30.11.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 69 / Tagesordnungspunkt 22

Matthias MierschSPD - Änderung von energierechtlichen Vorschriften

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Weeser, das mit der Wirtschaftlichkeit ist eine ganz spannende Betrachtung. Wenn Sie mal rechnen und dabei einbeziehen würden, was für volkswirtschaftliche Folgekosten entstehen würden, wenn wir nicht handeln würden, dann sähe die Rechnung schon völlig anders aus.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Zur FDP-Logik „mehr Markt“, Herr Neumann: Wann gab es denn, bitte, in der Energiepolitik mal Markt? Das größte Marktversagen haben Sie angerichtet, nämlich unter Schwarz-Gelb, als Sie die Laufzeiten von Atomkraftwerken verlängert haben, weswegen wir heute noch Schadensersatz zahlen müssen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

An die gerichtet, die in der Atomkraft jetzt wieder eine Lösung entdecken: Wer zahlt denn die Endlagerkosten, die in die Milliarden gehen, die für nachfolgende Generationen immer noch eine Belastung sein werden? Wer redet denn darüber? Es ist doch nicht wirtschaftlich, wenn man in diese alte Technologie investiert.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Aber ich bin bei dem Kollegen Beutin: Wir sollten die fortschrittlichen Kräfte hier in diesem Parlament über die Fraktionen hinweg bündeln. Deswegen, Olli Krischer, ich kann es mir nicht verkneifen: Die Selbstgerechtigkeit der Grünen geht mir im Augenblick ein bisschen auf den Keks.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Nur eine Zahl, und dann können wir weiter darüber reden; schließlich haben wir alle unsere Probleme und Herausforderungen, auch in unseren Parteien. Aber wir haben nur einen grünen Ministerpräsidenten. Er sitzt in Baden-Württemberg. Wie sieht es denn da aus mit dem Onshoreausbau? Wenn ich die entsprechende Homepage richtig lese: 2017 gab es eine genehmigte Windkraftanlage – und das in einem Lande mit einem grünen Ministerpräsidenten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Herr Miersch, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Krischer?

Ja, Olli, natürlich. Bitte. – Ich habe nur vier Minuten Redezeit; dann kann ich noch länger sprechen.

Nein, nein, nein. So ist es nicht.

Doch. Die Uhr wird ja angehalten.

Ja, sie wird angehalten. Aber wir nehmen jetzt keine Verdoppelung der Redezeit vor.

Ich muss doch antworten dürfen.

Ja. – Stopp! Es gibt eine Zwischenfrage, und Sie dürfen antworten, aber nicht mit dem Argument „Dann habe ich viel mehr Redezeit“, sondern Sie haben die Möglichkeit, zu antworten, Herr Kollege Miersch.

So, Oliver Krischer.

Lieber Matthias Miersch, danke, dass die Frage zugelassen wird. – Ich will hier jetzt gar nicht von Blut­grätschen oder von der Gleichsetzung von Klimaleugnern und engagierten Klimaschützern reden. Das könnte ich alles tun; ich will das aber gar nicht tun. Ich möchte nur eine Frage stellen; denn hier wurde gesagt, in Baden-Württemberg sei der Windenergieausbau zu gering.

Da gibt es eine klare Ursache: Das ist die Politik einer Bundesregierung – an der, wenn ich richtig informiert bin, die Sozialdemokratie beteiligt ist –, die Ausschreibungen macht, die dazu führen, dass in den südlichen Bundesländern – da ist auch mein eigenes Bundesland Nordrhein-Westfalen betroffen, aber auch Rheinland-Pfalz und Hessen – Windenergieanlagen nicht mehr wirtschaftlich sind und nicht mehr gebaut werden können.

(Zuruf des Abg. Timon Gremmels [SPD])

Das lässt sich durch die Bank beobachten. Baden-Württemberg hat da die schwierigsten Standorte und fällt hinten runter.

(Zurufe von der SPD)

Es gibt die Forderung aus der SPD, eine Regionalquote einzuführen, um Süddeutschland zu unterstützen. Sie setzen sich bei der Union nicht durch, und dann werfen Sie das der Landesregierung in Baden-Württemberg vor. Das ist absolut lächerlich, und das weißt du ganz genau, lieber Matthias Miersch; das ist armselig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lieber Olli Krischer, wir sollten uns an dieser Stelle nicht über Details streiten; in der Sache sind wir doch einig.

