Bernd RützelSPD - Qualifizierungschancengesetz
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für Pilotinnen und Flugbegleiter gilt das Betriebsverfassungsgesetz nicht. Sie können keinen Betriebsrat wählen. Das ist Mist. Deshalb ändern wir heute mit diesem Gesetz das Betriebsverfassungsgesetz und sorgen dafür, dass auch die Beschäftigten in der Kabine einen Betriebsrat wählen dürfen.
(Beifall bei der SPD)
Es gibt zwar die Möglichkeit, dass per Tarifvertrag eine Interessensvertretung eingerichtet werden kann. Das hat bisher eigentlich ganz gut funktioniert. Allerdings gibt es manche Billigairlines, die sich weigern, Tarifverträge abzuschließen. Deshalb sind das ja auch Billigflieger, weil nämlich ihre Belegschaft dafür bezahlt, dass wir für 20 Euro nach Mallorca fliegen können.
Kollege Rützel, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung der Kollegin Müller-Gemmeke?
Ja, bitte.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Vielen Dank, dass ich die Frage stellen darf. Ich hätte die Frage vorhin lieber Peter Weiß gestellt. Aber leider bin ich nicht mehr drangenommen worden.
Wir ändern heute den § 117 Betriebsverfassungsgesetz. Wir Grünen unterstützen das ausdrücklich. Jetzt ist aber meine Frage: Warum wurde ganz zum Schluss, also kurz vor der Ausschusssitzung, das Inkrafttreten dieses Gesetzes vom 1. Januar auf den 1. Mai 2019 geändert? Wie kann es sein, dass dieses Gesetz jetzt nicht ganz so wichtig ist, dass man noch auf die Interessen der Lobbyisten eingeht und den Termin nach hinten schiebt, vor allem, weil es ja so dringend war? Wie gesagt, das Verfahren war nicht so gelungen. Wir hätten noch richtig Zeit gehabt, über diesen Änderungsantrag zu reden, weil das Gesetz erst am 1. Mai 2019 in Kraft tritt.
(Johannes Vogel [Olpe] [FDP]: Holterdiepolter!)
Wir haben überhaupt keine Zeit, über diesen Änderungsantrag zu reden, weil nämlich die Streikenden und die, die jetzt auf die Straße gegangen sind und sich das nicht mehr gefallen lassen, es verdient haben, einen Betriebsrat zu wählen.
(Beifall bei der SPD)
Es ist immer schlecht, wenn die Politik sich einmischt. Ich wäre froh, wenn wir keinen Mindestlohn gebraucht hätten, und ich wäre froh, wenn wir eine Tarifbindung wie in Österreich, Schweden oder anderswo hätten, wo es ganz hohe Tariflöhne gibt.
(Beifall bei der SPD)
Ich wäre auch froh, wenn wir nicht in Leiharbeit und Werkverträge hätten eingreifen müssen und sie so gehandhabt worden wären, wie es vorgesehen ist, und ich wäre froh, wenn es überall Betriebsräte gäbe. Aber wir sehen: So einfach ist die Welt nicht. Wir sehen, dass es notwendig ist, dass die Politik eingreift.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Am 1. Mai!)
Wir wollen eines erreichen: Wir wollen die Möglichkeit geben – dafür sind vier Monate Zeit, von Januar bis Ende April; da kann man Fasching und Ostern feiern –, Tarifverträge abzuschließen; denn Tarifverträge sind immer besser. Wenn das bis zum 1. Mai – das ist der Tag der Arbeit – nicht gelingt, dann gilt das Betriebsverfassungsgesetz.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Keine Antwort!)
Kollege Rützel, bevor Sie fortfahren, zunächst ein Hinweis in die gesamte Runde: Es ist schön, dass wir hier angeregt miteinander diskutieren und auch Widerspruch hervorgerufen wird. Es ist natürlich schwierig – ich will gerne noch eine Zwischenfrage oder -bemerkung aufrufen –, wenn dadurch Redezeiten zum Schluss verdoppelt und verdreifacht werden. Ich bitte also, wenn jetzt weitere Fragen oder Bemerkungen jeweils zugelassen werden – das gilt auch für den nächsten Tagesordnungspunkt –, sich auch ein wenig an den vereinbarten Zeiten zu orientieren und sich kurzzufassen.
