13.12.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 71 / Tagesordnungspunkt 6

Michael SchrodiSPD - Kinderweihnachtsgeld

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Meine sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Weihnachten und die Adventszeit sind für Kinder eine wunderbare Zeit. Das sehe ich an meinen beiden Kindern, 4 und 7 Jahre alt. Die freuen sich jeden Tag, wenn sie ein Türchen im Kalender aufmachen können, und die sagen einen im Advent immer beliebten Kinderreim auf – den kennen Sie auch –: „Advent, Advent, ein Lichtlein brennt. Erst eins, dann zwei …“ Am Schluss heißt es dann: „Und wenn das fünfte Lichtlein brennt, dann hast du Weihnachten verpennt.“

Auf dem Adventskranz der Linken brennen inzwischen 55 Kerzen; denn der Antrag, den Sie einbringen, stammt vom 22. November 2017. Die Linke hat also nicht nur eine Woche, sondern über ein ganzes Jahr verpennt, was hier in diesem Hohen Haus beschlossen wurde.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: So ein Quatsch!)

In diesem Jahr haben wir zahlreiche Gesetze verabschiedet und auf den Weg gebracht, die Kinder und Familien konkret helfen. Das sollten Sie mal zur Kenntnis nehmen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Wir lehnen den Antrag aus mehreren Gründen ab. Erstens. Sie setzen den falschen Hebel an. Kindergeld und Freibetrag sollen das Existenzminimum steuerlich freistellen; das ist an Weihnachten nicht anders als zu anderen Zeiten. Zweitens. Ihr Vorschlag sieht eine Einmalzahlung in Höhe von 97 Euro vor. Dazu sagt selbst der Kinderschutzbund: Das ist kein großer Beitrag zur Bekämpfung der Kinderarmut.

(Norbert Müller [Potsdam] [DIE LINKE]: Aber es ist ein Beitrag!)

Drittens. Die von uns beschlossenen und auf den Weg gebrachten Gesetze unterstützen und entlasten Kinder und Familien weitaus mehr, als das Ihr Antrag tut.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Zum Beispiel bringt das Familienentlastungsgesetz ab Mitte 2019 eine Entlastung von 10 Euro pro Monat. Das sind im Jahr dann nicht, wie bei Ihnen, 97 Euro, sondern 120 Euro mehr in der Tasche.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Kersten Steinke [DIE LINKE]: Dann haben sie aber dieses Jahr Weihnachten nichts davon!)

Im Starke-Familien-Gesetz, das wir auf den Weg bringen, werden wir gerade Familien in der Grundsicherung und mit kleinem Einkommen entlasten, zum Beispiel mit kostenlosem Mittagessen, kostenlosem Bus- und Bahnticket, und wir werden den Kinderzuschlag auf 185 Euro im Monat erhöhen. Wir wollen das vereinfachen. Das kommt dann bei denen in der Grundsicherung an. Auch da tun wir was – und mehr als das, was Sie tun, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Dazu kommen auch weitere Leistungen. Ich will nur das Baukindergeld und die Förderung des sozialen Wohnungsbaus zur Schaffung von mehr bezahlbarem Wohnraum für Familien erwähnen.

Eines sei Ihnen auch noch gesagt: In den sozialen Arbeitsmarkt, um den wir lange gekämpft haben, werden wir bis 2021  4 Milliarden Euro investieren, um reguläre, ordentlich bezahlte Arbeitsplätze für Langzeitarbeitslose zu schaffen. Wir wissen, dass Arbeitslosigkeit ein Armutsrisiko für Kinder ist. Deshalb ist das ein wichtiger Beitrag, um etwas für Kinder, die in Armut leben, zu tun und sie da herauszuholen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch das ist sozialdemokratische Arbeitsmarktpolitik.

(Beifall bei der SPD)

In Ihrem Antrag schreiben Sie übrigens ganz richtig: Nur „etwas mehr als die Hälfte aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten“ erhält Weihnachtsgeld. Um das mal zu aktualisieren: Die Hans-Böckler-Stiftung schreibt unter dem Titel „Froheres Fest dank Tarif“:

Von den Beschäftigten mit Tarifvertrag erhalten 77  Prozent ein Extra zum Jahresende, ohne Tarifvertrag sind es lediglich 42 Prozent.

