Achim KesslerDIE LINKE - Terminservice- und Versorgungsgesetz
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Minister! Auf dem Tisch liegt heute ein umfangreicher Gesetzentwurf zu zahllosen, so möchte man sagen, Themen. Sie wollen damit wichtige Ziele erreichen: Gesetzlich Versicherte sollen schneller Termine bekommen, die Versorgung im ländlichen Raum soll verbessert werden.
Um das zu erreichen, wollen Sie zum Beispiel die Sprechzeiten von Ärztinnen und Ärzten für gesetzlich Versicherte von 20 auf 25 Stunden erhöhen. Das hört sich gut an. Aber wie wollen Sie das sicherstellen? Wie wollen Sie überprüfen, dass diese Zeit nicht doch genutzt wird, um privat Versicherte zu behandeln oder andere Dinge zu erledigen? Herr Minister, das ist blinder Aktionismus, was Sie da machen.
(Beifall bei der LINKEN)
Sie wollen Ärztinnen und Ärzten einen Aufschlag zahlen, wenn sie neue Patientinnen und Patienten behandeln, wenn sie Patientinnen und Patienten behandeln, die von Terminservicestellen vermittelt werden, oder für die Behandlung von besonders dringenden Fällen. Ich frage Sie: Ist es nicht so, dass Ärztinnen und Ärzte schon heute gut bezahlt sind? Ist es denn wirklich gerechtfertigt, Ärztinnen und Ärzten Aufschläge zu zahlen, nur weil sie ihre Arbeit machen? Ich finde, wir dürfen nicht vergessen: Das ist das Geld der Versicherten, und das ist hart erarbeitet.
(Beifall bei der LINKEN)
All Ihre Maßnahmen sind nur Flickschusterei, weil Sie sich wieder nicht an das zentrale Problem ranwagen, an die Ungleichheit in unserem Gesundheitssystem. Solange Ärztinnen und Ärzte für die Behandlung von Privatpatientinnen und ‑patienten viel höhere Honorare erhalten, werden gesetzlich Versicherte immer den Kürzeren ziehen.
(Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Es geht nicht um höhere Honorare, sondern darum, dass sie es überhaupt bezahlt bekommen!)
Deshalb wird dieses Gesetz kaum etwas bewirken. Nur wenn alle Patientinnen und Patienten gleich versichert sind, werden sie auch den gleichen Zugang zum Gesundheitssystem bekommen.
(Beifall bei der LINKEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist so!)
Schauen wir uns die Versorgung auf dem Land an: Es ist doch so, dass Ärztinnen und Ärzte sich bevorzugt in reichen Regionen mit vielen lukrativen Privatpatientinnen und Privatpatienten niederlassen. Ärmere Regionen dagegen haben einen massiven Ärztemangel. Die einzig konsequente Antwort darauf ist, die private Krankenversicherung abzuschaffen.
(Beifall bei der LINKEN)
Alle Menschen müssen in einer solidarischen Gesundheits- und Pflegeversicherung abgesichert sein. Gewerkschaften, Sozialverbände und Die Linke sprechen in dieser Frage schon lange mit einer Stimme.
(Beifall bei der LINKEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, ich verstehe Sie wirklich nicht mehr. Sie haben 2017 lautstark gegen die Zweiklassenmedizin gewettert. Sie haben eine Bürgerversicherung verlangt; Herr Lauterbach hat es eben wiederholt. Sie wissen, wie es besser geht, aber Sie machen es nicht. Das verzeihen Ihnen die Menschen nicht.
(Beifall bei der LINKEN – Dagmar Ziegler [SPD]: Ist wie bei Ihnen!)
Setzen Sie sich endlich für die Interessen der Patientinnen und Patienten ein, anstatt die Interessen der Versicherungswirtschaft zu bedienen.
Doch nun zum nächsten Versorgungsnotstand, der sich ankündigt. Wegen der miserablen Vergütung können viele Therapeutinnen und Therapeuten in Gesundheitsberufen ihre Praxen nicht halten. So verdienen zum Beispiel Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten im Mittel 2 100 Euro, und zwar brutto. Das reicht nicht zum Leben, und das führt direkt in die Altersarmut. Für ihre Ausbildung zahlen sie ein Schulgeld von bis zu 20 000 Euro. Wen wundert es, dass die Zahl der Schülerinnen und Schüler in den entsprechenden Schulen seit vielen Jahren kontinuierlich sinkt? Da zeichnet sich ein neuer Notstand an.
Herr Minister Spahn, noch im Juni hatten Sie keine Zeit, die „Therapeuten am Limit“ zu empfangen, die Ihnen 1 000 Protestbriefe übergeben wollten. Nach massivem Druck haben Sie jetzt immerhin Änderungsanträge zu Ihrem Gesetzentwurf angekündigt. Es freut mich, dass Sie damit auf unseren Antrag vom 10. Oktober reagieren. Sie sehen, meine Damen und Herren: Links wirkt!
(Beifall bei der LINKEN)
Ihre angekündigten Verbesserungen reichen aber bei weitem nicht aus; denn die Vergütungen der Therapeutinnen und Therapeuten müssen schnell auf das Niveau der Einkommen ihrer Kolleginnen und Kollegen in den Krankenhäusern steigen. Diese verdienen nämlich sage und schreibe bis zu 1 000 Euro mehr. Wir fordern deshalb die sofortige Erhöhung der Vergütung für Therapeutinnen und Therapeuten um 30 Prozent.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Die Vergütungen müssen bundeseinheitlich sein, und zwar auf dem Niveau der jeweils höchsten Sätze. Sie dürfen aber – das geht auch in Richtung der Grünen – nicht bei der Vergütung der Selbstständigen haltmachen. Besonders wichtig ist uns – deswegen haben wir dazu einen Antrag eingebracht –: Auch die in den Praxen angestellten Therapeutinnen und Therapeuten müssen so viel bekommen wie ihre tariflich bezahlten Kolleginnen und Kollegen in den Krankenhäusern.
(Beifall bei der LINKEN)
Herr Minister, Ihre vollmundige Ankündigung, das Schulgeld abzuschaffen, haben Sie nicht eingelöst. Ich fordere Sie auf: Setzen Sie diese Ankündigung endlich um!
(Beifall bei der LINKEN)
Auch der Zugang zu Heilmitteln, zum Beispiel zu Physiotherapie, darf nicht vom Geldbeutel und auch nicht vom Wohnort abhängen.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Ungleichheit in der Gesundheitsversorgung muss beseitigt werden. Auf gar keinen Fall dürfen neue Hürden aufgebaut werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Sie wollen einen gestuften und gesteuerten Zugang zur Psychotherapie. Wir und viele Expertinnen und Experten, aber vor allen Dingen auch viele Betroffene – das dürfen Sie nicht vergessen –, fürchten, dass dadurch neue Hürden entstehen, egal ob Sie das wollen oder nicht. Wir aber brauchen einen besseren und leichteren Zugang für die betroffenen Menschen. Deshalb werden wir mit einem Änderungsantrag versuchen, den Direktzugang zu erhalten. Ich bitte Sie dafür um Ihre Unterstützung.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der LINKEN)
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Dr. Kirsten Kappert-Gonther das Wort.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7307175 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 71 |
Tagesordnungspunkt | Terminservice- und Versorgungsgesetz |