13.12.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 71 / Tagesordnungspunkt 8

Lothar BindingSPD - Solidaritätszuschlag

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Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich das vorhin richtig verstanden habe, hat der Kollege Dürr die CDU-Fraktion zum Vertragsbruch aufgerufen.

(Christian Dürr [FDP]: Ja! – Antje Tillmann [CDU/CSU]: Ziemliche Frechheit!)

Das ist für eine Rechtsstaatspartei eine interessante Sache. Jetzt wundert mich auch nicht mehr, warum Sie Sorge hatten, mit der CDU/CSU einen Koalitionsvertrag zu schließen; denn Sie hätten diese gleichzeitig aufgefordert, diesen zu brechen.

(Christian Dürr [FDP]: Sie sollten sich an die Verfassung halten!)

Sie haben sich in die Falle zwischen „Appell folgen“ und „vertragstreu sein“ hineinbegeben. Es stellt sich die Frage, was schlimmer wäre. Das ist ein ganz schwieriges Terrain. Ich glaube, da muss man ein bisschen aufpassen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kubicki?

Nein, ich trage geschlossen vor. – Ich will noch etwas sagen: Dahinter verbirgt sich aber noch ein Gedanke, den ich ganz gefährlich finde: Der CDU-Parteitag habe das beschlossen. – Natürlich, Parteitage beschließen, was Fraktionen hier machen, wenn die Partei und die Fraktion hier allein die Mehrheit hat. Aber Sie sind ja gar nicht für eine Partei hier – und das ist der Unterschied –, sondern von einer Partei. Jedenfalls ist das das Grundverständnis der SPD: Wir sind von einer Partei hier, aber für alle Bürger.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen zählen unsere Parteitage nur so viel, wie sich hier im Koalitionsvertrag wiederfindet.

(Zuruf von der FDP: Ja!)

Das ist eine in sich konsistente Politik; und das sind auch ein fairer Umgang und Vertragstreue. Und wenn Sie das mit dem Begriff der Heuchelei verbinden, dann müssen Sie das einmal genauer erklären.

Seit 1995 gibt es einen Finanzierungsbedarf. Dieser ist auch begründet; das weiß jeder. Dieser wird durch den Soli gedeckt, und dieser Bedarf nimmt stetig ab. Deshalb wollen wir auch den Soli abschaffen, aber schrittweise. Und das ist auch verfassungsgemäß.

(Christian Dürr [FDP]: Schrittweise ist verfassungswidrig! – Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Das hört sich aber anders an!)

Und die Verfassungswidrigkeit stellt hier kein Redner fest, kein Gutachten und kein Antrag, sondern diese stellt das Bundesverfassungsgericht fest. Und darauf können Sie sich noch nicht berufen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Christian Dürr [FDP])

Und im Koalitionsvertrag – das haben wir schon gehört – –

(Zuruf von der FDP)

– Ich habe gesagt: schrittweise. – Aber ihn für 90 Prozent im ersten Schritt abzuschaffen, ist schon ein ziemlich großer Schritt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Er wird für 90 Prozent aller Solizahler abgeschafft; und die obersten 10 Prozent bezahlen das.

(Christian Dürr [FDP]: Das ist rechtswidrig!)

Nun sagen ja FDP und AfD, er solle vollständig abgeschafft werden, und sie begründen das damit, dass man den Armen, denjenigen mit kleinen und mittleren Einkommen, helfen wolle. Und jetzt frage ich, wie Sie auf diese Idee kommen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Es wurde eben von Lisa Paus schon vorgetragen, dass die kleinen und mittleren Einkommen überhaupt keinen Soli bezahlen.

(Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Was ist denn bei Ihnen ein kleines Einkommen?)

Die kleinen Einkommen bezahlen noch nicht einmal Einkommensteuer. Die kleinen Einkommen bezahlen also vorher nichts, und nach Ihrer großen Reform bezahlen sie wieder nichts, und deshalb haben sie davon nichts. Insofern ist das relativ einfach.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Und jetzt sagen Sie: Ja, aber wir wollen die mittleren Einkommen entlasten. – Dazu brauchen wir keinen Antrag; dass wir die mittleren Einkommen entlasten, steht in unserem Koalitionsvertrag. Denn die Bezieher mittlerer Einkommen sind sicher diejenigen, die innerhalb dieser 90-Prozent-Zone liegen. Oder wollen Sie sagen: Die obersten 10 Prozent sind schon die Mitte? – Also diese Mitte müssen Sie mir noch einmal erklären. Das ist jedenfalls nicht mein Verständnis von Mitte und daher für mich nicht ganz leicht zu verstehen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Christian Dürr [FDP]: Sie haben unseren Antrag doch abgelehnt! Wo waren Sie bei der Abstimmung?)

Also insofern: Die Entlastung für die reichen Leute wäre riesig. Aber Sie haben vielleicht auch ein bisschen recht, weil das schon ab 70 000 Euro greift. Und es gibt Arbeitnehmer, die mit ihrem letzten, vorletzten oder drittletzten Euro schon in dieser Progressionszone beim Spitzensteuersatz liegen werden. Aber für die ist das gar nicht so schlimm, weil nämlich die Belastung, die dort beginnt, klein ist.

(Michael Theurer [FDP]: Wo liegt denn das Durchschnittseinkommen des Arbeitnehmers?)

Aber – wir haben es schon gehört –: Wir als Abgeordnete profitieren davon sehr viel. Die Vorstände der DAX-Unternehmen profitieren davon sehr viel. Und ich finde, es ist in Ordnung, dafür zu kämpfen.

(Beifall bei der SPD)

Aber sagen Sie dies. Sagen Sie: „Wir machen für 10 Prozent der Reichsten Politik.“ Dann finde ich das in Ordnung und sage: Ja, die FDP sagt die Wahrheit. – Was heute passiert ist, war nicht die Wahrheit. Das ist völlig klar.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Zuruf des Abg. Christian Dürr [FDP])

Vorhin wurde noch gesagt, dass es mit den Anträgen so lange gedauert hätte. Das stimmt wirklich. Dafür gab es verschiedene Gründe. Ich will es einmal so sagen: Der erste Grund war natürlich die Bayern-Wahl. Aber es gibt noch einen viel wichtigeren Grund.

(Zuruf von der FDP: Hessen-Wahl!)

Der ganz wichtige Grund ist, dass wir überall nach einer Gegenfinanzierung gesucht haben.

(Michael Theurer [FDP]: Mittelstand!)

Wir haben in allen Ecken und Enden gesucht und gefragt: Wer bezahlt diese 10 Milliarden eigentlich? In Ihren Anträgen sind wir nicht fündig geworden.

(Christian Dürr [FDP]: Sie haben die Anträge in den Haushaltsberatungen doch abgelehnt!)

Mit solchen Anträgen können Sie sicher nicht auf Unterstützung hoffen.

Vielen Dank, alles Gute und ein bisschen mehr Wahrheit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Kollegen Wolfgang Kubicki das Wort.

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Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7307646
Wahlperiode 19
Sitzung 71
Tagesordnungspunkt Solidaritätszuschlag
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