13.12.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 71 / Zusatzpunkt 10

Katrin Helling-PlahrFDP - Aktuelle Stunde - Abschaffung des § 218 StGB

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Aktuelle Stunden können verlangt werden, um Themen von allgemeinem, aktuellem Interesse zu debattieren. Solche Themen betreffen regelmäßig das Verhalten der Bundeskanzlerin oder der Bundesregierung, oder es geht auch um Einsätze unserer Truppen im Ausland. Für die AfD gibt es diese Woche offenbar nichts Wichtigeres als einen Beschluss des Bundeskongresses der Jungsozialisten.

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Hört! Hört!)

Nun habe ich mich selbst jahrelang intensiv in einer politischen Jugendorganisation, bei den Jungen Liberalen, engagiert. Die Arbeit, die dort geleistet wird, ist ohne Zweifel von hoher Bedeutung und immenser Wichtigkeit. Dass sich nun der Bundestag mit einem Beschluss des Juso-Bundeskongresses befassen soll, ist aber doch ein bisschen viel des Guten. Und, sehr geehrte Damen und Herren von der AfD, ich will lieber gar nicht wissen, was die Junge Alternative auf ihren Kongressen alles so beschließt.

(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Niemand will das wissen!)

Offenbar jedenfalls Sprengstoff genug, um den Verfassungsschutz in einigen Ländern auf den Plan zu rufen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Aber nun zur inhaltlichen Fragestellung:

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Das Bundesverfassungsgericht hat wie folgt ausgeführt:

Das sich im Mutterleib entwickelnde Leben steht als selbständiges Rechtsgut unter dem Schutz der Verfassung (Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 1 Abs. 1 GG). Die Schutzpflicht des Staates verbietet nicht nur unmittelbare staatliche Eingriffe in das sich entwickelnde Leben, sondern gebietet dem Staat auch, sich schützend und fördernd vor dieses Leben zu stellen.

Die Forderung der Jusos ist mithin offensichtlich verfassungswidrig und dementsprechend eigentlich gar nicht diskussionswürdig.

(Jürgen Braun [AfD]: Ach!)

Im Übrigen wäre es zunächst einmal vornehmste Aufgabe der Jusos gewesen, ihre Mutterpartei anzutreiben. Liebe Jusos, mit etwas weniger radikalen Forderungen wäre es euch vielleicht auch gelungen, eure Mutterpartei davon zu überzeugen, bei § 219a StGB den Rücken geradezumachen und sich nicht von der CDU ins Bockshorn jagen zu lassen.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Der langersehnte GroKo-Kompromiss schafft nun leider nur eine Scheinlösung. Denn so falsch die Forderungen der Jusos sind, so wichtig ist es, dass Frauen ein umfassendes sachliches, auch ärztliches Informationsangebot erhalten, wenn sie eine Abtreibung in Betracht ziehen. Denn bei dem ethisch so bedeutsamen Thema Abtreibung geht es gerade auch um das Thema Selbstbestimmungsrecht der Frau.

Deutsche Frauen haben bereits in den 70er-Jahren erstritten, dass Schwangerschaftsabbrüche nicht in die Hände von Engelmacherinnen in Hinterzimmern gehören.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Noch heute sind unter medizinisch schlechten Bedingungen durchgeführte Abbrüche eine der häufigsten Todesursachen für Frauen weltweit. Ich behaupte: Keine Frau hat sich je und wird sich eine Entscheidung gegen das ungeborene Leben in ihrem Bauch leicht machen.

(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir eines nicht brauchen, liebe AfD, dann ist es die gesellschaftliche Rolle rückwärts, zurück ins Mittelalter.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Armin-Paulus Hampel [AfD]: Unglaublich! Zum Thema! Sie drücken sich um eine Stellungnahme!)

Es ist gut und wichtig, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der offen über Sexualität und auch Verhütung gesprochen wird – auch um einer späteren Abtreibung vorzubeugen.

(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Armin-Paulus Hampel [AfD]: Peinlich! Peinlich!)

Da nutzt es nichts, sehr geehrte Damen und Herren von der AfD, dass Sie im Kampf gegen von Ihnen zu Wahlkampfzwecken erfundene angebliche Frühsexualisierung die frühzeitige Aufklärung unserer Kinder unterbinden wollen.

(Beifall bei der FDP, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da nutzt es nichts, wenn Ihre Jugendorganisation seriöse Kampagnen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Kondome zu benutzen, skandalisiert. Aber der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, so war der Presseberichterstattung ja auch zu entnehmen, dass Frau von Storch die Wirksamkeit von Kondomen angezweifelt hat.

(Heiterkeit bei der FDP und der SPD – Beifall des Abg. Grigorios Aggelidis [FDP])

Es fragt sich, ob sie dafür eigentlich einen goldenen ­Aluhut erhalten hat.

Abschließend: In der ethisch bedeutsamen Abtreibungsthematik brauchen wir einen breit getragenen gesellschaftlichen Konsens. Den haben wir – von Regelungsbedarf rund um § 219a StGB abgesehen – erreicht.

(Jürgen Braun [AfD]: Unterirdisch! – ­Armin-Paulus Hampel [AfD]: Schämen sollten Sie sich!)

Es braucht Zeit, und wir haben eine Lösung, die sowohl den Lebensschutz als auch das Selbstbestimmungsrecht berücksichtigt. Aufgeregte Schaufensterdiskussionen,

(Zuruf von der AfD: Läppisch dummes Getue!)

wie Sie sie hier heute veranstalten, nützen niemandem und werden dem Thema nicht gerecht.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Armin-Paulus Hampel [AfD]: Schämen Sie sich!)

Nächster Redner ist Dr. Karl Lauterbach für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7307247
Wahlperiode 19
Sitzung 71
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde - Abschaffung des § 218 StGB
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