13.12.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 71 / Tagesordnungspunkt 8

Hans MichelbachCDU/CSU - Solidaritätszuschlag

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Gesetzentwurf der FDP und der Antrag der AfD zur Abschaffung des Solidaritätszuschlags gleichen sich fast wie ein Ei dem anderen.

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Deswegen muss es ja nicht falsch sein!)

Beide beschränken sich darauf, die Abschaffung zu fordern, bleiben aber eine haushalterische Unterlegung schuldig.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Michael Theurer [FDP]: Das ist ja falsch! Das ist gelogen!)

Das, meine Damen und Herren, ist unredlich und unseriös. Das ist ein leicht durchschaubares Propagandamanöver der FDP und der AfD. Das ist die Situation.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, damit erweisen Sie dem politischen Ziel einer vollständigen Abschaffung des Soli eher einen Bärendienst. Tatsache ist: Es gibt einen Koalitionsvertrag, eine Vereinbarung zur Soliabschaffung.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Christian Dürr?

(Zurufe von der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nein!)

Ich glaube, alle wollen abstimmen, aber Herr Dürr möchte noch mal deutlich machen, dass die FDP einen Schaufensterantrag gestellt hat.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was soll denn das? Dann sitzen wir hier heute Nacht bis zwei!)

Verehrter Herr Kollege Michelbach, da Sie die Beratungen über den Bundeshaushalt 2019 sicherlich, wie wir alle hier, intensiv mitverfolgt haben, wissen Sie, dass die Freien Demokraten im Deutschen Bundestag über 300 Änderungsanträge gestellt haben und Ihnen gezeigt haben, dass im Bundeshaushalt 2019 die Möglichkeit besteht, die Bundesschuld um 19  Milliarden Euro zu reduzieren. Damit wäre der Soli bereits im kommenden Jahr locker finanziert.

(Antje Tillmann [CDU/CSU]: Einmal!)

Erste Bemerkung, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Die zweite Bemerkung.

(Zuruf von der CDU/CSU: Frage!)

Herr Dr. Michelbach, nachdem jetzt die SPD erklärt hat, dass der Soli abgeschafft wird, nachdem Herr Gutting erklärt hat: „Der Soli muss weg“, erklären Sie gerade: Der Soli muss weg. – Hier sitzt eine Fraktion, die gleich einem Gesetzentwurf zustimmen wird – ihrem eigenen –, mit dem der Soli abgeschafft werden soll. Wie erklären wir den Menschen in Deutschland, dass heute nicht beschlossen wird, den Soli abzuschaffen, wenn doch vier Parteien und drei Fraktionen der Auffassung sind, dass er abgeschafft werden muss? Das hätte ich gerne gewusst.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD – Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Schon wieder nur die halbe Wahrheit!)

Herr Kollege Dürr, unsere Steuerzahler wollen natürlich eine Entlastung. Sie wollen aber auch stabile haushaltspolitische Verhältnisse.

(Beifall des Abg. Johannes Kahrs [SPD])

Ich kann Ihnen nicht verwehren, die Abschaffung des Soli zu fordern. Aber wo ist denn im Haushaltsausschuss Ihr Vorschlag zu Einsparungen?

(Christian Dürr [FDP]: 300 Stück waren es! Sie haben das abgelehnt, Herr Michelbach! – Weitere Zurufe von der FDP)

Da können Sie doch mal deutlich machen, was die Lösung sein soll. Sie haben Haushaltskosmetik betrieben. Sie haben keine klaren Einsparungen benannt.

(Christian Dürr [FDP]: Natürlich! Das ist doch lächerlich, was Sie sagen!)

Deswegen ist das unseriös und entspricht letzten Endes nicht stabilen haushaltspolitischen Verhältnissen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Christian Dürr [FDP]: Peinlich! – Michael Theurer [FDP]: Das ist wahrheitswidrig! – Johannes Kahrs [SPD]: Guter Mann, der Michelbach!)

Ich bleibe dabei, dass Sie mit diesem Propagandamanöver der vollständigen Abschaffung des Soli eher einen Bärendienst erweisen. Tatsache ist: Es gibt einen Koalitionsvertrag, eine Vereinbarung zur Soliabschaffung. Danach soll die Belastung für 90  Prozent der Solizahler im ersten Schritt wegfallen.

(Johannes Kahrs [SPD]: Sehr gut!)

Aber wir wollen nach dem ersten Schritt einen Zeitplan für den endgültigen Abbau festlegen. Unsere Parteitagsbeschlüsse sind hier ganz klar; sie sind ausdrücklich mit der Voraussetzung der Haushaltsdeckung verbunden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Beerdigung zweiter Klasse!)

