30.11.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 69 / Zusatzpunkt 22

Felix SchreinerCDU/CSU - Stickoxid-Grenzwert und Messverfahren

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Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die heutige Debatte bietet uns erneut Gelegenheit, zur Sachlichkeit zurückzukehren und die oftmals sehr emotional geführte Diskussion sachlich anzugehen.

Erstens möchte ich feststellen, dass es nicht stimmt, dass die Bundesregierung nichts macht. Die Stickoxidbelastung im Straßenverkehr sinkt seit Jahren kontinuierlich,

(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht wegen der Bundesregierung!)

seit dem Jahr 2000 übrigens um 60 Prozent. Infolgedessen sinkt auch die Zahl jener Städte, die den Grenzwert reißen. Wir haben das „Sofortprogramm Saubere Luft“ am Laufen

(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Heiße Luft!)

und seit dem 1. Oktober noch ein zusätzliches Konzept in Umsetzung,

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Programm „Heiße Luft“!)

um die NO x -Belastung weiter zu senken. Im Jahr 2020 – Herr Krischer, nehmen Sie das auch zur Kenntnis – werden die entsprechenden Werte in den Städten, die die Grenzwerte für Stickstoffdioxid heute noch überschreiten, deutlich niedriger sein.

All das sind übrigens Erkenntnisse, die aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage der grünen Bundestagsfraktion stammen; es sind Antworten der Bundesregierung auf Fragen, die Sie gestellt haben.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir stellen nur gute Fragen! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie wissen Sie denn, wie die Werte in Zukunft sein sollen? Haben Sie hellseherische Fähigkeiten?)

Ich hätte mir gewünscht, dass Sie heute darauf auch eingehen, wenn Sie schon parlamentarische Anfragen stellen, meine Damen und Herren.

Lieber Herr Krischer, es muss Ihnen auch gesagt werden – eigentlich darf man sich gar nicht nur mit Ihnen beschäftigen; deswegen sage ich es der Allgemeinheit –, dass bestehende Förderprogramme kontinuierlich erweitert wurden. Zum Beispiel wurde das Programm zur Umrüstung der städtischen Flotten, das sich bisher nur auf die von Ihnen so gerne erwähnten „stinkenden Dieselbusse“ bezog, so erweitert, dass mittlerweile komplette innerstädtische Flotten umgerüstet werden können. Auch das hat die Bundesregierung auf den Weg gebracht, aber auch dazu hört man heute von Ihnen rein gar nichts.

Nein, Sie zeigen mit dem Finger auf die Bundesregierung und sagen: Die Bundesregierung müsse das alles machen. – Ich sage Ihnen: Gerade die Maßnahmen, die wir jetzt auf den Weg gebracht haben und die nun in den Kommunen vor Ort umgesetzt werden, betreffen Sie genauso; denn nur mit dem Finger auf den Bund zu zeigen, ist viel zu wenig, wenn man selbst an zahlreichen Landesregierungen beteiligt ist, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Grünen.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber die Fahrverbote kommen! Was machen Sie denn dann?)

Das führt mich zum dritten Punkt. Ich glaube, wir tun gut daran, dass wir zusammen mit dem Deutschen Wetterdienst die Messstellen überprüfen. Sehr geehrter Herr Staatssekretär Pronold, ich habe im Vorfeld Ihrer Rede bereits im ARD-Ticker gelesen, was Sie in Ihrer Rede wahrscheinlich alles sagen; das war kurz bevor Sie es hier gesagt haben. Ich habe dort auch gelesen, dass das Bundesumweltministerium die Überprüfung der Messstellen angeht. Das finde ich grundsätzlich positiv; das begrüßt meine Fraktion.

Wir sind der Meinung, dass wir die Bedeutung der Messwerte in den Mittelpunkt stellen müssen. Es geht uns eben nicht darum, die schlechtestmöglichen Werte zu messen, sondern darum, realistische Schadstoffwerte zu ermitteln. Darum geht es in der Diskussion. Das ist deshalb so wichtig, weil die Messwerte in den Verwaltungsgerichtsverfahren der essenzielle Punkt sind. Die Menschen, die zu uns kommen, merken zu Recht an, dass wir vergleichbare Messwerte in ganz Deutschland brauchen, sehr geehrte Damen und Herren.

