13.12.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 71 / Tagesordnungspunkt 18

Karl LauterbachSPD - Terminservice- und Versorgungsgesetz

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Frau Präsidentin! Nur ganz kurz zu Herrn Schlund: Sie sagen, dass die Tätigkeit als Arzt für deutsche Ärzte nicht mehr attraktiv sei. Es bewerben sich bis zu zehn Deutsche auf einen Studienplatz und bekommen ihn nicht. Das heißt, wenn wir mehr Ärzte sehen wollen, müssen wir die Zahl der Studienplätze erhöhen; das wäre die Maßnahme, die wir hier benötigen.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Zum Zweiten: Ich finde es nicht angemessen – es gibt gute Ärzte aus jedem Land; ich habe zehn Jahre in den Vereinigten Staaten gelebt; es gibt gute Ärzte überall –, Ärzte aufgrund ihrer Nationalität gegeneinander auszuspielen. Das müssten Sie als Arzt zuerst einräumen.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Wir haben heute ein wichtiges, ein großes Gesetz einzubringen, und in der Tat stimme ich Minister Spahn zu: Das Gesetz umfasst so viele Bereiche, dass man es in der kurzen Zeit nicht komplett vorstellen kann. Daher konzentriere ich mich auf die Punkte, die mir besonders wichtig sind.

Wir haben in Deutschland zwar eine sehr hohe Arztzahl, die höchste Facharztdichte in Europa, trotzdem gibt es aber zum Teil sehr lange Wartezeiten, um einen Facharzttermin zu bekommen. Hier gibt es große Unterschiede zwischen Stadt und Land; aber es gibt auch große Unterschiede zwischen gesetzlich und privat Versicherten. Das ist ungerecht, und zwar deshalb, weil gerade die gesetzlich Versicherten, die auf dem Land oder in unterversorgten Gebieten leben, sehr, sehr lange warten, zum Teil Monate, sie aber einen großen Teil des Solidarsystems bezahlen. Sie zahlen mit für die Einkommensschwachen, die die Beiträge, die kostendeckend wären, nicht selbst erbringen können. Somit ist es ungerecht, dass ausgerechnet hier die Wartezeiten so lang sind.

Das ist der Grund, weshalb sich die SPD seit Jahren konsequent für die Bürgerversicherung einsetzt. Das wäre das richtige System;

(Beifall bei der SPD – Lachen der Abg. Karin Maag [CDU/CSU])

denn wir brauchen keine zwei Gesundheitssysteme in einem Land. Es muss jeder so behandelt werden, wie es medizinisch notwendig ist, nicht, wie er versichert ist oder wo er wohnt. Von diesen Zufällen darf es nicht abhängen, insbesondere nicht für ältere Menschen und Kinder.

(Markus Herbrand [FDP]: Sie regieren 20 Jahre!)

Der Schritt, der jetzt durch die Terminservicestellen und die Aufwertung der Bezahlung für die Behandlung neuer Patienten, die gesetzlich versichert sind, gemacht wird, ist ein sehr wichtiger Schritt in Richtung Bürgerversicherung,

(Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Aha! Interessant!)

weil wir nämlich die Behandlung von gesetzlich Versicherten beim Facharzt deutlich besser vergüten. Das muss man einräumen: Es ist ein großes Unrecht, auch für Ärzte, dass derzeit für die Behandlung eines gesetzlich Versicherten viel weniger bezahlt wird als für die eines Privatversicherten.

(Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Es wird bezahlt! Das ist das Entscheidende!)

Diesem Problem begegnen wir hier ein Stück, indem wir die gesetzlich Versicherten besserstellen: Die gesetzlich Versicherten, die über diese Terminservicestellen aufgenommen werden, werden über das Budget hinaus finanziert. Das heißt, es gibt einen besonderen Anreiz, diese neuen Patienten aufzunehmen. Das wird in der Praxis die Beschleunigung

(Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Und die chronisch Kranken?)

der Terminvergabe beim Facharzt für gesetzlich Versicherte deutlich verbessern. Das ist ein wichtiger Schritt nach vorne.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU])

Wir sind uns auch einig, dass bei den psychisch Kranken etwas passieren muss. Die Psychosen gehören tatsächlich zu den schwersten Erkrankungen überhaupt. Was wenig bekannt, aber richtig ist: Wenn ich mir die chronischen Erkrankungen anschaue, stelle ich fest, dass im Bereich der psychischen Erkrankungen die Sterblichkeit mit die höchste ist. Es sterben also sehr viel mehr Menschen an psychischen Erkrankungen als an organischen Erkrankungen wie zum Beispiel Rheuma, die allerdings viel bekannter sind; viel mehr Menschen sterben an Depressionen als an Rheuma. Wir haben in diesem Bereich aber eine massive Unterversorgung. Es wird monatelang gewartet. Hier unternehmen wir einen sehr wichtigen Schritt: Für denjenigen, der eine akute Versorgung benötigt, werden die neugeschaffenen Terminservicestellen, die online 24 Stunden pro Tag an sieben Tagen pro Woche erreichbar sind, innerhalb von zwei Wochen eine Akutversorgung organisieren. Das ist eine deutliche Verbesserung der akuten Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen, die dringend nottut.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Ich komme zum Abschluss auf etwas zu sprechen, was eben schon angesprochen worden ist. Wir müssen auch etwas tun, um die Versorgung in der Psychotherapie besser zu organisieren. Es ist tatsächlich so, dass wir aufgrund der bestehenden Anreize zum Teil eine Unterversorgung haben. Es gibt tatsächlich Bereiche, in denen der Versorgungsbedarf als gedeckt gilt, es aber viel zu wenig Psychotherapeuten, es gibt da zu wenige Zulassungen. Es ist darüber hinaus so, dass sich die Vergütung zum Teil zu wenig nach der Schwere der Erkrankung richtet. Hier müssen wir eine große Reform vorbereiten. Das, was im Gesetzentwurf dazu stand – Sie haben vorhin selbst von der Wortwahl gesprochen, Herr Spahn –, war von der Wortwahl her nicht geeignet, Vertrauen zu schaffen. Wir brauchen daher mehr Zeit. Wir müssen das mit den Betroffenen und mit den Verbänden diskutieren. Dann werden wir zu einer gemeinsamen Lösung kommen. Die Probleme sind wirklich, und sie sind zu wichtig für einen Schnellschuss. Ich bin sicher, dass wir noch zu einer sehr guten Lösung kommen.

Insgesamt zeigt dieser Gesetzentwurf: In der Großen Koalition wird konkret gearbeitet, und wir verbessern die Versorgung der Patienten mit chronischen Erkrankungen, mit psychischen Erkrankungen und auch mit schweren organischen Erkrankungen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Für die FDP-Fraktion spricht nun Christine ­Aschenberg-Dugnus.

(Beifall bei der FDP)

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Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7307173
Wahlperiode 19
Sitzung 71
Tagesordnungspunkt Terminservice- und Versorgungsgesetz
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