Wir können jetzt lange über Baden-Württemberg und die Voraussetzungen reden; was ich sagen wollte, ist, dass für dieses Maß an Selbstgerechtigkeit, wenn ich in die grün mitregierten Länder gucke, aus meiner Sicht kein Grund besteht; denn Sie haben und ihr habt einen Ministerpräsidenten, der eingestehen muss, dass das, was er an Windkraft bis 2020 machen wollte, nicht passiert.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn mit der Bundesregierung?)

Ihr habt einen Ministerpräsidenten, der bei der Automobilwende, für die ihr hier kämpft, genau das Gegenteil macht.

Ihr habt zum Beispiel einen Parteivorsitzenden; jetzt gehen wir mal in den Norden der Republik.

(Bernd Westphal [SPD]: Da wurde die Abstandsregelung erhöht!)

Hier wird kritisiert, dass wir über Akzeptanz bei Windkraft und Abstandsregelungen diskutieren. Was war mit die letzte Handlung von Robert Habeck als Umweltminister von Schleswig-Holstein? Abstandsregelungen für Onshore einzuführen! Daran müsst ihr euch einfach mal messen lassen. Das ist so.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Aber jetzt schalten wir um und sammeln mal die progressiven Kräfte. Da bin ich bei Leuten, die uns das Leben im Moment schwer machen, Herr Kollege Koeppen. Wir haben eine Koalition geschlossen.

(Dr. Martin Neumann [FDP]: Ach, so ist das!)

Sie haben eben gesagt, KWK hätten wir in Geiselhaft genommen. Ich kann Ihnen nur sagen: Wir werden noch ganz anders verhandeln;

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Jens Koeppen [CDU/CSU]: Da können Sie sich drauf verlassen! Dann ist aber Schluss mit lustig!)

denn wir werden darauf drängen, dass das, was wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben, umgesetzt wird.

(Dr. Martin Neumann [FDP]: Da sind wir aber gespannt!)

Das, was wir hier heute machen, ist neben den Regelungen, die wir in dieser Woche zum Grundgesetz – Stichwort „Bildungspolitik“ – und zur Mietpreisbremse verabschiedet haben, ein weiterer großer Schritt: Wir werden durch die Sonderausschreibung einen Riesenschritt gehen, weil wir uns zum Ausbau von erneuerbaren Energien bekennen. Ich danke unserem Verhandlungsteam Timon Gremmels, Johann Saathoff und Bernd Westphal.

(Beifall bei der SPD)

Lieber Herr Koeppen, die 65 Prozent stehen im Koalitionsvertrag.

(Jens Koeppen [CDU/CSU]: Da steht aber: Die Voraussetzung ist Aufnahmefähigkeit des Netzes! Und zwar im nächstfolgenden Satz!)

Ich würde Ihnen wünschen, dass Sie mal Gespräche mit dem BDI, mit dem BDEW führen. Die sitzen alle in der Kohlekommission, und die sehen alle, dass wir einen ganz starken Ausbau der erneuerbaren Energien brauchen, um die Energiewende zu schaffen. Der Bundesverband der Deutschen Industrie ist um Meilen weiter, als Sie es hier heute gewesen sind, lieber Herr Kollege Koeppen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Miersch, der Herr Kollege Koeppen hätte eine Zwischenfrage.

Selbstverständlich.

(Dr. Stefan Ruppert [FDP]: Da brauchen wir gar keine Opposition mehr!)

Das 65-Prozent-Ziel steht im Koalitionsvertrag; gar keine Frage. Wie es da reingekommen ist, ist eine andere Diskussion,

(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und die Vernunft dabei ist auch eine andere Frage. Aber Sie wissen auch ganz genau, dass drinsteht: Bei der Sonderausschreibung, 8 GW, ist die Voraussetzung die Aufnahmefähigkeit der Netze.

(Dr. Martin Neumann [FDP]: Das ist das Problem! – Johann Saathoff [SPD]: Der Netze, nicht eines Netzes!)

Die ist nicht gegeben. – Erste Anmerkung.

Zweite Anmerkung. Es wurde nichts dazu gesagt – ich habe vorhin gefragt –: Wenn das 65-Prozent-Ziel erreicht werden soll, müssen 30 000 Windkraftanlagen in Deutschland zugebaut werden – 30 000!

(Dr. Martin Neumann [FDP]: Wo?)