Wir haben die Verkehrsminister der Länder bei einer Verkehrsministerkonferenz beisammengehabt. Da wurde zum Beispiel vereinbart, dass man sich kooperativ auf den Weg macht, die Messstellen zu überprüfen – „kooperativ“ ist das Stichwort. Es gab nämlich eine Protokollerklärung der Länder Baden-Württemberg, Berlin, Bremen und Hessen, die dem Beschlussvorschlag nicht zustimmen. Im Weiteren steht da – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten –:

Wenn in einzelnen Ländern Anlass besteht, soll eine Überprüfung durch die zuständigen Landesbehörden … erfolgen.

„Kooperativ“ geht anders, lieber Herr Krischer und liebe Kollegen von den Grünen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Sie stellen sich hierhin und sagen, die Bundesregierung tue nichts. Dabei haben Sie es selber auch in der Hand, in den Ländern Kontrollen und Überprüfungen der Messstellen anzuordnen.

(Zuruf des Abg. Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das könnten Sie alles vor Ort machen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme damit zum vierten Punkt. Ich glaube, es ist richtig, dass wir die Novellierung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes auf den Weg gebracht haben und dort auch den Begriff der Verhältnismäßigkeit neu definieren. Die Frage ist doch: Sind Fahrverbote verhältnismäßig?

(Dieter Janecek [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Gerichte sagen: Ja!)

Das ist die Frage, die uns die Menschen zu Recht stellen. Es muss eben auch geregelt sein, dass in Städten, in denen der Grenzwert von 40 Mikrogramm nur geringfügig überschritten wird, Fahrverbote in der Regel nicht verhältnismäßig sind. Allein diese Regelung betrifft Millionen Menschen in Deutschland, und deshalb ist es richtig, darüber zu diskutieren.

Kurzum: Wir als Regierungsfraktionen sind da bereits aktiv, und es braucht keinen Antrag der FDP dazu.

Zur AfD dann doch noch ein paar Sätze: Zu glauben, wir müssten jetzt nur alle Messstellen anders aufstellen, dann hätten wir das Problem gelöst, ist irgendwie AfD-Denke. Das ist in diesem Land zu kurz gesprungen. Ich glaube, das ist wirklich kein Beitrag zur Lösung dieses Problems.

(Leif-Erik Holm [AfD]: Doch, doch, wir haben nämlich gar kein Problem!)

Abschließend möchte ich persönlich darauf hinweisen: Wir alle sind in unseren Wahlkreisen von Bürgerinnen und Bürgern gewählt, die uns zu Recht die Frage stellen: Was tut ihr eigentlich, um die Luft in unseren Städten sauberer zu machen?

Herr Krischer, Sie sagen, wir seien hier nur die Lobbyisten der Automobilindustrie. Ich war in meinem Wahlkreis bei einem mittelständischen Familienunternehmen mit 800 Mitarbeitern, einem Automobilzulieferer für den Daimler-Konzern. Dort stehen dann auch 800 Leute vor einem und fragen: Was tut ihr eigentlich? Wollt ihr das Problem lösen, oder wollt ihr hier eine komplette Leitindustrie an die Wand nageln?

(Dieter Janecek [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Elektroautos bauen!)

Ich sage Ihnen eines: Wir werden die Diskussion nur dann beenden und diese ganze Problematik nur dann lösen können, wenn wir beides schaffen: Wir müssen auf der einen Seite den Automobilstandort Deutschland erhalten und die Arbeitsplätze in Deutschland sichern und auf der anderen Seite für die Mobilität der Zukunft sorgen und sie fortentwickeln.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hindert euch, das zu tun? Macht es doch einfach!)

Nur wenn wir beides schaffen, werden uns auch andere Länder auf dieser Welt folgen. Das gehört auch zur Wahrheit, und das können Sie von den Grünen nicht ständig ausblenden.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7296773
Wahlperiode 19
Sitzung 69
Tagesordnungspunkt Stickoxid-Grenzwert und Messverfahren
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