Ingmar JungCDU/CSU - Aktuelle Stunde - Abschaffung des § 218 StGB
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich muss sagen: Als ehemaliger Landesvorsitzender der Jungen Union bin ich schon ein bisschen neidisch, dass es die Jusos geschafft haben, dass wir hier eine Aktuelle Stunde am Donnerstagmittag darauf verwenden, um über einen Beschluss des Juso-Bundeskongresses zu reden. Das Thema, um das es hier geht, ist ein wichtiges; damit müssen wir uns beschäftigen, und das tun wir auch dauernd. Aber ob es dabei unbedingt um Anträge der Jusos gehen muss, weiß ich nicht.
Die Jusos beschließen doch jedes Jahr, irgendetwas abzuschaffen: Einmal waren es die Noten, dann, 2016, wollten sie die Grenzen abschaffen. 2015 haben sie beschlossen, den Tatbestand der Staatsbeleidigung abzuschaffen – mit einem Antrag unter dem Titel „Ey, Deutschland, du mieses Stück Scheiße“. Das alles ist ein Stück weit untergegangen, weil es keiner so hochgehoben hat wie die AfD. Sie haben es geschafft, dass wir mitten im Bundestag über Juso-Anträge reden.
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Es geht um Kindermord!)
Ich kann nur sagen: Herzlichen Glückwunsch, Kevin Kühnert!
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Wenn man sich den Antrag genau anschaut – ich weiß nicht, wer das alles gemacht hat –,
(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wahrscheinlich die Wenigsten!)
dann stellt man fest, dass das echt schräg ist, was dort drinsteht. Er beginnt mit der Forderung, für ein Recht auf reproduktive Selbstbestimmung einzutreten. Aus dieser Überschrift kann man schon eine gewisse Zielrichtung ablesen. Dann beschäftigt man sich im gesamten Antragstext nur mit der einen Seite des Problems, nämlich mit der Selbstbestimmungsfrage. Das verfassungsrechtlich garantierte Recht auf Leben und die staatliche Schutzpflicht für das ungeborene Leben werden im ganzen Antrag mit keinem einzigen Wort erwähnt. Das macht diesen Antrag und diesen Beschluss auch so indiskutabel.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
Das sollte eigentlich gesellschaftlicher Konsens sein.
Es geht aber so weiter. Es werden einige Dinge gestreut, und dann hat man als großen Beweis eine Bundestagsdrucksache herangezogen, die die Meinung der Jusos bestätigen soll. Das klingt so offiziell, so formal, eine Bundestagsdrucksache! Wenn man sich diese Bundestagsdrucksache aber heraussucht, dann stellt man fest, dass es sich um einen Gesetzentwurf von 1991 von der damaligen Bundestagsgruppe der Grünen handelt. Darin erklären sie, dass es in der DDR zwar besser war als in der BRD, aber auch nicht gut genug, und legen einen Gesetzentwurf vor, in dem in § 1 ein Rechtsanspruch auf Schwangerschaftsabbruch konstituiert wird. Das ist diese formale Bundestagsdrucksache.
Der beste Vorschlag – im ironischen Sinne – ist dann, im weiteren Verlauf das Schwangerschaftskonfliktgesetz in Schwangerschaftsgesetz umzubenennen, weil es ja keinen Konflikt zwischen den widerstreitenden Rechtsgütern gibt. Das ist im Ergebnis alles schon ziemlich schräg.
Wenn man die Debatten, die wir in den letzten Wochen hier miteinander geführt haben, noch ein bisschen in Erinnerung hat, dann weiß man, dass eine solche Position weder irgendetwas mit dem gesellschaftlichen Konsens zu tun hat noch irgendetwas mit einer möglichen Verfassungsmäßigkeit und insofern eigentlich auch wirklich nicht ernst zu nehmen ist, hier im Parlament möglicherweise nur von der Linkspartei. Aber, wie wir spätestens seit gestern nach dem gemeinsamen Auftritt der Ministerinnen und Minister wissen, ist das doch auch keine Position, die von der SPD hier geteilt wird. Das wird niemand behaupten.
(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Da haben Sie bei Herrn Lauterbach nicht zugehört!)
Ich verstehe, Herr Kollege Lauterbach, dass Sie versuchen, die eigene Jugendorganisation zu schützen und deswegen ein bisschen drumrum argumentiert haben; das würden wir vielleicht auch so machen. Aber man muss doch sagen: Wir verschwenden hier wirklich viel Zeit auf einen Antrag der Jusos. Es wäre besser, wir könnten uns dem Problem sachgemäß, ordentlich und verantwortungsvoll widmen, meine Damen und Herren. Ob die SPD das anders sieht – da bin ich bester Dinge. Das werden wir, glaube ich, heute Abend in der Debatte um § 219a sehen. Deswegen gehe ich jetzt nicht weiter darauf ein, wir werden heute Abend noch über § 219a sprechen können.
Aber eines will ich noch sagen: Wenn man sich diesen Antrag und diesen Beschluss anschaut, dann erkennt man ein klassisches Muster. Es wird ein hochemotional besetztes Thema genommen, man nimmt eine plakative Überschrift, man geht bewusst über die Grenzen des Comment hinaus, provoziert noch ein bisschen, am Ende macht man ein paar Fake News hinein, wie mit dieser Bundestagsdrucksache – und wunderbar, es wird sich ein politischer Gegner finden, der am Ende darauf anspringt. Sie haben das gemacht. Wenn Sie mich fragen, ob das eine Art ist, Politik zu betreiben, die wir gutheißen sollten, dann meine ich: Nein. Dass aber ausgerechnet die AfD auf dieses Muster reinfällt, das ist wirklich erstaunlich und abenteuerlich. Nur sollten Sie sich das nächste Mal vielleicht ein anderes Thema suchen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der AfD: Ihre Kollegin war besser!)
Das Wort hat der Abgeordnete Martin Reichardt für die AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7307252 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 71 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde - Abschaffung des § 218 StGB |