Gabriele KatzmarekSPD - Wiedereinführung der Meisterpflicht
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei meinen Schulbesuchen und in Gesprächen mit Schülerinnen und Schülern frage ich regelmäßig nach, welchen Berufswunsch die Schülerinnen und Schüler denn haben und welchen Beruf sie erlernen wollen, wenn sie die Schule zum Beispiel nach dem folgenden Schuljahr verlassen. Ich bekomme ganz, ganz selten eine Antwort, die lautet: Ich will in einem Handwerksberuf meine Ausbildung machen, ich will ein Handwerk erlernen. – Jetzt kann man sagen, das sei nur meine Wahrnehmung oder habe etwas mit der Struktur der Schulen bei uns in Baden-Württemberg zu tun. Aber nein, das ist keine subjektive Wahrnehmung. Die Zahlen von 2017 besagen, dass 19 000 Ausbildungsplätze im Handwerk nicht besetzt wurden.
Da muss man sich natürlich fragen, warum das Handwerk nicht attraktiv ist, warum die jungen Leute nicht ins Handwerk gehen und ob das daran liegt, dass es in bestimmten Gewerken keine Meisterpflicht mehr gibt. Das könnte ja, auch wenn man der Logik der Anträge folgt, durchaus dahinterstecken. Aber dann, meine sehr geehrten Damen und Herren, müsste es ja signifikante Unterschiede zwischen den Berufen geben, in denen es eine Meisterpflicht gibt, und denen, in denen es keine Meisterpflicht gibt. Dann müsste man feststellen, dass die Berufe ohne Meisterpflicht nicht so attraktiv sind und die Auszubildenden nicht in diese Berufe hineingehen. So ist es aber bei weitem nicht.
Deshalb ist die Frage der Attraktivität des Handwerks weiterzufassen. Grundprobleme des Handwerks wurden hier schon aufgezeigt, einmal von meiner Kollegin Poschmann, aber auch von Klaus Ernst, aber auch ich will sie wiederholen, damit deutlich wird, worüber wir reden müssen, wenn es um die Attraktivität im Handwerk geht. Die Beschäftigten im Handwerk verdienen im Durchschnitt 20 Prozent weniger als die Beschäftigten in allen anderen Branchen. Nur noch 30 Prozent der Beschäftigten fallen unter einen Tarifvertrag. Da frage ich mich: Ist das attraktiv? Wenn ich mich frage, wo ich arbeiten gehen will, dann muss ich feststellen: garantiert nicht dort.
Im „handwerk magazin“ wird geschrieben – es sind also keine Zahlen, die wir selbst erstellt haben –: Der Durchschnittsverdienst eines Handwerkers liegt zwischen 1 800 und 2 900 Euro brutto. Jetzt soll mir bitte schön mal jemand erklären, wie attraktiv das ist, wie es möglich sein soll, eine Familie mit 1 800 Euro brutto zu versorgen, und warum man in einem solchen Beruf, auch wenn er wieder durch die Meisterpflicht aufgewertet wird, eine Ausbildung machen soll. Das muss mir mal jemand erklären. Ich kann es nicht.
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, natürlich müssen wir über die Einführung der Meisterpflicht in einigen Gewerken nachdenken. Das tun wir; das wurde heute auch schon erwähnt. Letztendlich geht es bei der Steigerung der Attraktivität des Handwerks aus meiner Sicht aber um mehr. Das Handwerk ist wichtig, das hat heute jeder Redner hier gesagt. Das ist keine Frage.
Frau Kollegin Katzmarek, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung aus den Reihen des Koalitionspartners?
Wenn der Koalitionspartner mit mir hier heute diskutieren will, dann soll er es bitte tun.
Vielen Dank, Frau Präsidentin, dass Sie diese Zwischenfrage zulassen.
Nein, Frau Katzmarek lässt sie zu. Aber macht nichts.
Na ja, die Frau Präsidentin hat sie ja auch zugelassen. – Frau Kollegin, ich habe bei Ihren Ausführungen gerade so ein bisschen gestutzt. Ist Ihnen eigentlich bekannt, dass man im Handwerk nur ausbilden kann, wenn man auch eine Meisterprüfung hat?
(Beifall der Abg. Astrid Grotelüschen [CDU/CSU] und Tino Chrupalla [AfD])
Die vielen Betriebe im Handwerk, die ohne Meister geführt werden, dürfen überhaupt keine Lehrlinge ausbilden. Da wir im Handwerk das Problem haben, dass Nachwuchs fehlt und wir diesen generieren müssen, geht die Diskussion bei Ihnen ein bisschen daran vorbei. Ist Ihnen das bekannt?
Mir ist bekannt, dass es eine Ausbildereignungsprüfung nach der Ausbilder-Eignungsverordnung braucht. Ich hoffe, das ist Ihnen auch bekannt.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Sie ist die Voraussetzung für die Ausbildung. Es muss also erst eine Ausbildereignungsprüfung vorliegen, erst dann kann man ausbilden.
(Eckhard Pols [CDU/CSU]: Eben nicht!)
– Doch! Ich fang mit Ihnen hier jetzt keine Kontroverse an.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Tino Chrupalla [AfD])
Da können wir gerne noch mal nachschlagen.
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Schluss lassen Sie mich bitte noch auf einen Punkt hinweisen: Für die Menschen, die im Handwerk arbeiten, ist es wichtig, dass wir über sie reden, aber schöne Worte alleine helfen ihnen natürlich nicht. Was diese Menschen brauchen, ist, dass ihre Arbeit, die gut, richtig und wichtig ist, auch wertgeschätzt wird, wertgeschätzt wird zum Beispiel durch Tarifverträge, durch gute Bezahlung, durch faire Arbeitszeiten und durch gute Rahmenbedingungen. Das Ziel muss es sein, die Arbeit dieser Menschen in unserem Land wertzuschätzen. Die beiden Anträge, die uns vorliegen, gehen darauf absolut nicht ein. Deshalb werden wir sie ablehnen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Mario Mieruch.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/cvid/7307160 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 71 |
Tagesordnungspunkt | Wiedereinführung der Meisterpflicht |