Wiebke EsdarSPD - Solidaritätszuschlag
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist Weihnachtszeit, Zeit für kleine Aufmerksamkeiten, Zeit für Geschenke an die Liebsten. AfD und FDP wollen in dieser Woche mit ihrem Antrag bzw. Gesetzentwurf große Wohltaten für Reiche verteilen. Ich frage, ob es dafür auch an der Zeit ist. Da sagen wir ganz klar Nein.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Ich möchte das mit einem Rechenbeispiel verdeutlichen: Die durchschnittliche Vergütung für einen Vorstandsvorsitzenden eines deutschen DAX-Konzerns betrug im letzten Jahr 7,4 Millionen Euro. Nehmen wir dieses Jahreseinkommen und streichen den Soli komplett, so wie Sie es vorschlagen haben, dann spart der Herr Konzernboss 180 000 Euro Solidaritätszuschlag jedes Jahr.
(Olav Gutting [CDU/CSU]: Ich dachte, die zahlen gar keine Steuern! – Pascal Meiser [DIE LINKE]: Hört! Hört!)
Das ist Ihr Weg zu mehr Steuergerechtigkeit. Ich sage ganz klar: Unser Weg ist es nicht.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN)
Ihr Ziel, Steuergeschenke an Topverdiener zu verteilen, lassen wir Ihnen und auch allen anderen Parteien in diesem Hause nicht durchgehen.
(Beatrix von Storch [AfD]: Linker Populismus!)
Darum ist es gut, dass die SPD regiert.
(Beifall bei der SPD)
Diese Diskussion um weniger Steuern für Spitzenverdiener ist meines Erachtens hier fehl am Platz, und ich werde Ihnen auch darlegen, warum:
Erstens. Viele sagen, in Zeiten von sprudelnden Steuereinnahmen gebiete es die Steuergerechtigkeit, die Menschen zu entlasten, die die höchsten Steuern zahlen, die Vermögenden, die Einkommensstarken.
(Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Die zahlen ja hohe Einkommensteuern!)
Ich halte Ihnen an dieser Stelle eine gerade am letzten Freitag veröffentlichte Studie des Deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung entgegen, die besagt, dass die Einkommensstarken seit Ende der 90er-Jahre bereits massiv entlastet worden sind. Ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin das DIW:
Der Solidaritätszuschlag wurde bei den Spitzenverdienenden seit 1998 schon zwei- bis dreimal abgeschafft.
Dagegen müssen einkommensschwächere Menschen heute einen deutlich höheren Anteil ihres Einkommens für Steuern entrichten, als es damals der Fall war. Wir sagen: Das ist ungerecht. Darum stärken wir als SPD die Geringverdienenden und die Mittelschicht.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Zweitens fordern Sie, man müsse die deutschen Unternehmen von Steuern befreien, damit sie im globalen Wettbewerb bestehen können. Dabei zeigen doch die aktuellen wirtschaftlichen Kennzahlen, dass die Gewinne der deutschen Unternehmen unverändert hoch sind, weil wir in den letzten zwei Jahrzehnten bereits die Unternehmensteuer gesenkt, die Vermögensteuer abgeschafft und die Erbschaftsteuer bei Unternehmensübertragungen quasi beseitigt haben.
(Pascal Meiser [DIE LINKE]: Schlimm, schlimm! – Kay Gottschalk [AfD]: Das hat die OECD empfohlen, Frau Kollegin!)
Darum brauchen die Unternehmen in unserem Land keine Steuersenkungen, schon gar nicht mit der Gießkanne, sondern eine gute Infrastruktur und gezielte Unterstützung, damit sie innovativ bleiben können. Da liegen die wahren Herausforderungen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD)
Und drittens meinen Sie, die Abschaffung des Soli und die damit verbundene Senkung der Einkommensteuer würde die Konsumnachfrage steigern. Das ist auch auf den ersten Blick nicht falsch, aber wie so oft lohnt es sich, ein zweites Mal genauer hinzusehen. Denn die guten, differenzierten Studien dazu zeigen sehr deutlich, dass eine Senkung der Einkommensteuer vor allem bei den Geringverdienenden und bei der Mittelschicht zu stärkerer Konsumnachfrage führt, bei den Spitzenverdienenden erhöhen Steuersenkungen vor allem die Sparquote. So ist es wirtschaftlich sinnvoll, Menschen mit einem eher geringeren Einkommen zu entlasten, mit dem Ziel, dass sich Arbeit wieder mehr lohnt.
(Beifall bei der SPD)
Genau das, meine Damen und Herren, haben wir als SPD mit der Union im Koalitionsvertrag festgeschrieben: Den Soli werden wir bis 2021 für 90 Prozent der Menschen, die ihn heute zahlen, abschaffen. Im Gegenwert von 10 Milliarden Euro werden wir damit diejenigen entlasten, die es im Portemonnaie spürbar bemerken werden.
(Beifall bei der SPD)
Ihr Konzept im vorgelegten Antrag, die Steuern per Gießkanne für die Reichen und Wohlhabenden zu senken,
(Katja Hessel [FDP]: Für Gießkannen seid ihr zuständig!)
wäre nichts anderes als ein Antrag gegen die Zukunftsfähigkeit Deutschlands. Mindestens 8 Milliarden Euro würden uns dann für Zukunftsinvestitionen in Bildung, Qualifizierung und Infrastruktur fehlen.
(Christian Dürr [FDP]: Das ist deutlich ein Aufruf zum Rechtsbruch, was Sie hier machen!)
Meine Damen und Herren, unser Staat hat wirklich andere Herausforderungen zu bewältigen, als sich um milliardenschwere Steuersenkungen für Millionäre zu sorgen.
(Kay Gottschalk [AfD]: Klassenkampf!)
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD – Kay Gottschalk [AfD]: Haben Sie das Skript von Frau Wagenknecht gehabt?)
Vielen Dank, Dr. Esdar. – Jetzt ist der nächste Redner dran, und zwar Stefan Keuter für die AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7307638 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 71 |
Tagesordnungspunkt | Solidaritätszuschlag |