Bettina MüllerSPD - Terminservice- und Versorgungsgesetz
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ein Teil der Ärzteschaft schlägt derzeit schrille Töne an: Staatsdirigismus, Degradierung Niedergelassener zu Scheinselbstständigen, Beleidigung der Würde eines ganzen Berufsstandes. – Wer uns so heftig Einmischung in die Selbstorganisation der Ärzte vorwirft, den frage ich: Wo bleibt die Perspektive der Patientinnen und Patienten?
(Beifall bei der SPD)
Damit habe ich es als Kommunalpolitikerin in einem sehr ländlichen Wahlkreis in Hessen regelmäßig zu tun. Die Menschen machen sich Sorgen um die ärztliche Versorgung oder haben schon Probleme, zum nächsten Arzt zu kommen. Jeder Dritte der rund 4 000 Hausärzte in Hessen ist 60 Jahre oder älter. Ein Drittel der Ärzte wird in den nächsten zehn Jahren die Praxis schließen. Nur jeder Zweite wird einen Nachfolger finden. Die meisten Fachärzte sind sowieso in der Großstadt Frankfurt und Umgebung angesiedelt.
Deshalb wollen wir mit dem TSVG die Versorgung gerade in den ländlichen und strukturschwachen Gebieten verbessern. Wir verpflichten die KV zu Eigeneinrichtungen und Sicherstellungszuschlägen dort, wo Unterversorgung droht. Wir erweitern den Strukturfonds und machen mobile und telemedizinische Behandlungen möglich. Auf dem Land, wo Ärzte häufig Hausbesuche bei älteren Patienten machen, ist durch dieses Gesetz jetzt auch der Regress kein Thema mehr.
(Beifall bei der SPD)
Die Einzelpraxis auf dem Land ist für viele Ärzte nicht mehr attraktiv. Deshalb sind MVZs eine sinnvolle Ergänzung der Versorgung. So kann man als junger Arzt auch einmal den Schritt aufs Land wagen, ohne sich als Einzelkämpfer bis zur Rente zu verpflichten. Hier sollte zwischen den Versorgungsformen kein Stellungskrieg geführt werden, sondern es sollte zusammengearbeitet werden. Mit lokalen Gesundheitszentren beispielsweise können wir hier viel erreichen.
Die Länder werden bei der ärztlichen Versorgung vor Ort ein Wort mitreden und natürlich auch in der Pflicht sein. Sie können Gebiete von Zulassungsbeschränkungen befreien, damit die Menschen im ländlichen Teil eines Bedarfsplanungsbezirks nicht das Nachsehen haben, wenn viele Ärzte in die Stadt abwandern.
Einige KVen empfinden das vielleicht als Einmischung in die Selbstverwaltung. Aber wir sind inzwischen ja schon so weit, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass beispielsweise die KV Hessen im Dezember 2017 die Politik ausdrücklich um Unterstützung gebeten hat, weil sie die Versorgung in einigen Bereichen nicht mehr sicherstellen kann. Politik sollte nicht alles regulieren – das ist ein Grundsatz erfolgreicher Selbstverwaltung –, aber wir müssen dort eingreifen, wo dieses System an seine Grenzen stößt.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Karin Maag [CDU/CSU])
Längere Öffnungszeiten, offene Sprechstunden, eine Terminhotline und auch mehr Geld für Ärzte, die mehr Patienten behandeln wollen, sind unser Sofortprogramm für die Versorgung gesetzlich Versicherter. Mit der Kommission für ein Vergütungssystem und der Arbeitsgruppe von Bund und Ländern zur sektorenübergreifenden Versorgung schaffen wir die Grundlage für weitere Weichenstellungen.
Einen wichtigen Hinweis, wie wir unser gutes Gesundheitssystem zukunftsfest machen können, hat der jüngste OECD-Bericht geliefert: Bei der Arztdichte und den Ausgaben für unser Gesundheitssystem liegen wir ganz weit vorne, aber die häufigen Besuche bei teuren Spezialisten machen uns nicht gesünder. Gleichzeitig herrscht – auch das ist festgestellt worden – akute Knappheit beim nichtärztlichen Personal. Wir brauchen hier unbedingt eine bessere Zusammenarbeit der verschiedenen Gesundheitsberufe.
(Beifall bei der SPD)
Wir werden daher im Verfahren noch Regelungen zu den Heilmittelerbringern ergänzen, zum Beispiel die Blankoverordnung als Regelverordnung. Das stärkt die Therapieberufe und verbessert die Versorgung im ländlichen Raum, auch wenn wir hier aus meiner Sicht langfristig einen Direktzugang anstreben sollten.
Ich freue mich, liebe Kolleginnen und Kollegen, auf die Beratung. Eine schöne Weihnachtszeit!
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Der letzte Redner in dieser Debatte ist Alexander Krauß für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7307189 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 71 |
Tagesordnungspunkt | Terminservice- und Versorgungsgesetz |