwen killt!)
und diese Windkraftanlage Ihrer Kommune gehört oder der Genossenschaft gehört, an der Sie beteiligt sind? Da ist die Energiewende demokratisch.
(Beifall bei der LINKEN – Karsten Hilse [AfD]: Sozialistische Wunschträume!)
Das heißt, wir brauchen bezahlbaren Strom.
(Beifall des Abg. Dr. Rainer Kraft [AfD] – Dr. Rainer Kraft [AfD]: Ja! Bezahlbaren!)
Wir brauchen Sozialtarife beim Strom. Wir müssen uns gegen Stromsperren einsetzen, damit Familien nicht im Dunkeln sitzen.
(Karsten Hilse [AfD]: Das ist doch wegen eurer Politik, eurer Forderungen!)
Und wir müssen uns dafür einsetzen, dass die Vergünstigungen bei den Stromtarifen für Großkunden nicht zulasten der Verbraucherinnen und Verbraucher gehen.
(Beifall bei der LINKEN – Dr. Rainer Kraft [AfD]: Sozialistische Wunschträume!)
Schauen wir uns ganz konkret den Kohleausstieg in den Regionen an. Da gibt es zwei Seiten: Zum einen würde ein rascher Kohleausstieg den Menschen in den Regionen nützen,
(Karsten Hilse [AfD]: Ganz genau: 30 000 Arbeitsplätze weg, super!)
er würde den Menschen nützen, denen die Kohlebagger nicht mehr die Dörfer wegbaggern, er würde den Menschen nützen, deren Wälder erhalten bleiben.
(Dr. Rainer Kraft [AfD]: Das ist doch nicht ihr Wald, der gehört doch RWE!)
Zum anderen haben wir auch noch Beschäftigte in der Kohleindustrie, wir haben Regionen, um die wir uns kümmern müssen.
(Karsten Hilse [AfD]: Herzhaftes Lachen!)
Das Rheinland mag es mir nachsehen, wenn ich über die Situation in den ostdeutschen Ländern rede. Den Menschen ist jahrelang erzählt worden: Ihr bekommt blühende Landschaften. – Was sie bekommen haben, waren eher verwelkte Blumen. Das heißt, in dieser Situation ist es unsere Pflicht und unsere Aufgabe, uns um den Strukturwandel auch in diesen Regionen zu kümmern, ist es unsere Aufgabe, den Beschäftigten in der Kohleindustrie eine Beschäftigungsgarantie zu geben,
(Beifall bei der LINKEN)
für Einkommen, für Beschäftigung. Dieser Kohleausstieg wird gelingen, wenn wir die Menschen mitnehmen, wenn wir ihn sozial gerecht machen; das ist unsere Perspektive.
(Beifall bei der LINKEN)
Lassen Sie mich zum Schluss noch einmal kurz sagen: Wir können auch den Blick weiten, wir können dorthin schauen, wohin möglicherweise der eine oder die andere in den Urlaub fährt. Dort gibt es Palmenstrände, Sandstrände und azurblaues Wasser, aber auch negative Seiten: Die Menschen in diesen Regionen haben teilweise Probleme infolge des Klimawandels, sie haben Probleme, weil ihr Wasser versalzt, weil sie kein Grundwasser haben, sie haben Probleme, weil die Korallenriffe absterben und die Fischbestände verschwinden. Wenn wir nicht aufpassen, wenn wir jetzt nicht handeln, entziehen wir diesen Menschen die Grundlage, entziehen wir diesen Menschen ihre Kultur, ihre Heimat, ihre Tradition, ihre Sprache. Auch das müssen wir verhindern.
(Beifall bei der LINKEN – Jan Ralf Nolte [AfD]: Sie entziehen uns kostbare Lebenszeit!)
Deshalb bin ich so froh, dass wir heute das erste Mal gemeinsam mit den Grünen einen großen Klimaantrag eingebracht haben, zum Weltklimagipfel in Katowice. Denn auch wenn wir Unterschiede haben, müssen wir bei diesem Ziel ein Stück des Weges gemeinsam gehen, müssen wir klarmachen: Wir brauchen echten Klimaschutz, wir brauchen den Kohleausstieg.
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Deshalb: Kommen Sie gemeinsam mit uns am Samstag zu den Klimademos in Berlin und Köln! Lassen Sie uns Druck machen für einen Kohleausstieg, für einen echten Klimaschutz.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank, Herr Kollege Beutin. – Herr Kollege Sitta, nein, ich lasse die Kurzintervention nicht zu. Erstens haben Sie bereits geredet, zweitens ist das eine beliebte Methode, die Redezeit auszuweiten, wenn die Fraktion nur drei Minuten Redezeit angemeldet hat. Ich will darauf hinweisen, dass wir bereits in erheblichem Zeitverzug sind. Ich habe heute Abend Nachtschicht. Ich gedenke nicht, sie bis in den morgigen Tag hinein auszudehnen.
Insofern hat der nächste Redner das Wort. Das ist der Bundesminister Dr. Gerd Müller.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7296421 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 68 |
Tagesordnungspunkt | Klimaschutzpolitik |