Jetzt stelle ich die Frage, ob Sie bereit sind, noch eine Frage oder Bemerkung der Kollegin Ferschl zur Kenntnis zu nehmen.
Ja.
Ich bitte also um Beachtung meines Hinweises.
Vielen Dank, Kollege Rützel, dass Sie die Frage zulassen. Meine Frage bezieht sich auf das Kabinenpersonal. Es hat einen ständig wechselnden Ort der Leistungserbringung aufgrund der Tatsache, dass der Arbeitsplatz im Flugzeug ist.
Meine Frage an Sie ist: Können Sie uns heute und hier garantieren, dass die Änderungen des § 117 Absatz 2 Betriebsverfassungsgesetz, die Sie vorgeschlagen haben, auch vor den Arbeitsgerichten Bestand haben werden? Zum Hintergrund der Frage: Wir erleben aktuell in den Tarifauseinandersetzungen, was passiert. Ryanair ist nur die Spitze des Eisberges. Wenn die Wahlvorstände erst mal eingesetzt worden sind, ist davon auszugehen, dass die Airlines versuchen, die Mitbestimmung vor den Arbeitsgerichten zu torpedieren, und argumentieren werden, dass es in Deutschland keine verfestigten betrieblichen Strukturen gibt.
Deswegen noch mal die Frage an Sie: Können Sie uns zusagen, dass die von Ihnen vorgeschlagenen Regelungen Bestand haben und dass es wirklich eine echte Betriebsratsgarantie ist?
(Beifall bei der LINKEN)
Ihre Frage hat, wenn ich Sie richtig verstanden habe, zwei Teile. Zum ersten sagten Sie, dass der Arbeitsort im Flugzeug ist. Natürlich sind die Pilotinnen und Piloten und die Flugbegleitenden im Flugzeug unterwegs. Aber sie haben eine Homebase, einen Heimathafen. Sie sind hier beschäftigt und angestellt. Es sind in Deutschland Tausende in diesem Bereich angestellt.
Von daher gehe ich schon davon aus, dass da, wo mehr als fünf Beschäftigte – so ist die Regelung im Betriebsverfassungsgesetz – einen Heimathafen, einen Arbeitsplatz bzw. eine Beschäftigung haben, dort auch ihre Vertretung, nämlich ihren Betriebsrat, wählen.
Zum zweiten Teil Ihrer Frage, ob dieses Gesetz verfassungskonform ist: Ja, selbstverständlich, sonst würden wir es nicht vorlegen.
(Beifall bei der SPD)
Das Bundesarbeitsministerium, aber auch das Bundesjustizministerium machen sehr gute Gesetze. Wir haben sie geprüft, sie wurden vorgestellt. Wir haben bereits das Betriebsverfassungsgesetz, und auch das ist nicht verfassungswidrig. Wir machen das jetzt endlich, nach so langer Zeit, auch für die Pilotinnen und Piloten und die Flugbegleitenden. Ja, das ist konform; passt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Diese Beschäftigten streiken also zu Recht. Ich bin froh, dass wir da Streikpaten haben. Ich sehe gerade Cansel Kiziltepe, Andreas Rimkus und Arno Klare, und es gibt noch viele andere, die gesagt haben: Wir gehen mit an ihrer Seite; so kann es nicht sein. – Dafür bin ich dankbar. Ich bin auch dankbar, Hubertus Heil, dass Sie vor fünf Wochen nach Frankfurt gefahren sind und mit den Streikenden geredet haben, und ich bin froh, dass ich selber vor fünf Wochen an dieser Stelle darüber reden konnte, was wir alles vorhaben. Dass wir das in dieser kurzen Zeit umgesetzt haben und auf den Weg bringen, ist, glaube ich, etwas richtig Gutes für die Menschen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das, was wir hier machen, ist, finde ich, ein weiterer Meilenstein; denn nicht der billige Jakob sollte gewinnen. Entscheidend ist auch nicht die Flughöhe; entscheidend ist die Augenhöhe, auf der man sich begegnet.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das Wort hat Max Straubinger für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7296662 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 69 |
Tagesordnungspunkt | Qualifizierungschancengesetz |