Lothar BindingSPD - Aktuelle Stunde - Steuerbetrug in Deutschland durch Cum Fake Geschäfte
Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gerade nach der langen Debatte über Cum/Ex und Cum/Cum irritieren mich einige Äußerungen, die hier formuliert werden, auch die Frage nach der Anwesenheit des Ministers. Christine Lambrecht ist hier, das Ministerium ist vertreten.
(Dr. Florian Toncar [FDP]: Sie sagt nichts! – Frank Schäffler [FDP]: Und der Minister?)
Und: Wir haben in der Obleutebesprechung verabredet, dass der Minister – das ist mir viel mehr wert – persönlich in den Ausschuss kommt
(Dr. Florian Toncar [FDP]: In nichtöffentlicher Sitzung!)
und dort Rede und Antwort steht. Das halte ich für einen viel intensiveren Austausch, als dass er hier drei Minuten redet und von uns hört, was er sowieso schon weiß.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Also, von daher ist diese Kritik, glaube ich, falsch.
Gerhard Schick hat gesagt: Wir müssen die Fehlentwicklungen kennen. – Ich finde es sehr gut, die inneren Strukturdefizite zu kennen. Aber man darf jetzt nicht so tun, als ob das wirklich möglich wäre. Wir werden diese Defizite nie richtig kennen.
Gerhard Schick hat auch gesagt: Wir dürfen nicht so tun, als seien das Kinkerlitzchen.
(Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war die Zusammenfassung des Untersuchungsausschusses!)
Das klingt ein bisschen so, als ob hier jemand so täte, als seien das Kinkerlitzchen. Keiner hier im Raum tut so.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Dieses Vorgehen ist kriminell. Das ist ein Vergehen am Steuerzahler. Das ist ein Vergehen an unserem Staatswesen, an unserer Rechtsordnung. Das sind keine Kinkerlitzchen.
(Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lies doch mal, was ihr damals im Untersuchungsausschuss aufgeschrieben habt!)
Selbst wenn es nicht gleich um Beträge von 30 Milliarden Euro geht: Ich finde, auch ein paar Hundert Millionen Euro sind keine Kinkerlitzchen. Ich glaube, dass diese Maßstäbe durch die Sprache durcheinanderkommen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Natürlich, wir dürfen den Banken nicht automatisch vertrauen; das haben wir bestimmt gelernt. Aber wir dürfen auch, meine ich, keine Kultur des Misstrauens entwickeln.
(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: So ist es!)
Wir müssen nicht allen mit Misstrauen begegnen, bloß weil es Betrüger gibt. Da, glaube ich, würden wir uns etwas antun, was unsere Gesellschaft in einer neuen Weise justieren, eine neue Kultur entwickeln würde.
Es gibt auch manchmal Verwechslungen. Fabio De Masi hat gesagt – ich zitiere ihn –: Cum-Fake, hätten wir gesagt, sei seit 2012 nicht mehr möglich. – Das stimmt aber gar nicht. Wir haben gesagt: Das gilt für Cum/Ex. Cum-Fake ist eben nicht Cum/Ex. Cum/Ex ist nach bestem Wissen und Gewissen – das haben wir oft vorgetragen – schon dichtgemacht. Die Kollegen Brehm und Metin Hakverdi haben erklärt, dass Cum-Fake etwas anderes ist und wie es funktioniert. Insofern: Wenn wir das alles durcheinandermischen, wird alles unklar. Aus dieser Unklarheit entsteht Misstrauen, und die Analyse wird unmöglich. Wenn ich alles durcheinanderwerfe, dann stehe ich mir selbst im Weg.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Übrigens, dass die Staatsanwaltschaft Köln und besonders der WDR und die „Süddeutsche Zeitung“ uns wichtige Hinweise gegeben haben, dafür können wir dankbar sein. Diese Aufmerksamkeit ist so etwas wie soziale Kontrolle.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Wenn die fünfte Gewalt, die Medien, diese Aufgabe erfüllen, finde ich das ganz großartig.
