Judith SkudelnyFDP - Stickoxid-Grenzwert und Messverfahren
Meine Damen und Herren! Seit Februar dieses Jahres stellt die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts klar: Es kann und es wird voraussichtlich in Deutschland zu Fahrverboten kommen.
Schauen wir doch zunächst einmal: Was hat sich seit Februar getan? Das Erste, was wir gemerkt haben, ist, dass die Dieselfahrerinnen und Dieselfahrer in Deutschland kalt enteignet worden sind: kalt enteignet zum einen, weil der Restwert ihrer Fahrzeuge dramatisch gesunken ist, und kalt enteignet zum anderen, weil sie ihre Fahrzeuge nicht mehr in vollem Umfang so nutzen können, wie sie sie ursprünglich nutzen wollten – und das, obwohl viele von ihnen sich mit Absicht für ein umweltfreundliches Fahrzeug entschieden haben.
(Beifall bei der FDP)
Das gilt nicht nur für Euro-4- und Euro-5-Fahrzeuge, sondern seit Herr Resch durch die Lande läuft und sagt: „Die Euro-6-Fahrzeuge sind ebenfalls bedroht“, gilt es auch für Dieselfahrer mit Fahrzeugen der Euro-6-Klasse – und das sind Neufahrzeuge, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP)
Als Zweites haben wir gemerkt, dass die Menschen auf die Situation reagiert haben. Sie haben sich andere Fahrzeuge gekauft, aber nicht, wie viele hier im Haus hoffen, mit alternativen Antrieben. Von 100 Fahrzeugen, die die Bundesregierung anschafft, haben auch nur 5 Fahrzeuge alternative Antriebe.
(Felix Schreiner [CDU/CSU]: Mehr gibt’s ja gar nicht!)
Die allermeisten Neufahrzeuge, die gekauft werden, sind Benziner, und die haben einen höheren CO 2 -Ausstoß. Schauen wir uns beim Kraftfahrt-Bundesamt an, was passiert ist, stellen wir fest: Wir stoßen viel mehr CO 2 im Verkehrsbereich aus. Damit haben wir den Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wer wirklich denkt, dass die Fahrverbote dazu führen, dass die Luft sauberer wird, der hat nicht nach Hamburg geschaut.
(Zuruf des Abg. Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Zum einen erhöhen sich dort an den Messstellen die gemessenen Werte, und zum anderen fahren die Leute an den betroffenen Stellen außen vorbei. Mit Blick auf das Urteil von Düsseldorf stellen wir fest, dass sich die Emissionen verlagern: von den Innenstädten, von den Hauptstraßen in die Wohngebiete und von den Autobahnen in die kleinen Ortschaften. Eine Verdrängung bei der Luftbelastung kann ja wohl nicht das Ziel der Umweltpolitik dieses Bundeshauses sein.
(Beifall bei der FDP – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat nichts mit den Messstellen zu tun!)
Wer öffentliche Verkehrsmittel nutzt und ab und zu mal Straßenbahn fährt, der sieht die Notwendigkeit des Gesetzentwurfs der Bundesregierung. Und ja, darin sind gute Ansätze. Sie wollen bei der Verhältnismäßigkeit ansetzen; das ist gut und richtig. Allerdings hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil schon bezweifelt, ob das der richtige und vor allem juristisch tragbare Weg ist. Das wird die Zukunft noch weisen. Wir würden es uns auf jeden Fall wünschen, weil es eine mögliche Maßnahme ist.
Eine bessere Maßnahme wäre es aber, diese Fahrverbote im Kern zu vermeiden. Das geht, indem man die Messstellen überprüft.
(Zuruf des Abg. Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Dafür gibt es zwei Herangehensweisen. Die eine bezieht sich auf das Wörtliche. Man nimmt ein Gesetz und guckt: Wurde das Gesetz Wort für Wort umgesetzt? Und ja, wahrscheinlich wird das an den meisten Messstellen der Fall sein.
Die eigentliche Frage ist aber: Treffen die Messstellen tatsächlich den Sinn und Zweck der Verordnung? Da muss ich Ihnen sagen, Herr Pronold: Nein, sie treffen ihn nicht; denn in der Verordnung steht: Wir wollen nicht den an- und abfahrenden Verkehr, wie beispielsweise in Stuttgart und München, messen, sondern wir wollen die Hintergrundbelastung messen. Das erreichen wir mit den Messstellen nicht.
(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Stimmt nicht!)
Ich finde es gut, dass Sie die Messstellen überprüfen, aber bitte nicht nur in der wörtlichen, sondern auch in der sogenannten teleologischen Auslegung. Demnach stehen die Messstellen eben nicht korrekt.
(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Leif-Erik Holm [AfD])
Wir brauchen eine Überprüfung der Grenzwerte, weil nicht nur die Höhe der Belastung, sondern auch die Dauer der Belastung maßgeblich ist. Wenn wir die Verantwortung wieder an diejenigen zurückgeben möchten, die für das Wohl der Bürger vor Ort zuständig sind, dann müssen wir überprüfen, ob die Aufenthaltsdauer an den hoch belasteten Stellen tatsächlich so groß ist.
Am Neckartor gehen wenige kleine Kinder vorbei – da geht überhaupt niemand vorbei. Deswegen könnte man sagen: Dort ist vielleicht mehr Toleranz möglich als an anderen Stellen, wo mehr Wohnbebauung ist und sich die Menschen länger aufhalten. Damit wir die Flexibilität haben und damit wir die Verantwortung wieder an die Kommunen gegeben können, sollten wir auch die Messstellen auf europäischer Ebene noch mal überprüfen.
(Beifall bei der FDP – Felix Schreiner [CDU/CSU]: Wir verlegen sie einfach! Dann ist das Problem auch gelöst!)
Was das Moratorium betrifft: Wir brauchen Zeit. Wir brauchen eine Karenzzeit, wie es Herr Möring im Ausschuss gesagt hat. Wir brauchen ein Moratorium, wie wir es formulieren. Das können wir auch noch im Vertragsverletzungsverfahren auf europäischer Ebenen verhandeln.
Aber vielleicht sollten wir dann Menschen in die europäischen Gremien schicken, die in der Lage sind, Vereinbarungen zu treffen. Denn letztens hat eine Umweltministerin auf europäischer Ebene CO 2 -Flottengrenzwerte verhandelt, den Willen der Bundesregierung nicht umgesetzt und sich dafür bei ihren eigenen Leuten in Deutschland feiern lassen. Das Dieselthema ist ein Chefthema. Wir sollten die besten Leute nach Europa schicken. Wenn die Chefin selber mal mitreden würde, würden wir vielleicht auch das Moratorium bekommen.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP sowie des Abg. Dr. Rainer Kraft [AfD])
Ein Letztes zur DUH. Liebe Union, bitte keine untauglichen Anträge auf Parteiebene stellen, sondern verhindern, dass der Wirtschaftsminister die Deutsche Umwelthilfe auch noch mit lukrativen Aufträgen versorgt. Das wäre ein erster Schritt, um hier ein Zeichen zu setzen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)
Der nächste Redner: der Kollege Ralph Lenkert, Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7296765 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 69 |
Tagesordnungspunkt | Stickoxid-Grenzwert und Messverfahren |