Sabine PoschmannSPD - Wiedereinführung der Meisterpflicht
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich mir den AfD-Antrag, über den wir heute zu beraten haben, so anschaue, kann ich nur sagen: Doch noch wach geworden, meine Damen und Herren?! Ihr Papier kommt reichlich spät. Ich empfehle Ihnen einen Blick in den Koalitionsvertrag aus dem Frühjahr. Dort heißt es wörtlich:
Wir werden den Meisterbrief erhalten und verteidigen. Wir werden prüfen, wie wir ihn für einzelne Berufsbilder EU-konform einführen.
(Beifall bei der SPD – Tino Chrupalla [AfD]: Wo ist der Antrag?)
Ihr Antrag ist einmal mehr blanker Populismus.
(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Dann haben wir alles richtig gemacht!)
Sie versuchen in aller Eile, auf einen Zug aufzuspringen, den wir schon längst in Fahrt gebracht haben. Vielleicht ist es Ihnen ja schlicht entgangen, dass wir innerhalb der Koalitionsarbeitsgruppe „Meisterbrief“ schon viele Gespräche mit dem Handwerk, mit den Verbänden und natürlich mit den Gewerkschaften geführt haben.
Es kann gut sein, dass Ihnen auch die neuen Gutachten durchgegangen sind, die der Zentralverband des Deutschen Handwerks in Auftrag gegeben hat. So simpel, wie Sie die Gewerke zur Meisterpflicht zurückführen wollen, ist die Sache nicht. Im Gegensatz zu Ihnen streben wir eine Handwerksreform an, die mit den Spielregeln der EU einhergeht. In Richtung FDP sage ich: Natürlich wollen auch wir eine verfassungskonforme Lösung erzielen.
Das sind Begriffe, die ich in dem AfD-Antrag nicht wiederfinden kann. Aber das ist nicht der einzige Grund, warum wir den AfD-Antrag ablehnen werden.
(Stephan Brandner [AfD]: Schade!)
Sie scheinen auch sonst nicht ganz im Thema zu sein. So planen Sie im ersten Schritt, die Gewerke aus der Anlage B zu löschen. Erst im zweiten Schritt wollen Sie darüber nachdenken, welche B1-Gewerke in die Anlage A sollen. Da frage ich mich: Was passiert denn mit den Gewerken, die es nicht in die Anlage A schaffen? Diese würden ja dann der Industrie- und Handelskammer zugeordnet werden, was das Handwerk nachhaltig schwächen würde. Da wundere ich mich schon sehr.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Sören Bartol [SPD]: Ohne Sinn und Verstand!)
Außerdem kommen Sie bei allen Problemen, die Sie nennen, zu dem Schluss, dass die Wiedereinführung der Meisterpflicht das Allheilmittel ist. Damit machen Sie es sich zu einfach. Ja, der Meisterbrief ist ein Gütesiegel und ein Qualifikationsrahmen für alle Handwerksbetriebe; aber der Meisterbrief ist nur eine von vielen Stellschrauben, die wir drehen müssen, um es bei den Themen „Rückgang der Zahl der Auszubildenden“ und „Fachkräftesicherung“ nach vorne zu schaffen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, laut DGB wandern zwei von drei jungen Leuten, die im Handwerk ausgebildet werden, in die Industrie ab, gehen in den Handel oder bilden sich weiter. Da muss man doch fragen: Warum? Alle Maßnahmen von der Ausweitung der Meisterpflicht bis zum Fachkräfteeinwanderungsgesetz werden nur ein Tropfen auf den heißen Stein bleiben, wenn wir nicht endlich in einen breiten Dialog darüber eintreten, wie wir die Attraktivität des Handwerks als Arbeitgeber insgesamt stärken.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Andreas Lenz [CDU/CSU] und Manfred Todtenhausen [FDP])
Laut einer Studie des Göttinger Volkswirtschaftlichen Instituts für Mittelstand und Handwerk werden nur noch 30 Prozent der im Handwerk Beschäftigten nach Tarifvertrag bezahlt. Wer aus Tarifverträgen flüchtet, darf sich nicht wundern, wenn ihm auch das Personal von der Fahne geht.
(Beifall bei der SPD)
Wenn das Handwerk im Wettbewerb um die besten Köpfe mithalten will, braucht es neben einer qualifizierten Ausbildung und einer modernen Weiterbildungsstrategie zwischen Innung und Gewerkschaften verbindlich ausgehandelte Tarifverträge.
(Tino Chrupalla [AfD]: Die gibt es doch!)
Das sind die Ebenen, die miteinander verbunden werden müssen: Meisterbrief, Fachkräfteeinwanderungsgesetz und eine funktionierende Sozialpartnerschaft. Hier sind auch die Innungen gefragt. Sie sollten sich wieder vermehrt als Tarifpartner zur Verfügung stellen.
Meine Damen und Herren von der AfD, Sie sehen: Das Thema ist etwas komplexer, als Sie uns das hier vermitteln wollen.
(Tino Chrupalla [AfD]: Wir sind blöde!)
Wenn Sie dem Handwerk helfen wollen, sollten Sie sich besser ein paar Gedanken mehr machen.
Den FDP-Antrag lehnen wir ebenfalls ab,
(Stephan Brandner [AfD]: So, jetzt seid ihr dran! – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Die müssen sich auch ein paar Gedanken mehr machen!)
weil es bereits verschiedene Ausarbeitungen über dieses Thema gibt.
(Michael Theurer [FDP]: Das versteht niemand! Sie sind dafür und lehnen ab!)
Ich empfehle einen Blick auf die Antwort auf die Kleine Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen. Meines Erachtens würden weitere Gutachten in diesem Bereich das Ganze nur unnötig in die Länge ziehen.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Nächster Redner ist Klaus Ernst, Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN – Stephan Brandner [AfD]: Jetzt kommt der Theoretiker!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7307152 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 71 |
Tagesordnungspunkt | Wiedereinführung der Meisterpflicht |