Der BMF hat dann in kurzer Zeit diese Hinweise aufgegriffen. Übrigens haben wir von der entsprechenden Abteilung im Ministerium gelernt, dass diese Geschäfte schon lange in Beobachtung sind, der BMF aber noch keinen Anlass hatte, diesem Verdacht konkret nachzugehen, weil es überhaupt keinen Fall gab. Worüber reden wir eigentlich? Über nicht existente Fälle. Also geht es im Moment darum, etwas prophylaktisch zu tun. Wir hätten ein Gesetz gemacht; wir haben ja auch § 50j in Verbindung mit § 36a EStG geregelt. Das sind aber alles Dinge, die jetzt erledigt sind. Jetzt reden wir über das Neue.
Ich habe übrigens in einer meiner letzten Reden – ich glaube, in einer kurzen Auseinandersetzung im Dialog mit Gerhard Schick – gesagt, dass wir auch jetzt nicht wissen, was in dieser Sekunde passiert. Das kann etwas ganz Neues sein.
Ich habe damals gesagt: Wer in dieser Sekunde weiß, was jetzt passiert, der möge es sagen. – Das wiederhole ich. Wer jetzt weiß, was demnächst das neue Neue sein wird, der möge es jetzt sagen. Dann gehen wir der Sache sofort nach.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Nein, es wird immer vorkommen, dass etwas Neues entdeckt wird. Deshalb sind wir auch dankbar für die Untersuchungen von Journalisten, die sich da einarbeiten, und wir sind alarmiert. Dieses Alarmiertsein hat einen hohen Eigenwert.
Aber wenn noch keine Erkenntnisse vorliegen, sollte man auch nicht ganz ausführlich über die nicht vorhandenen Erkenntnisse reden.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Prophylaktisch ist natürlich etwas möglich. Dieses Datenträgerverfahren bedeutete ja, dass ausländische Banken mit digitalen Sammelaufträgen zur Erstattung beim BZSt, beim Bundeszentralamt für Steuern, vorsprechen konnten und das Geld bekommen haben.
Es ist nicht ganz klar, ob in diesen Sammelinformationen nicht etwas versteckt ist, was man nicht erkennen konnte, zum Beispiel, dass tatsächlich bezahlte Steuern von Leuten nicht zurückgezahlt wurden und dann plötzlich dieser Bodensatz, wie jemand sagte, möglicherweise von Kleinaktionärsdividenden, die die Rückerstattung nicht in Anspruch nehmen, gesammelt wurden und jemand anderem diese Erstattung zugesprochen wurde.
Da merkt man schon: Es wurde zwar eine Steuer gezahlt, aber die Erstattung ging quasi an den Falschen. Das war sozusagen der Betrug von Steuerbürgern unter Steuerbürgern. Das Dumme ist nur: Die einen haben das System verstanden und ausgenutzt, und die anderen waren gutmütig und sagten: Ich lasse das der Gemeinschaft.
Da merkt man, wie hinterhältig das System funktioniert. Deshalb ist es klar, dass es gut ist, dass das BMF die Länder beauftragt hat, über die Oberfinanzdirektionen dort sofort aktiv zu werden, und dass Analysen laufen sollen. Es gibt eine ganze Reihe von Aktivitäten, die das BMF schon unternommen hat.
Bei ein paar Dingen verstehe ich auch, dass uns nicht alles so offen erzählt wird. Es ist vielleicht ganz gut, wenn ich dem Dieb nicht sage, an welcher Stelle ich nächste Nacht auf ihn warte.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Das ist doch klug, wenn ich das nicht mache. Es ist doch geradezu dumm, so zu tun, als ob Transparenz an sich in diesem Geschäft einen Eigenwert hätte.
Insofern sind wir, glaube ich, noch nicht auf einem guten Weg. Wir haben noch keine richtigen Antworten, wissen aber auch noch gar nicht, wovon wir reden.
Schönen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Der letzte Redner ist der Kollege Uwe Feiler, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7296471 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 68 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde - Steuerbetrug in Deutschland durch Cum Fake Geschäfte |