13.12.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 71 / Tagesordnungspunkt 4

Karl HolmeierCDU/CSU - Wiedereinführung der Meisterpflicht

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das deutsche Handwerk bildet das Rückgrat unserer Wirtschaft und auch unseres Wohlstandes. Das deutsche Handwerk ist vor allem in ländlichen Regionen ein wichtiger Arbeitgeber. Handwerklich geprägte Regionen weisen eine geringere Arbeitslosigkeit und auch eine höhere Ausbildungsquote bei Jugendlichen auf. Die hervorragende Arbeit des deutschen Handwerks ist über die Landesgrenzen hinaus bekannt und Synonym für höchste Qualität.

Grundlage hierfür ist die ausgezeichnete Ausbildung vor allem im dualen Bildungssystem. Der Meisterbrief bildet die höchste Ausbildungsstufe im Handwerk und ist ein besonderer Qualitäts- und Qualifizierungsnachweis. Der Meisterbrief ist für die Verbraucherinnen und Verbraucher zudem ein wichtiger Anhaltspunkt, um eine qualifizierte und hochwertige handwerkliche Leistung zu erhalten. Durch den Meisterbrief wird die Qualität der handwerklichen Arbeiten gesichert und der Verbraucherschutz garantiert. Untersuchungen haben ergeben, dass die Bestandsfestigkeit eines Handwerksbetriebs mit Meisterbrief höher ist als bei Handwerksbranchen ohne Meisterpflicht.

Die Meisterausbildung vermittelt nicht nur Praxis, sondern vor allem auch kaufmännische Ausbildung und Mitarbeiterführung. Die Meisterausbildung bereitet hervorragend auf die Selbstständigkeit vor.

Die Wiedereinführung der Meisterpflicht für einzelne Berufsfelder im Handwerk ist auch der Koalition ein wichtiges Anliegen. Es wurde auch schon mehrfach gesagt: Wir haben uns im Koalitionsvertrag vorgenommen, den Meisterbrief zu erhalten und zu verteidigen. Wir werden prüfen, wie wir den Meisterbrief für einzelne Berufsfelder EU-konform wieder einführen können. Das Bundesministerium für Wirtschaft kommt dem Prüfauftrag aus dem Koalitionsvertrag derzeit nach. Wir führen bereits in einer Arbeitsgruppe die notwendigen Gespräche und werden dann im Deutschen Bundestag eine Anhörung dazu durchführen.

Zurückblickend: Die Novellierung der Handwerksordnung im Jahre 2004 war Teil der Agenda 2010 der damaligen rot-grünen Bundesregierung. In Deutschland war damals die Arbeitslosigkeit doppelt so hoch wie heute. Vorrangiges Ziel war es, Arbeitslose zur Gründung selbstständiger Existenzen anzuregen und zu motivieren. Dass die Arbeitslosigkeit nicht durch die Abschaffung der Meisterpflicht wirksam bekämpft werden kann, war der CDU/CSU-Fraktion damals schon bewusst, und wir haben dagegengestimmt.

Seit 2004 ist in den zulassungsfreien Handwerksbranchen teilweise ein starker Rückgang der Ausbildungsleistung festzustellen. Vor diesem Hintergrund halten wir die Wiedereinführung des Meisterbriefs für einzelne zulassungsfreie Handwerke für richtig und für wichtig. Der heute vorliegende Antrag der AfD enthält jedoch einige gravierende handwerkliche Fehler. Es ist kein guter Ansatz, für alle 53 zulassungsfreien Handwerke den Meisterbrief wieder einzuführen. Dies müssen wir in einzelnen Berufsfeldern sorgfältig prüfen. Wir können das nicht pauschal für alle fordern. Dazu brauchen wir auch den Antrag der AfD nicht. Wir arbeiten bereits in einer Arbeitsgruppe, und wir werden die gefundenen Ergebnisse auch umsetzen.

Kollege Holmeier, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Klaus Ernst?

Bitte, ja.

Lieber Kollege Holmeier, danke, dass Sie die Frage zulassen. – Ich möchte Sie auf Folgendes aufmerksam machen: Als ich noch in Stuttgart gearbeitet habe, ging ein Spruch durch Stuttgart. Er hieß: Die größte Bäckerei und die größte Metzgerei in Stuttgart ist Daimler-Benz. – Dort arbeiteten nämlich sehr viele ausgebildete Metzger und ausgebildete Bäcker am Band. Ich habe versucht, darauf aufmerksam zu machen.

Sind Sie denn mit mir der Auffassung, dass wir, wenn wir das ändern wollen, wenn wir also Leute in ihrem erlernten Beruf halten wollen, auch über die Frage der Tarifverträge reden müssen? Ich habe das angesprochen. Ich habe jetzt noch niemand aus Ihrer Fraktion gehört, der sich dazu geäußert hat.

