30.11.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 69 / Zusatzpunkt 20

Aydan ÖzoğuzSPD - Globaler Pakt für Migration

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 19. April 2018, also vor sieben Monaten, haben wir in diesem Haus das erste Mal über diesen Globalen Pakt für Migration gesprochen. Eine erste Version, der sogenannte Zero Draft, war bereits im Februar 2018 für die Öffentlichkeit verfügbar, also noch zwei Monate davor. Seit Juli 2018 ist der finale Entwurf, an dem zunächst 190 Staaten über ein Jahr gearbeitet haben, im Original öffentlich zugänglich. Er umfasst gerade einmal 34 Seiten. Wie gestern Außenminister Maas noch einmal berichtete, wurden AfD-Abgeordnete auf Wunsch sogar noch einmal gesondert durch das Außenministerium informiert.

(Jürgen Braun [AfD]: Das stimmt nicht! Das ist die Unwahrheit! – Armin-Paulus Hampel [AfD]: Das ist die Unwahrheit, Frau Özoğuz!)

Neben all dem und über all die Monate strickt die AfD ihr Märchen von einem angeblich heimlichen Pakt weiter.

(Udo Theodor Hemmelgarn [AfD]: Das ist gelogen!)

Das schmücken Sie in Ihrer Manier auch kräftig aus.

(Udo Theodor Hemmelgarn [AfD]: Lügen haben kurze Beine!)

Sie sprechen von „Umvolkung“, „Siedlungsgebiet Deutschland“, „Staat ohne Grenzen, ohne Budgethoheit“, von einem „versteckten Umsiedlungsprogramm für Wirtschafts- und Armutsflüchtlinge“, „Marginalisierung“ und – wie gerade eben wieder – „Verschiebung von Menschen“. Ich finde, Graf Lambsdorff hat es gestern sehr treffend zusammengefasst: Solche Lügen sind doch keine Schlagzeile wert.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Am Ende des Paktes, in Punkt 53, heißt es explizit:

– wir legen den Mitgliedstaaten nahe –

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Und Sie wollen das! Genau!)

Zudem spricht der Pakt von der „freiwilligen Ausarbeitung und Anwendung eines nationalen Umsetzungsplans“.

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Dann sagen Sie es doch: Sie wollen es nicht!)

Das nennt man eine Absichtserklärung.

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Ihre Absicht ist erkennbar!)

In AfD-Deutsch übersetzt heißt das: „… wird unser schon jetzt arg geschundenes Land bis zur Unkenntlichkeit verändern.“ – Das Einzige, was hier bis zur Unkenntlichkeit verändert werden soll, ist das Ergebnis einer wertvollen Zusammenarbeit so vieler Länder.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Armin-Paulus Hampel [AfD]: So viele sind ja dagegen! Japan! Kleines Land! USA! Ganz klein! Unbedeutend!)

– Na ja, es sind wohl deutlich mehr Länder dafür.

Schon das erste Ziel des Paktes wollen Sie mit Ihrem Antrag heute gleich zunichtemachen:

Die Zielsetzung ist – ich sage es noch einmal –: Erhebung und Nutzung korrekter und aufgeschlüsselter Daten als Grundlage für eine Politikgestaltung. Da können Sie gleich einpacken. Es ist doch klar, warum Sie dagegen sind, dass das angenommen wird.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Udo Theodor Hemmelgarn [AfD]: Sie haben damit angefangen!)

Allein für Stimmungsmache stellen Sie heute auch Ihren Antrag; denn es muss für Sie eine Art Schreckens­szenario sein, dass sich eben doch so viele Staaten darauf einigen können, das Thema Migration als ein für alle Seiten wichtiges zu erkennen

(Lachen bei der AfD – Udo Theodor Hemmelgarn [AfD]: Die Wichtigsten sind nicht dabei!)

und auch gemeinsam daran arbeiten zu wollen,

(Martin Hebner [AfD]: Europa steigt aus!)

und dass die Erkenntnis Raum greift, dass es eben nicht ausreicht, wenn jeder Staat für sich eine willkürliche Migrationsagenda strickt, sondern dass man im besten Fall weltweit zusammenarbeitet. Dadurch könnte Migration geordnet und von den jeweiligen Bevölkerungen sogar verstanden werden. Außerdem könnten Fluchtgründe bekämpft werden. Was für ein Schreckensszenario für die AfD; denn – da bin ich ganz bei Herrn Kuhle – sie lebt von dieser Debatte. Es ist ja so etwas wie ihre Existenzgrundlage, damit Ängste zu schüren. Deshalb hat diese Partei auch überhaupt kein Interesse daran, Lösungen zu erarbeiten und Transparenz zu schaffen.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Erklären Sie mir lieber, warum Australien, China, Russland und die USA nicht mitmachen!)

Die inhaltliche Grundlage für diesen Global Compact, über den wir heute sprechen, wurde in der New Yorker Erklärung für Flüchtlinge und Migranten vom 19. September 2016 gelegt. In dieser einigten sich damals alle 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen auf höchster politischer Ebene darauf, die Herausforderungen globaler Wanderungsbewegungen gemeinsam anzugehen. Diese New Yorker Erklärung wäre auch ohne die Dialoge in den zehn Jahren davor oder das Globale Forum für Migration und Entwicklung im Jahre 2007 wohl nicht zustande gekommen, und darauf wird in der Präambel des Migrationspaktes hingewiesen. Das zeigt, dass die Staaten dieser Welt schon seit längerem ein Bewusstsein für dieses Thema entwickelt haben.

Nun steht als Ergebnis am Ende dieses jahrelangen politischen Kraftaktes diese Absichtserklärung der beteiligten Staaten, Migration und Flucht aktiver zu gestalten, zu kontrollieren und sie voraussehbarer zu machen. Im Dezember wird diese Absichtserklärung gemeinsam verabschiedet – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Nie zuvor haben sich so viele Staaten gemeinsam an diese schwierige Aufgabe gemacht, die ja auch dadurch so schwer ist, weil das Schicksal der Menschen durch Rechtspopulisten in vielen Ländern immer wieder verdreht wird. Bei allen sehr unterschiedlichen Ansichten hier im Hause muss man sich schon fragen: Was spricht eigentlich dagegen, über mehr Kinderrechte zu sprechen,

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

über Frauenrechte zu sprechen, über das zu sprechen, was Menschen bei ihren Wanderungen erleben?

Ich habe als Integrationsbeauftragte in all den Jahren so oft erlebt, dass ältere Menschen zu mir gekommen sind und mir ins Ohr geflüstert haben: Wir waren auch mal Flüchtlinge. Wir wissen, was das bedeutet.

Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Ich erlaube keine Zwischenfrage, vielen Dank. – Bei allen sehr unterschiedlichen Ansichten hier im Hause, gerade bei einem solch emotional aufwühlenden Thema, darf man das Feld, finde ich, nicht denen überlassen, die Lösungen und Zusammenarbeit ganz bewusst torpedieren wollen. Dagegen muss man stehen, und man darf sich diese Debatte auch nicht aus der Hand nehmen lassen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP])

Vielen Dank, Aydan Özoğuz. – Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Nächster Redner: Stefan Liebich für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Lassen Sie doch mal Frau Wagenknecht sprechen, Herr Liebich! Das wäre mir lieber! – Dr. Alice Weidel [AfD]: Wo ist denn Frau Wagenknecht?)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7296675
Wahlperiode 19
Sitzung 69
Tagesordnungspunkt Globaler Pakt für Migration
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