Cornelia MöhringDIE LINKE - Aktuelle Stunde - Abschaffung des § 218 StGB
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das grenzt ja an Absurdistan. Hier werden kranke Zerstückelungsfantasien zum Besten gegeben. Sie, Frau Winkelmeier-Becker, machen aus einer Debatte, in der es um etwas völlig anderes geht, eine ethische Debatte zur Spätabtreibung und zucken nicht mal, wenn Sie nur Beifall von der AfD bekommen. Das erschüttert mich wirklich.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich finde, diese Debatte ist echt eine Farce.
Der Beschluss der Jusos ist eigentlich so, dass er hier verabschiedet werden sollte.
(Beifall bei der LINKEN – Lachen bei der AfD)
Ich zitiere einmal: Dort steht, dass „die aktuellen gesetzlichen Regelungen in den §§ 218 ff. und §§ 219 ff. StGB zu rechtlicher Unsicherheit, Kriminalisierung und gesellschaftlicher Stigmatisierung nicht nur für (ungewollt) Schwangere, sondern eben auch für Ärzt*innen“ führen. Zitat Ende. Dann wird in dem besagten Beschluss skizziert, welche Folgen dieser Zustand hat, und die Streichung beider Paragrafen aus dem Strafgesetzbuch gefordert. Völlig richtig! Von Abbrüchen bis zum neunten Schwangerschaftsmonat steht da kein Ton drin,
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
das ist wirklich Ihrer voll kranken Fantasie entsprungen.
(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Warum haben dann die jungen Sozialdemokraten genau so argumentiert?)
Die AfD meint jetzt, die Aktuelle Stunde nutzen zu müssen, um davor zu warnen, dass bald womöglich schwangere Frauen im achten Monat plötzlich feststellen: Ach, ich will jetzt keine weiteren Wochen schwanger sein, ich mache mal eine Spätabtreibung. – Das ist doch Schwachsinn!
(Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Meine Güte, welche Frau würde das tun! Und welcher Arzt, welche Ärztin würde das zulassen! Das ist völlig irre.
Aber es war zu erwarten, dass wir von der AfD hier solche Aktuellen Stunden beschert kriegen. Das rechte und rückschrittliche Frauenbild geht nun mal von der Vorstellung aus, dass Frauen ohne Pflichtberatung und ohne willkürlich festgelegte Fristen nicht selber entscheiden können, ob sie ein Kind wollen oder nicht – eine Vorstellung, die meint, dass Frauen nicht in der Lage sind, selbst einzuschätzen, wann sie medizinischen Rat brauchen und oder nicht.
Vermutlich ist es leider verschwendete Lebenszeit, erneut zu erklären, dass auch Frauen vernunftbegabte Wesen sind.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Armin-Paulus Hampel [AfD]: Bei einigen Exemplaren habe ich meine Zweifel! – Weiterer Zuruf von der AfD: Unglaublich!)
Das wollen aber leider die AfD und anscheinend auch große Teile der Union nicht verstehen.
Ich versuche es mal mit einem positiven Beispiel aus dem befreundeten Ausland: In Kanada gibt es die Haltung, dass auch Frauen Menschen sind, die nicht erst durch überwiegend von Männern gemachte Gesetze vor sich selbst geschützt werden müssen. Dort gilt: Schwangerschaftsabbrüche sind einfach eine ärztliche Leistung – ohne gesetzliche und erst recht ohne strafrechtliche Einschränkung. Die Folge: sinkende Abbruchraten, und die meisten Schwangerschaftsabbrüche werden bis zur zwölften Woche vorgenommen und mitnichten später.
Das interessiert aber unsere ideologisch verblendeten Hardliner wohl wenig, und es interessiert anscheinend auch nicht diejenigen, denen das Kindeswohl nur so lange am Herzen liegt, solange sie damit Kontrolle über weibliche Körper erlangen können.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Armin-Paulus Hampel [AfD]: Himmel, lass Hirn regnen!)
Ehrlich gestanden kann ich mir die Doppelmoral der Union anders nicht erklären. Sie verantworten, dass 2,4 Millionen Kinder in Armut leben; Sie verantworten, dass Familien über Kontinente getrennt sind und sich nicht wiedersehen können;
(Lachen bei Abgeordneten der AfD)
Sie verantworten, dass schwangere Frauen in Abschiebehaft genommen werden – ich finde, es ist pure Heuchelei, was Sie hier zum Lebensschutz erzählen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Eine weitere Farce, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, wäre es aber auch, wenn Sie all das mittragen und die Eckpunkte, die gestern zum Kompromiss vorgeschlagen wurden, stimmen. Denn dann wäre das kein Kompromiss, sondern vor allem der Beweis Ihrer eigenen Schwäche und Ihres Opportunismus. Angesichts dieses möglichen erneuten Versagens der SPD, Haltung zu zeigen, hilft dann auch der wirklich gute Beschluss der Jusos nicht. Denn das, was gestern Abend als Eckpunkte für die lange versprochene Lösung präsentiert wurde, ist schlechter als ein fauler Kompromiss, es ist eine volle Nullnummer.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Es ändert sich nichts, der § 219 bleibt im Strafgesetzbuch. Und als wäre der Union damit nicht schon ausreichend gedient, es werden sogar Geschenke für die selbsternannten „Lebensschützer“ aufgenommen, indem ihr Vokabular sogar übernommen wird.
Ich muss gestehen: Auch wenn das Verhalten der Ministerinnen jetzt keine so große Überraschung für mich war, hatte ich doch auf mehr Konsequenz von den Sozialdemokraten gehofft. Aber nun gut! Die Abschaffung des § 219a, die wir ja nachher noch mal diskutieren, hätte ein gemeinsamer Sieg hier sein können. Jetzt habt ihr euch anscheinend auf die falsche Seite gestellt. Ich sage aber: Die Linke gibt nicht auf. Wir wollen, dass Schwangerschaftsabbrüche nicht mehr im Strafgesetzbuch stehen.
Übrigens freue ich mich sehr, dass auch die Jugendorganisation der Linken, Solid, und der Studierendenverband SDS genauso gute Beschlüsse gefasst haben wie die Jusos.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)
Das Wort hat die Abgeordnete Ulle Schauws für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7307250 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 71 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde - Abschaffung des § 218 StGB |