Ist es nicht notwendig, dass Sie, wenn Sie mit Ihrem Koalitionspartner diese Frage klären, auch darüber nachdenken, wie wir in diesen Bereichen mehr vernünftige Arbeitsbedingungen, einen vernünftigen Urlaub, vernünftige Regelungen organisieren können, damit wir die Fähigkeiten, die es bei den Menschen gibt, zum Beispiel beim Bäcker, wirklich erhalten. Ich bin für kleine Bäckereien, absolut. Aber dann muss man doch die Arbeitsbedingungen so attraktiv gestalten, dass die Leute ihren Job mit Lust und Freude ausüben.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich glaube, man darf nicht generell sagen: Die Handwerksbetriebe zahlen schlecht und sind schlechte Arbeitgeber. – In keinster Weise. Das Handwerk ist ein hervorragender Arbeitgeber. Sicherlich spielt die Bezahlung in den Berufen eine ganz entscheidende Rolle. Wir wissen auch ganz klar, dass viele Ausgebildete den Handwerksbetrieb verlassen, aus ihrem Handwerksberuf aussteigen und in die Industrie wechseln, weil gerade in der Industrie in den letzten Jahren viele, viele Arbeitsplätze entstanden sind.

Aber zu den Bäckern. Die Arbeitszeit spielt dort sicherlich auch eine Rolle – nicht nur die Bezahlung, sondern auch die Arbeitszeit. Deshalb müssen wir uns insgesamt fragen: Wie können wir in einzelnen Berufen bestimmte Sachen verbessern? Da spielt die Bezahlung sicherlich eine Rolle, ganz klar.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das deutsche Handwerk befindet sich momentan auf einem konjunkturellen Hoch. Der Indikator für die Geschäftslage im Handwerk befindet sich im Herbst dieses Jahres zum vierten Mal in Folge auf einem Allzeithoch. Ebenso stieg die Zahl der Beschäftigten. Das Handwerk hat im Jahr 2018 circa 30 000 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen. Die Mehrzahl der Handwerksbetriebe beurteilt auch für die Zukunft die wirtschaftliche Lage als sehr gut.

Es gibt viele Herausforderungen, denen sich das Handwerk und auch die Politik stellen müssen. Wir werden alles daransetzen, dass wir das Handwerk dabei unterstützen. Hierzu gehören neben der Stärkung des Meisterbriefs noch zahlreiche zusätzliche Maßnahmen. Der Handwerksberuf muss zudem für junge Menschen wieder attraktiver werden und ihr Interesse wecken.

Entscheidend für unser Handwerk und für die Berufsentscheidung junger Menschen für das Handwerk sind die Wertigkeit und die Qualität der Ausbildung. Deshalb ist die beste Ausstattung unserer Berufsschulen von entscheidender Bedeutung. Ein guter baulicher Zustand, bestmögliche Ausstattung und gut ausgebildete und motivierte Lehrkräfte sind ein wichtiger Grund für die Akzeptanz des Handwerks und damit entscheidend für die Berufswahl junger Menschen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren: In meinem Wahlkreis bauen wir gerade den letzten Abschnitt einer neuen Berufsschule. Das ist die modernste Berufsschule Deutschlands mit der modernsten digitalen Ausstattung. Wir haben zusätzlich Berufswahltage. Wir haben zusätzlich Baufachtage, die das Handwerk in den Schulen durchführt. Wir stellen fest, dass das Interesse der Schulabgänger für das Handwerk enorm gestiegen ist. Die Zahl der Auszubildenden steigt, und das Interesse am Handwerk ist bei weitem größer geworden, als es vor einiger Zeit war.

Wir werden mit einem Berufsbildungspakt die berufliche Bildung stärken und modernisieren, damit wir uns den Wettbewerbsvorteil und vor allem das duale Ausbildungssystem erhalten. Die berufliche und die akademische Bildung müssen gleichwertig sein; denn ohne qualifizierte Fachkräfte verliert Deutschland enormes wirtschaftliches Potenzial. Die berufliche Ausbildung muss auch für Abiturienten eine Möglichkeit darstellen und Karrierechancen bieten. Wir werden die berufliche Qualifizierung zum Meister besser finanziell fördern und dem kostenlosen Hochschulstudium angleichen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir werden die Wiedereinführung des verpflichtenden Meisterbriefs für einzelne Handwerksbranchen umfassend prüfen. Bei den Berufen, bei denen dies geboten und rechtlich auch möglich ist, werden wir den verpflichtenden Meisterbrief wieder einführen. Wir müssen da sehr behutsam vorgehen. Die Anträge der AfD und der FDP zur Wiedereinführung des Meisterbriefs lehnen wir deshalb ab.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Für die SPD-Fraktion hat nun Martin Rabanus das Wort.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7307165
Wahlperiode 19
Sitzung 71
Tagesordnungspunkt Wiedereinführung der Meisterpflicht
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