Wir müssen dabei aber auch zwischen Männern und Frauen unterscheiden. 57 Prozent der Männer und 49 Prozent der Frauen bekommen Weihnachtsgeld. Das heißt für uns: a) Es lohnt es sich, sich gewerkschaftlich zu organisieren. b) Es zeigt sich, wie wichtig die Tarifbindung und die Stärkung der Tarifbindung sind. c) Es ist es auch unsere Aufgabe gerade bei öffentlichen Aufträgen, mit gutem Beispiel voranzugehen.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Kinder sollen sich gewerkschaftlich organisieren, oder wie soll ich das verstehen? Hallo?)

Deswegen muss es in allen Bundesländern ein Tariftreuegesetz geben, damit bei öffentlichen Aufträgen Tarifverträge eingehalten werden. Da sollten der Freistaat Sachsen und der Freistaat Bayern nachziehen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Die Linke verliert sich in ihrem Antrag wieder in ganz kleinem Karo. Sie haben einen Ansatz; wir machen viel mehr. Sie wollen immer nur auf Hartz IV hinaus und bohren dort immer wieder. Wir machen aber mehr.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sie wollen nur etwas für die Mittelschicht tun und nichts für das Prekariat!)

Es wird in den nächsten Jahren darum gehen, den Sozialstaat der Zukunft zu entwickeln und das Sozialstaatsversprechen und übrigens auch das Versprechen von gutem Lohn für gute Arbeit zu erneuern und auszubauen.

Mir gefällt das Bild von Norbert Walter-Borjans, den ich zitieren darf, ganz gut. Er sagte:

Deutschland galt wirtschaftlich als der kranke Mann Europas. Er hatte quasi Grippe. Deshalb ist ihm ein Grippemittel verordnet worden. Es hat gewirkt. Aber ist das eine Begründung dafür, zwanzig Jahre später immer noch das gleiche Grippemittel in der gleichen Dosierung zu verabreichen wie damals? Stattdessen sollten wir unvoreingenommen auf die Risiken und Nebenwirkungen blicken.

(Kersten Steinke [DIE LINKE]: Beim Kinderweihnachtsgeld!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, natürlich tun wir das. Die Nebenwirkungen bestehen darin, dass es immer mehr prekäre Beschäftigung gegeben hat. Wir müssen in diesem Zusammenhang auch darüber diskutieren, wie wir Einkommens- und Vermögensungleichheit in Zukunft verringern und wie wir 2 Millionen Kinder, die in Bedarfsgemeinschaften leben, aus der Armut herausholen. Das tun wir übrigens, und es würde mich freuen, wenn Sie sich daran beteiligen. Unsere Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles hat deutlich gemacht, dass wir eine eigenständige Kindergrundsicherung brauchen, die Kinder aus der Sozialhilfe holt und Teilhabe schafft.

Das sind die Zukunftsdebatten, die wir hier führen wollen. Wir wollen eine Stärkung der gesetzlichen Sicherungssysteme und mehr Verteilungsgerechtigkeit; denn starke Schultern können mehr tragen und sollten das auch tun.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das ist ja eine Oppositionsrede!)

– Nein, wir tun das. Wir tun das jetzt im Kleinen und diskutieren genau diese Frage im Großen. Sie sind herzlich eingeladen, sich daran zu beteiligen.

(Beifall bei der SPD)

Das gilt auch für die Frage der Verteilungsgerechtigkeit. Vor uns liegt die Reform der Grundsteuer. Dabei wird es genau diese Debatte auch geben. Die Grundsteuer sichert nämlich die finanzielle Ausstattung der Kommunen, also der Schulen und Kindergärten und damit den familiären Zusammenhalt. Wir werden dabei aber auch darauf achten müssen, dass die Grundstückseigentümer, die große Wertsteigerungen in den letzten Jahren und Jahrzehnten verzeichnen konnten, mehr zur Finanzierung von Schulen und Schwimmbädern oder Bibliotheken beitragen als weniger leistungsstarke Menschen.

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Das ist aber nicht im Gesetz! Das ist aber nicht die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts!)

Verteilungsgerechtigkeit ist eben komplexer als solch ein besinnlicher Adventsantrag. Ich lade Sie ein, diese Debatte mit uns zu führen. Aber Ihr Antrag ist in diesem Sinne nicht zielführend.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Ihre Argumentation war jetzt auch nicht zielführend!)

Das Wort hat der Abgeordnete Albrecht Glaser für die AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7307193
Wahlperiode 19
Sitzung 71
Tagesordnungspunkt Kinderweihnachtsgeld
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