Manfred TodtenhausenFDP - Wiedereinführung der Meisterpflicht
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Um das deutsche Handwerkswesen, besonders um den Ausbildungsbereich, beneidet uns die ganze Welt. Gerade das Handwerk bietet jungen Menschen, die kein Studium anstreben, eine qualifizierte, hochwertige Ausbildung und Beschäftigung. Das Handwerk trägt erheblich zum Wohl unseres Landes bei. Daher verdient es auch unsere Unterstützung bei der Erhaltung der Qualität. Als Bundestag müssen wir diese Unterstützung aber mit Verstand und Augenmaß angehen. Bei diesen Begriffen fällt mir der Übergang zum Antrag der AfD sehr schwer. Er erinnert mich an Bernd; Bernd kennen wir alle. Bernd ist der Nachbarsjunge. Wenn die Kinder im Sandkasten gespielt haben und dort die Burg aufgebaut, Türmchen gemacht, Fensterchen eingebaut, die Zugbrücke gemacht haben, dann kam Bernd mit seiner großen Schaufel, und übrig blieb ein großer Sandhaufen. Genauso ist dieser Antrag.
(Beifall bei der FDP – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Bernd von der AfD! – Jens Koeppen [CDU/CSU]: War Tilo! – Jürgen Braun [AfD]: Können Sie das wiederholen?)
Ob Handwerkskammern oder Handelskammern zuständig sind, ob fehlende Ausbildungsplätze oder fehlende Azubis das Problem sind, das ist für Sie egal. Sie werfen das alles in einen Topf. Ob europäischer Binnenmarkt oder Dienstleistungsfreiheit, auch das ist Ihnen völlig egal. Ein viel größeres Problem Ihres Antrags ist aber – auch das ist Ihnen völlig egal –, welche rechtlichen Rahmenbedingungen es gibt. Das ist gefährlich für das deutsche Handwerk, dem Sie mit diesem Antrag mehr schaden als nutzen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)
Denn bei einer solchen Frage kann, nein, muss man Genauigkeit erwarten. Eingriffe in die Berufsfreiheit müssen begründet werden; das verlangt das Grundgesetz. Sie würden mit Ihrem Antrag am Ende dem gesamten Meisterwesen sogar bedenkenlos erheblich schaden; selbst das ist Ihnen egal.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Handwerksnovelle war Teil der Agenda 2010 von Gerhard Schröder und wurde im Bundestag zusammen mit anderen Ideen am 14. März 2003 vorgetragen. Damals hatten wir 5 Millionen Arbeitslose in Deutschland. Die mittel- und osteuropäischen Staaten waren noch nicht Mitglied der EU, und eine Freizügigkeit gab es für deren Arbeitnehmer erst recht nicht. Heute ist die Situation eine völlig andere. Es fehlen Facharbeitskräfte. Der demografische Wandel ist in allen Berufszweigen spürbar. Betriebe finden keine Auszubildenden. Insofern muss man nach 15 Jahren einmal genau hinschauen und sorgfältig prüfen, welche Korrekturen im Rahmen von Artikel 12 des Grundgesetzes und der EU-Dienstleistungsrichtlinie notwendig, sinnvoll und vor allem rechtlich machbar sind. Das geht aber nur durch die Einzelfallprüfung und nicht pauschal mit Bernds Schaufel.
(Beifall bei der FDP)
Wir als Freie Demokraten sind angetreten, weil wir die weltbeste Bildung wollen. Dazu gehört auch die berufliche Bildung.
(Beifall bei der FDP)
Wir wollen jedem, je nach Begabung, den persönlichen Weg und damit seine individuelle Entwicklung offenhalten. Nicht jeder kann oder will ein Studium machen. Manche stellen erst später fest, dass sie mit ihrer Situation nicht zufrieden sind oder dass sie sich einfach weiterbilden wollen. Dafür ist es wichtig, dass es den Meister gibt. Ja, für mich persönlich war es ein Fehler, die Meisterpflicht in einigen Gewerken abzuschaffen.
(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Aha!)
Ausbildungszahlen und Unternehmensentwicklungen zeigen das in vielen Fällen. Aber warum sollen wir nicht aus Fehlern lernen?
(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der SPD sowie der Abg. Astrid Grotelüschen [CDU/CSU])
Bundesminister Altmaier hat gesagt, er werde der Meisterpflicht für einige Berufe nicht im Wege stehen. Das bedeutet letztendlich: Er stellt sich an die Seite und wartet ab, was passiert. Es wäre aber gerade seine Aufgabe, diesen Weg zu bereiten. Das erwarte ich von ihm. Er soll der Motor sein, wenn es um Wirtschaftsförderung geht. Nur durch das duale Ausbildungssystem und den Meister kommen wir dahin, dass das Handwerk der Ausbilder der Nation bleibt.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ich komme zum Schluss. Wir fordern Herrn Altmaier auf: Werben Sie auch in Europa für den Meisterbrief! Legen Sie dem Bundestag bis Mai ein Gesetz vor, das das Meisterwesen in Deutschland und Europa stärkt!
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)
Sabine Poschmann, SPD, ist die nächste Rednerin.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7307151 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 71 |
Tagesordnungspunkt | Wiedereinführung der Meisterpflicht |