Leni BreymaierSPD - Aktuelle Stunde - Abschaffung des § 218 StGB
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Herr Reichardt, auch wenn Sie Ihre kruden Argumente in den Saal brüllen, haben Sie nicht für 5 Cent mehr recht.
(Martin Reichardt [AfD]: Ich habe drei Kinder! Deswegen stehe ich hier!)
Das ist ja wirklich unerträglich.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Ich weiß auch gar nicht, wie es bei der AfD zugeht. Bei uns werden Anträge geschrieben, werden Konferenzen abgehalten. Die Jusos haben einen Beschluss gefasst. Dieser Beschluss wird dem SPD-Bundesparteitag vorgelegt; da wird er diskutiert werden, da gehört das hin. Ich weiß gar nicht, was dieses Thema heute hier verloren hat.
(Beifall der Abg. Dagmar Ziegler [SPD])
Aber den Herrn Kühnert wird es sicher freuen.
(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Zum Thema, Frau Kollegin!)
Ich gehe nicht leichtfertig mit dem Thema um, weil ich mich noch gut erinnern kann, wie wir Jahrzehnte um den Kompromiss des § 218 StGB gerungen haben, den wir heute haben. Wir haben ihn mühsam miteinander erstritten. Wenn man die Debatten heute und auch in den letzten Monaten verfolgt hat, kann man sich vorstellen, was das für eine Leistung war. Trotzdem sage ich: Natürlich hat jede Generation das Recht, solche gefundenen Kompromisse infrage zu stellen. Das ist eigentlich auch die Pflicht jeder Generation. Ich freue mich, dass die Jusos das im Kern tun und dass wir die Debatten noch einmal führen. Das ist mir allemal lieber als Junge Liberale, die mir ihrer rückwärtsgewandten, strukturellen Nähe zum Rechtsextremismus frauenfeindlich bis zum Abwinken sind. Deshalb freue ich mich, dass die Jusos vielleicht auch mal übers Ziel hinausschießen.
(Rudolf Henke [CDU/CSU]: Was? – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
– Junge Alternative. Entschuldigen Sie bitte ausdrücklich!
(Lachen bei der AfD – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Man sollte denken in seiner Rede! Hören Sie auf! Gehen Sie weg vom Pult! So was Dämliches! – Gegenruf der Abg. Dagmar Ziegler [SPD]: Ach, Herr Gauland! Lachen Sie nur!)
So ist es halt; ich meinte Sie. Aber ich habe ja sofort gemerkt, dass Sie sich angesprochen gefühlt haben.
(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Die reaktionären Liberalen! Ich wusste es doch!)
Ich finde, dass wir auch berücksichtigen sollten, dass wir es mit der Debatte um den § 218 StGB und seiner Beratungspflicht bundesweit und auch in Baden-Württemberg zusammen geschafft haben, dass wir inzwischen die historisch niedrigste Abbruchrate haben, die wir je hatten.
(Tino Chrupalla [AfD]: Was hat das damit zu tun? – Armin-Paulus Hampel [AfD]: Die Jusos werden das ändern! Da haben Sie recht!)
Insofern sollten wir das, was als Kompromiss gefunden wurde, nicht infrage stellen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Armin-Paulus Hampel [AfD]: Das muss doch umzudrehen sein, Frau Breymaier! – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Ja, wir schaffen das!)
Meine Kolleginnen und Kollegen, Ziel jeder Debatte über Abtreibungen muss es sein, dass Frauen selbstbestimmt entscheiden können, und jede Frau trifft ihre Entscheidung nicht leichtfertig, sondern verantwortungsbewusst. Wir wissen auch, dass die Anzahl der Abtreibungen in den unterschiedlichen Ländern nicht unbedingt davon abhängt, ob Straffreiheit vorherrscht oder nicht. Die Anzahl der Abtreibungen hängt davon ab, was Frauen für ihre Kinder an Rahmenbedingungen sehen.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Zu diesen Rahmenbedingungen gehören natürlich Dinge wie: Finde ich eine bezahlbare Wohnung für die größer werdende Familie? Gibt es eine anständige Kinderbetreuung? Das sind Dinge, an denen wir arbeiten.
Die Anzahl der Abtreibungen hängt auch davon ab, wie gut oder schlecht und wie flächendeckend die Sexualaufklärung an den Schulen ist und wie niedrigschwellig der Zugang zu Verhütungsmitteln. Darüber haben wir uns zu unterhalten und nicht über irgendwelche Fantasien, die Sie hier ausleben.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, Herr Gauland: Mit einer Partei, die es gerade einmal schafft, 10,6 Prozent Frauen in dieses Parlament zu schicken, rede ich nicht über eine so elementare Frauenfrage.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Doch! Gerade reden wir darüber! Sie merken ja, wie gut es ist, dass wir reden!)
Was mir noch wichtig ist und vielleicht dazu führt, dass die Anzahl der Abtreibungen auch bei uns sinkt, ist, dass sich die Männer nicht nur als Erzeuger sehen, sondern auch das Selbstverständnis haben, sich an der Sorgearbeit zu beteiligen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und der Abg. Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ich schließe mit dem Satz: Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, jedes Kind hat das Recht, erwünscht zu sein.
(Zuruf von der AfD: Recht auf Leben!)
Ich freue mich, die Debatte dort fortsetzen zu können, wo sie hingehört, nämlich beim SPD-Bundesparteitag. Da werden Sie leider nicht dabei sein.
(Dagmar Ziegler [SPD]: Gott sei Dank!)
Schönen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Das Wort hat Dr. Frauke Petry.
(Beifall des Abg. Mario Mieruch [fraktionslos])
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7307256 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 71 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde - Abschaffung des § 218 StGB |