Es gibt zurzeit 30 000. Es wurde mir bis jetzt die Frage noch nicht beantwortet, wo in Deutschland bis zum Jahr 2030  30 000 Windkraftanlagen gebaut werden können und sollen.

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: In Bayern!)

Lieber Herr Kollege Koeppen, erstens finde ich es schon interessant, dass Sie sagten, Sie wüssten nicht, wie diese 65 Prozent in den Koalitionsvertrag gekommen sind.

(Zuruf des Abg. Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU])

Ich glaube, dass alle beteiligten Parteien legitimiert waren, diesen Koalitionsvertrag abzustimmen, auch Ihre. Vielleicht gab es da noch keine Regionalkonferenzen wie jetzt zum Vorsitzenden, aber ich glaube, Sie haben das sehr aufmerksam gelesen. Sogar Peter Altmaier war zeitweise drin – wenn ich das sagen darf, lieber Peter – und hat mit dafür gesorgt, dass wir die 65 Prozent reingeschrieben haben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Aber das Entscheidende haben Sie genannt:

(Jens Koeppen [CDU/CSU]: Aufnahmefähigkeit der Netze!)

die Aufnahmefähigkeit der Netze. Was die Sonderausschreibung angeht, Herr Koeppen, hat Ihnen die Bundesnetzagentur bestätigt: überhaupt kein Problem.

(Jens Koeppen [CDU/CSU]: Aha! Kommt alles in den Osten!)

Ich gebe Ihnen recht: Bei den 65 Prozent werden wir über Netzinfrastruktur reden müssen.

(Marianne Schieder [SPD]: Das müssen wir sowieso!)

Deswegen bringen wir im Moment Beschleunigungsgesetze auf den Weg.

Jetzt kommen wir zu dem anderen Punkt, den Sie nannten, zu Ihren 30 000 Anlagen. Es gibt zig Szenarien – das kennen Sie; wir werden uns entscheiden müssen, wo wir Stellschrauben wie setzen –: Aber in Ihrem Szenario scheint überhaupt keine Rolle zu spielen zum Beispiel das Thema Repowering,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

der Energiemix von Onshore, Offshore und PV sowie vor allen Dingen der schlafende Riese der Effizienz.

(Jens Koeppen [CDU/CSU]: Wo sollen die Anlagen hin?)

Das sind doch die Marktsektoren der Zukunft. Wenn wir hier besser werden, haben wir eine Industrie der Zukunft und setzen nicht auf alte Pferde.

Herr Koeppen, ich rate Ihnen wirklich: Diskutieren Sie mal mit den großen Unternehmen, die sich beispielsweise zur Stiftung 2° zusammengeschlossen haben – das sind Konzerne, die wirklich viel weiter sind als Sie –, und hören Sie auf, diese Blockade in dieses Parlament und in diese Koalition zu tragen!

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eben wurde von der FDP gerufen, man bräuchte keine Opposition mehr. Meine Rolle und die Rolle der SPD-Bundestagsfraktion hier verstehe ich bzw. verstehen wir so, dass wir miteinander um den besten Weg ringen.

(Beifall bei der SPD)

Ich sage Ihnen zu der Haltung, die Sie hier an den Tag legen: Sie haben eine verdammte Verantwortung für nachfolgende Generationen. Was wir hier augenblicklich machen, wird den Herausforderungen nicht gerecht. Deswegen darf das hier heute nur ein erster Schritt sein.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Deswegen wird zweitens, Olli Krischer, im Februar die Kommission einen Kohleausstiegspfad mit einem Enddatum vorschlagen. Da bin ich mir relativ sicher; denn da sind sehr konstruktive Kräfte am Werk. Und wenn sich die Politik augenblicklich etwas raushalten würde, wäre es, glaube ich, umso besser.

Wir werden drittens, Herr Koeppen, bis 2019 ein Klimaschutzgesetz verabschieden, das diesen Namen verdient, und dann werden wir unseren Herausforderungen gerecht.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD – Dr. Stefan Ruppert [FDP], an die CDU/CSU gewandt: Gibt es noch irgendwelche Gemeinsamkeiten zwischen euch?)

Die Kollegin Dr. Ingrid Nestle hat das Wort für Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Personen

Dokumente

Automatisch erkannte Entitäten beta

Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7296708
Wahlperiode 19
Sitzung 69
Tagesordnungspunkt Änderung von energierechtlichen Vorschriften
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta