13.12.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 71 / Zusatzpunkt 10

Karl LauterbachSPD - Aktuelle Stunde - Abschaffung des § 218 StGB

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich feststellen: Die Debatte, die wir hier führen, betrifft ein wichtiges ethisches Thema, aber die Sprache, in der sie seitens der AfD geführt wird, ist schockierend, nicht angemessen und ein Tiefpunkt der Debattenkultur.

(Beifall bei der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – ­Armin-Paulus Hampel [AfD]: Sagen Sie das Ihren Jusos!)

Sie werfen alles durcheinander.

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Sagen Sie das Ihren Jungsozialisten!)

Sie machen keinen Unterschied zwischen einem Fötus, einem Baby und einem Kind. Sie machen keinen Unterschied.

(Zurufe von der AfD)

Bevor das Kind geboren ist, ist es ein Fötus. Es macht einen Unterschied, ob ein Kind oder ein Fötus abgetrieben wird.

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Unglaublich! Das sagen Sie als Arzt! Peinlicher geht es doch gar nicht!)

Nicht jede Tötung ist ein Mord. Die Art und Weise, wie Sie die Debatte hier führen, vergiftet jede ethische Debatte, eine ethische Debatte, wie wir sie hier im Haus dringend benötigen.

(Beifall bei der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass ausgerechnet die AfD sich darüber Sorgen macht, dass die Jusos auf dem Boden des Grundgesetzes stehen.

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Sie haben einen Eid geleistet! Unerhört!)

Das ist ein Hohn. Es hat doch keine Jugendorganisation von Parteien dieses Parlaments mehr Probleme mit dem Grundgesetz als Ihre Jugendorganisation.

(Beifall bei der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Hintergrund der Debatte ist doch § 219a. Bei § 219a ist meine Position als Arzt ganz simpel.

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Es geht um Ihre Jusos, es geht nicht um 219! Nicht um Werbung, um Mord!)

Selbstverständlich ist es richtig, dass wir Ärzte über Eingriffe, die wir legal durchführen können, auch informieren dürfen. Das ist eine Selbstverständlichkeit, eine Klarheit.

(Beifall bei der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist genauso selbstverständlich, dass wir für solche Eingriffe nicht werben dürfen. Wir dürfen für keinen unserer Eingriffe werben. Wir sind keine Kaufleute. Wir sind Ärzte. Daher ist es auch falsch, zu sagen: Das ist eine Gewissensentscheidung. – Ich brauche mein Gewissen nicht zu konsultieren, um zu wissen, dass ein legaler Eingriff durch einen Arzt auch der Information durch den Arzt bedarf. Das ist eine Selbstverständlichkeit.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Es ist daher auch ein guter Kompromiss. Wir stellen Informationen zur Verfügung, wir stellen sie durch die Ärztekammer und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zur Verfügung.

(Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])

Das heißt, das Informationsangebot wird besser.

(Zuruf der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE])

Das Ergebnis ist, dass wir mehr Informationen haben und keine Werbung. Das ist genau das, was wir benötigen. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung.

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Nehmen Sie Stellung zu Ihrem Juso-Beschluss und nicht zu § 219a! Sie Drückeberger!)

– Ich komme jetzt zu Ihrer Hetze, keine Sorge.

Bei § 218 ist es in der Tat eine Ethikentscheidung. Das ist eine Gewissensentscheidung. Sie haben gezeigt, wie man diese Debatte hier nicht führen sollte.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Armin-Paulus Hampel [AfD]: Ah!)

Was hier passiert, ist doch ganz einfach: Die von Ihnen bekannte allgemeine Hetze gegen Flüchtlinge wird jetzt ausgedehnt auf eine Hetze gegen schwangere Frauen. Das ist doch, was hier abgeht.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der AfD – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Das ist das Letzte! – Jürgen Braun [AfD]: Das ist eine Zumutung!)

Ich bin ebenfalls im Inhalt nicht der Meinung des Jusos-Antrags. Als Arzt sage ich: Abtreibung im achten Monat ohne medizinische Indikation würde ich persönlich ablehnen. Trotzdem ist das Anliegen der Jusos ein nobles Anliegen.

(Lachen bei der AfD – Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Jetzt ist aber gut!)

– Ja, es ist ein nobles Anliegen. – Worum geht es denn? Die Jusos wollen verhindern, dass Frauen kriminalisiert werden, an den Pranger gestellt werden, mit dieser Entscheidung alleingelassen werden,

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Entscheidungen, die durch Männer mit verursacht werden, wahrscheinlich auch durch Mitglieder Ihrer Fraktion.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Wir müssen diese Debatte ohne Polemik führen. Wir brauchen eine Debatte, die den ethischen Charakter würdigt. Bei § 219a haben wir eine gute Lösung: Werbung nein, Information ja.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Wir sind bei § 218!)

Wir müssen aber vorsichtig sein, dass wir nicht auf ein Niveau herabrutschen, wo ethische Debatten im Bundestag unmöglich werden durch eine Verhetzung von Menschen und insbesondere durch die Verhetzung von Frauen.

Frauen an den Pranger zu stellen, ist unwürdig.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Jede Frau macht sich diese Entscheidung schwer, und die Zahl der Abtreibungen ist seit 1995 um 25 Prozent zurückgegangen.

(Jürgen Braun [AfD]: Was sind Sie denn für ein furchtbarer Mediziner?)

Ich kenne keine Frau, die sich diese Entscheidung leicht macht.

(Zuruf von der AfD: Darum geht es hier nicht! Hier geht es um das Kind! Interessiert Sie das überhaupt?)

Sie tun hier, als wenn es eine Entscheidung wäre, die mit Mord und Totschlag gleichzusetzen ist. Das ist schäbig, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat die Abgeordnete Cornelia Möhring für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7307248
Wahlperiode 19
Sitzung 71
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde - Abschaffung des § 218 StGB
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