29.11.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 68 / Tagesordnungspunkt 19

Carsten BrodesserCDU/CSU - EU-Richtlinie - Betriebliche Altersversorgung

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren vor den Bildschirmen!

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Jürgen Braun [AfD])

Es wird nicht mehr übertragen, Herr Dr. Brodesser.

Der vorliegende Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der EU-Richtlinie über die Tätigkeiten und die Beaufsichtigung von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung, kurz „EbAV II“ genannt, ist weiß Gott kein Tagesordnungspunkt in dieser Bundestagssitzung, der viel Attraktives verspricht. Ich kann aber all diejenigen beglückwünschen, die, anstatt „The Voice of Germany“ auf Pro7 zu sehen, jetzt Phoenix eingeschaltet haben; denn hinter diesem sperrigen Titel verbergen sich viele Regelungen, die eine wichtige Leistung vieler Millionen Menschen in Europa transparenter, sicherer und effektiver gestalten werden.

Es geht um die sogenannte zweite Säule der Altersvorsorge, nämlich die betriebliche Altersvorsorge, die die gesetzliche Rente ergänzt und so zu einer besseren Versorgung im Alter beiträgt. Allein in Deutschland sind 136 Pensionskassen und 31 Pensionsfonds auf dem Markt tätig; sie werden von dieser gesetzlichen Regelung tangiert. Von diesen Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge profitieren sage und schreibe 9,55 Millionen deutsche Bürgerinnen und Bürger.

Doch nicht nur in Deutschland spielen Pensionskassen und Pensionsfonds eine wichtige Rolle bei der Altersvorsorge. Auch in anderen Ländern Europas sind die Leistungen der Pensionskassen und Pensionsfonds ein zentraler Pfeiler in der Ruhestandsplanung. Nimmt man das Volumen der verwalteten Kapitalanlagen zum Maßstab, so dominieren Deutschland, Großbritannien, die Niederlande und die Schweiz dieses Segment. Nimmt man hingegen die bloße Anzahl der Einrichtungen als Maßstab, so sind Irland und Frankreich bedeutend, da sie 94 Prozent aller Einrichtungen beheimaten.

Wir sehen also, dass nicht nur das Thema inhaltlich komplex ist, sondern auch die jeweiligen Marktgegebenheiten in Europa sehr heterogen sind: einige große Einrichtungen hier, viele kleine Einrichtungen dort. Es liegt also auf der Hand, dass es in einem zusammenwachsenden Europa Mindeststandards bei der Beaufsichtigung von EbAVs geben sollte.

Der demografische Wandel und das anhaltende Niedrigzinsumfeld sind weitere wichtige Faktoren, die das Geschäft der Pensionskassen und Pensionsfonds nachhaltig belasten und eine stärkere Beaufsichtigung rechtfertigen.

In vielen Bereichen der Finanzaufsicht ist die EU seit Ausbruch der Finanzkrise eng zusammengerückt, und das ist auch gut so. Daten zu möglichen Risiken werden heute sehr viel systematischer gesammelt und geprüft und führen letztendlich auf europäischer Ebene zu einer besseren und sichereren Aufsicht als zuvor. In allen Regulierungsvorhaben gilt der Ansatz: Wer regelt was für wen?

So einfach dieser Ansatz ist, so differenziert müssen wir uns bei jedem neuen Regulierungsvorhaben anschauen, welche Vor- und Nachteile im Raum stehen und was notwendig ist und was nicht.

EIOPA, die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung, möchte gerne die Aufsicht über die betrieblichen Einrichtungen unter ihrem Dach vereinen. Aufgrund der unterschiedlichen Ausprägungsgrade der EbAVs in einigen EU-Ländern ist es wichtig und richtig, dass wir im Rahmen dieses Gesetzesvorhabens nur eine Mindestharmonisierung anstreben und dabei Spielraum lassen für nationale Besonderheiten in der Aufsicht und im Arbeits- und Sozialrecht.

Im Rahmen des anstehenden Gesetzgebungsverfahrens geht es im Wesentlichen um die Fragen der Informationspflichten gegenüber EIOPA und der Bewertung von Risiken. Es gab von vielen Marktakteuren, insbesondere bei der öffentlichen Anhörung, Rückmeldungen zu diesem Thema, die insbesondere überbordende Kosten und finanzielle Risiken aus falschen Risikobewertungen auf sich zukommen sahen. Diese Sorgen muss man ernst nehmen, und das haben wir auch getan.

Die Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung sind Institutionen mit einer langen Tradition. Sie dienen einem sozialen Zweck und werden zum Wohle der Angestellten von den Tarifpartnern gesteuert. Sie unterscheiden sich damit fundamental von gewinnmaximierenden Finanzkonzernen. Sie sind weder börsennotiert, noch haben sie Gewinnabführungsverträge, noch zahlen sie große Managerboni. Es ist also richtig, dass wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf nur eine europäische Mindestharmonisierung anstreben. Wir haben damit einen wichtigen Schritt getan, um sichere und europaweit anwendbare Standards zu definieren, und somit diesem Thema auf europäischer Ebene die notwendige Bedeutung gegeben, die es verdient.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Inhaltlich konnten wir Sorgen ausräumen, dass durch das Gesetz falsche Anreize entstehen und letztendlich unnötige finanzielle Risiken zu falschen strategischen Entscheidungen führen. Unsere nationalen Aufsichtsbehörden sind natürlich weiterhin im Prozess der europäischen Aufsicht verzahnt und werden nur die europäischen Regeln zur Anwendung bringen, die sinnvoll für unser Altersversorgungssystem der zweiten Säule sind. Ein starkes Zeichen also, dass die gewachsenen Besonderheiten in diesem Bereich respektiert und geschützt werden!

Im Endergebnis haben wir einen Gesetzentwurf vorgelegt, der Deutschland und Europa im Bereich der Altersvorsorge sicherer machen wird. Wir stärken die Aufsicht, bewahren den nationalen Charakter der Altersvorsorge und erhöhen die Transparenz gegenüber Versorgungsanwärtern und Leistungsempfängern. Wir bringen somit Europa einen Schritt weiter nach vorne und bewahren gleichzeitig das wichtige Subsidiaritätsprinzip. Insofern bitte ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit trotz später Stunde.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Brodesser. – Und nun Frank Schäffler, FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Personen

Dokumente

Automatisch erkannte Entitäten beta

Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7296611
Wahlperiode 19
Sitzung 68
Tagesordnungspunkt EU-Richtlinie - Betriebliche Altersversorgung
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta