13.12.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 71 / Zusatzpunkt 10

Sarah RyglewskiSPD - Aktuelle Stunde - Abschaffung des § 218 StGB

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss ganz ehrlich sagen: Jetzt, am Ende dieser Debatte, bin ich doch einigermaßen erschüttert, wie unwürdig sie teilweise gerade von denen geführt wurde,

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

die den Begriff „Lebensschutz“ im Munde geführt haben. Meine Damen und Herren von der AfD, das gilt für Sie im Besonderen. Ich sage Ihnen auch ganz genau, warum. Ich finde es wirklich erschütternd, welch unterschiedliche Maßstäbe Sie als AfD im Allgemeinen und ganz besonders Sie, Frau Storch, an das menschliche Leben anlegen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Auf der einen Seite wird von Ihnen das ungeborene menschliche Leben absolut gesetzt. Die Rechte von Frauen und die Auswirkungen, die eine ungewollte Schwangerschaft vielleicht auf ihr weiteres Leben hat, spielen bei Ihnen keine Rolle.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Auf der anderen Seite schweigen Sie zu vielen Tausend Menschen, die jedes Jahr im Mittelmeer ertrinken;

(Martin Reichardt [AfD]: Was hat denn das damit zu tun?)

auch das ist menschliches Leben.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Im besten Falle schweigen Sie dazu. Im schlimmsten Falle wird das von Ihnen noch begleitet mit einer Aussage nach dem Motto: Wer sich in Gefahr begibt, der kommt eben darin um. – Ich unterstelle einfach einmal, dass Sie da mit zweierlei Maß messen, weil es sich bei den einen um Menschen in Deutschland handelt und bei den anderen um Musliminnen und Muslime, und die haben ja bei Ihnen eh relativ wenig Rechte.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Frau Storch ist ja sogar der Meinung, dass man auf Frauen und Kinder, die die deutsche Grenze überschreiten wollen und die vor Not, Krieg und Vertreibung geflohen sind, schießen solle. So viel zum Thema Lebensschutz und zu den Maßstäben, mit denen Sie messen.

(Beifall bei der SPD – Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Kinder töten, ja? Kinder und Frauen!)

Kommen wir einmal zu der Grundlage, die diese Debatte ausgelöst hat. Das kann man gar nicht oft genug betonen; denn es ist einfach peinlich, was Sie sich da rausgegriffen haben. Ja, es gibt einen Beschluss der Jusos, §§ 218 und 219 zu streichen und in das Schwangerschaftskonfliktgesetz zu überführen. Darüber kann man streiten. Aber es gibt diesen Beschluss, und alles andere, was Sie hier ausgeführt haben, sind einfach Fake News.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der AfD: Blödsinn!)

Im Beschluss der Jusos steht nichts, aber auch gar nichts von Abtreibung im neunten Monat. Der Vorsitzende der Jusos, Kevin Kühnert, hat am 11. Dezember 2018 im „Handelsblatt“ – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin – gesagt:

Nichts dergleichen wollen wir, nichts dergleichen haben wir beschlossen.

(Beifall bei der SPD – Fabian Jacobi [AfD]: Sie können ja Ihre eigenen Beschlüsse nicht lesen!)

Klarer kann man es nicht formulieren.

Für mich gelten die Beschlusslage und die Aussagen des Vorsitzenden der Jusos. Dieser ist demokratisch gewählt. Die Beschlüsse sind demokratisch gefasst worden. So funktioniert das in der SPD. So funktioniert das auch bei den Jungsozialistinnen und Jungsozialisten. Wenn Sie das bei der AfD nicht kennen, kann ich Ihnen nicht weiterhelfen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Aber es gilt nicht Ihre Interpretation der Beschlusslage der Jusos. So viel zur dünnen Grundlage Ihrer Aktuellen Stunde.

Ich möchte einfach noch einmal darauf hinweisen, was die Auswirkungen der Art und Weise sind, wie Sie diese Debatte führen. Die Kollegin Kiziltepe hat mir gerade gesagt, dass die Jungsozialistin, die auf dem Bundeskongress dafür gesprochen hat, mittlerweile Morddrohungen bekommt. Da sind wir wieder beim Thema Lebensschutz. Man kann über dieses Thema streiten und über die Frage, wann Abtreibungen erlaubt sind und wie sie geregelt sind. Das ist eine zutiefst ethische Debatte, etwas, was unser persönliches Empfinden anrührt wie nichts anderes.

Es gibt aber auch Frauen – das muss man einfach einmal so deutlich sagen, Herr Hoffmann –, für die eine Schwangerschaft vielleicht nicht ein Geschenk ist, wie bei vielen anderen Frauen, die sich ein Kind wünschen, für die das eine Konfliktsituation bedeutet. Dann findet doch genau derselbe Abwägungsprozess statt, den wir hier immer im Parlament zu führen haben. Natürlich fragt sich eine Frau: Was für ein Empfinden habe ich gegenüber dem Kind, das in meinem Körper ist? Wie steht das im Verhältnis zu dem, was ich mir vielleicht für mein eigenes Leben in Zukunft wünsche? – Das ist ihr gutes Recht. Wir haben zum Glück reproduktive Selbstbestimmung in diesem Land; dafür haben wir lange gekämpft als Frauen und zum Glück auch mit vielen Männern. Natürlich stellt sich eine Frau auch die Frage – und das ist, finde ich, eine richtige Frage –: Bekomme ich Unterstützung, wenn ich ein Kind habe? Kann ich diesem Kind überhaupt etwas bieten? – Das ist der Konflikt, in dem diese Frauen sind und den sie am Ende immer mit sich alleine werden austragen müssen. Was wir brauchen, ist eine vernünftige Unterstützung für die Frauen, die in diese Konfliktsituation kommen.

Einen Satz noch zu § 219 a, und damit komme ich dann auch zum Schluss: Ich möchte nicht, dass Frauen während eines individuellen Entscheidungsprozesses vor einem Computer sitzen und Google konsultieren müssen und dabei möglicherweise auf die Seiten selbsternannter Lebensschützer kommen, die genau das machen, was Sie, Frau von Storch, am Anfang ausgeführt haben, nämlich zerstückelte Föten zeigen und Frauen, die abtreiben wollen, mit Mörderinnen gleichsetzen. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Das ist nicht das, was wir wollen.

Frau Kollegin.

Wir wollen, dass Frauen durch einen vernünftigen Informationsprozess zu einer guten Entscheidung für sich und das ungeborene Leben kommen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Letzter Redner in dieser Aktuellen Stunde ist der Kollege Rudolf Henke für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7307265
Wahlperiode 19
Sitzung 71
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde - Abschaffung des § 218 StGB
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