Maria Flachsbarth - 70 Jahre Allgemeine Erklärung der Menschenrechte
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte am 10. Dezember 1948 ist einer der wichtigen Ecksteine internationaler Politik. Sie war aber auch eine Reaktion auf die dunkelsten Kapitel in der deutschen Geschichte: auf die Gräuel des Zweiten Weltkrieges, auf die Nürnberger Gesetze, die Wannsee-Konferenz, auf die „Topographie des Terrors“, die wir in unmittelbarer Nähe unseres Ministeriums stets vor Augen haben.
„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“ Mit diesem Satz haben die Vereinten Nationen vor 70 Jahren jedem Menschen auf diesem Planeten, unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Religion oder sozialem Status, in einer Art Grundgesetz die gleichen Rechte und Freiheiten zugesichert. Alle Staaten sind mit ihrem UN-Beitritt die Verpflichtung eingegangen, den Menschenrechten in ihren nationalen Rechtssystemen volle Geltung zu verschaffen.
Es war die Vision von einer besseren Welt,
(Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: So war es!)
die im Dezember 1948 Delegationen aus allen Teilen der Welt unter der Leitung von Eleanor Roosevelt in Paris zusammenführte: einer Welt, in der alle Menschen in ihrer Würde als Individuen geschützt werden, einer Welt, in der Gleichheit und Gerechtigkeit als universelle Werte gelten.
Derzeit beobachten wir weltweit mit großer Sorge, dass die in der Erklärung festgeschriebenen menschenrechtlichen Normen zunehmend gefährdet oder infrage gestellt werden. In vielen Teilen auch der westlichen Welt nehmen Menschenrechtsverletzungen zu. Angesichts der Kriege in Syrien und im Jemen, der Situation der Frauen im Ostkongo, der Flüchtlinge in Nordlibyen oder der Versklavung von Kindern und Frauen durch islamistische Terrorgruppen oder Drogenkartelle in Lateinamerika kann wahrlich keine Rede davon sein, dass der Kampf um die Menschenrechte gewonnen wäre.
Ethnische und religiöse Minderheiten oder Menschen mit unterschiedlichster sexueller Identität sind immer noch in weiten Teilen der Welt Diskriminierungen, Repressalien, Gewalt und unwürdiger Behandlung ausgesetzt. Und nicht nur das: Man kann, wenn man auf die Zahlen schaut, mit Fug und Recht sagen: Keine Religion wird heute stärker verfolgt als das Christentum. Zugleich werden die Handlungsspielräume für die Zivilgesellschaft in vielen Ländern signifikant eingeschränkt.
Deshalb möchte ich an dieser Stelle heute unterstreichen: Für uns als Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ist deutsche Entwicklungspolitik primär Menschenrechtspolitik. Menschenrechte sind das Herzstück, aber auch der Rahmen der Agenda 2030, die für uns die Richtschnur unseres entwicklungspolitischen Handelns darstellt. Über 90 Prozent des dazugehörigen umfangreichen Zielkatalogs nehmen Bezug auf Menschenrechte und auf Arbeitnehmerrechte.
Jeden Tag bedeutet das für uns im BMZ: Wir wollen mit unseren Projekten dazu beitragen, dass Menschen überall auf dieser Welt in Würde und Freiheit leben können. Unsere Vorhaben sind daher so vielfältig und komplex wie die dahinterstehenden Herausforderungen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Gabriela Heinrich [SPD])
Die Bundesregierung unterstützt zum Beispiel den Afrikanischen Gerichtshof und die Afrikanische Kommission für Menschenrechte. Lassen Sie mich nur in einer Fußnote darauf hinweisen, dass der südafrikanische ANC bereits am 16. Dezember 1943 in seiner Erklärung „Africans’ Claims in South Africa“ die Gültigkeit der Menschenrechte auch für Afrika einforderte. Überlegen Sie mal, wo Europa an diesem Tag war!
Anfang nächsten Jahres, im Februar, werden wir im Rahmen des Marshallplans mit Afrika in Abidjan Mitgastgeber einer Konferenz zum Thema „Zugang zum Recht und Integrität der Gerichte“ sein. Wo immer möglich kooperieren wir mit nationalen Menschenrechtsinstitutionen, zum Beispiel in Mauretanien zur Förderung der öffentlichen Menschenrechtsdebatte, in Marokko, wo wir den Menschenrechtsrat beim Aufbau eines Menschenrechtsbildungszentrums unterstützen. In Bangladesch und auch in Lateinamerika unterstützen wir besonders von Diskriminierung und Marginalisierung betroffene Bürgerinnen und Bürger, unter anderem beim Zugang zum Rechtssystem. Die Bekämpfung von ausbeuterischer Kinderarbeit, Kinderhandel oder geschlechtsspezifischer Gewalt ist zum Beispiel in Burkina Faso ein weiterer Schwerpunkt unserer Arbeit.
Bei humanitären Katstrophen kommt dem Schutz der Schwachen oft die größte Bedeutung zu. Hier schätzen wir zum Beispiel die Zusammenarbeit mit Pionierorganisationen wie dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Aber wir wissen auch: Das Streben nach Menschenrechten bleibt ein gefährliches Unterfangen, gerade dort, wo sich Unrechtsregime festgesetzt haben. Deshalb ist eine informierte, eine aktive Öffentlichkeit für den Schutz des Individuums so unverzichtbar.
Hier möchten wir ganz besonders auf die Rolle von Menschenrechtsverteidigerinnen und -anwälten aufmerksam machen, die in vielen Ländern dieser Welt mit ihrem Einsatz für Menschenrechte Leib und Leben, auch das ihrer Familien, riskieren. Genau das Gleiche gilt für Journalistinnen und Journalisten, die Menschenrechtsverletzungen aufdecken, auch hier bei uns in Europa.
Ich möchte einen weiteren Punkt einführen: Das ist die Rolle der globalisierten Wirtschaft. Auch Unternehmen stehen in der Pflicht. Mit dem Nationalen Aktionsplan „Wirtschaft und Menschenrechte“ formuliert die Bundesregierung daher eine klare Erwartungshaltung an die Privatwirtschaft. Menschenrechte sind zu achten, und die gesamten Lieferketten sind so zu organisieren, dass sie menschenrechtlichen Standards genügen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wenn zum 70. Jubiläum der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte zweifellos große Fortschritte zu verzeichnen sind, so nehmen wir das Jubiläum in erster Linie auch zum Anlass, unser Bekenntnis zu den Menschenrechten zu bekräftigen. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte entstand in einem denkbar ungünstigen Klima, das von dem heraufziehenden Kalten Krieg stark überschattet war. Dennoch hat ihr Beharren auf die unveräußerlichen Rechte eines jeden Millionen Menschen Hoffnung und Mut gemacht und ihnen ihre Würde gegeben. Das sollte auch uns jetzt in Zeiten neuer internationaler Krisen und Entsolidarisierung Inspiration und Ansporn sein.
Danke schön.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Vielen Dank, Dr. Maria Flachsbarth. – Nächste Rednerin: Dr. Frauke Petry, fraktionslose Kollegin.
(Beifall des Abg. Mario Mieruch [fraktionslos])
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7307630 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 71 |
Tagesordnungspunkt | 70 Jahre Allgemeine Erklärung der Menschenrechte |