Sie beantworten die Frage der Haushaltsdeckung nicht, meine Damen und Herren. Nur Forderungen aufzustellen, ohne für eine Haushaltsdeckung zu sorgen, ist einfach zu kurz gesprungen. Sie erweisen der Abschaffung des Soli einen Bärendienst, weil die Glaubwürdigkeit fehlt.

Wir wollen keine Steuersenkungen

(Zuruf von der FDP: Ja!)

durch Steuererhöhungen.

(Lachen bei Abgeordneten der FDP)

Wir wollen keine Steuersenkung auf Pump, die – ohne Haushaltsdeckung -haushaltspolitisch fehlgeleitet wäre. Wir wollen letzten Endes die willkürliche Spaltung der Steuerzahler verhindern. Das ist nach meiner Ansicht aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten.

Das ist das Problem, das wir mit der SPD beraten müssen: Die meisten Staatsrechtler und Verfassungsrechtler bestätigen inzwischen die Meinung, dass eine willkürliche Teilung – 90 Prozent bzw. 10 Prozent der Steuerzahler –

(Christian Dürr [FDP]: Ja!)

letzten Endes nicht verfassungskonform ist. Darüber werden wir reden, darüber werden wir beraten.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Kay Gottschalk [AfD])

Unser Ziel ist, auch mit dem Koalitionspartner die Argumente auszutauschen und verfassungsrechtliche Fragen zu klären. Dafür sprechen gewichtige Gründe.

Der Soli wurde 1991 erstmals eingeführt, um die Belastungen der deutschen Einheit zu finanzieren. Der Solidarpakt II für den Aufbau Ost endet mit dem Jahr 2019. Deswegen ist es auch eine Frage der politischen Glaubwürdigkeit, nicht nur 90  Prozent der Steuerzahler zu entlasten bzw. verfassungsrechtlich zu prüfen, ob eine willkürliche Teilung überhaupt rechtskonform ist, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Ich glaube, wer soziale Gerechtigkeit mit Sozialneid verwechselt und deshalb die angeblichen Besserverdienenden schröpfen will, sollte sich gerade bei dieser Steuerfrage genau überlegen, wen er mit dem Festhalten am Soli tatsächlich trifft.

(Abg. Kay Gottschalk [AfD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nein!)

Nein, danke schön. Jetzt will man endgültig abstimmen. – Es träfe nämlich nicht nur ein paar Superreiche; es träfe 5 Millionen Menschen in diesem Land.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Heul doch!)

Sie zahlen 50 Prozent des Soliaufkommens.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Heul doch!)

Das sind 10 Prozent der Steuerzahler; das sind keine Millionäre.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Heul doch!)

Es geht hier also nicht um eine Millionärsteuer. Es gibt nicht 10 Prozent Superreiche in Deutschland. Es träfe die fleißigen und aufstiegsorientierten, qualifizierten Arbeitnehmer und Angestellten, den Ingenieur, den Krankenhausarzt, den Handwerksmeister, den risikobereiten Selbstständigen, die mittelständischen Betriebe insgesamt. Das sind letzten Endes die 10 Prozent, die betroffen sind.

(Michael Theurer [FDP]: Deshalb: Stimmen Sie zu!)

Das sind auch oft Arbeitgeber. Wenn ich diese Leute entlaste, dann werden sie auch mehr Beschäftigung und mehr Investitionen erzielen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Michael Theurer [FDP]: Deshalb zustimmen!)

Deswegen wird ein Schuh daraus, dass wir die vollständige Abschaffung durchführen wollen.

Wir schenken mit der Soliabschaffung unseren Menschen nichts. Wir geben der arbeitenden, qualifizierten Bevölkerung bzw. den Steuerzahlern einen persönlichen Freiraum. Sie wissen selbst am besten, mit ihrem Geld sinnvoll umzugehen. „ Mehr Netto vom Brutto“ und „Leistung muss sich lohnen“, das muss ein Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit bleiben, meine Damen und Herren. Deshalb werden wir mit der SPD intensiv beraten, um eine ganzheitliche Solilösung, eine verfassungskonforme Lösung über die bisherige Formel des Koalitionsvertrages hinaus, hinzubekommen. Dazu gehört auch, dass wir selbstverständlich – und das betone ich noch mal – an der soliden Haushaltspolitik der schwarzen Null festhalten, also keine Soliabschaffung auf Pump. Wir werden auch nicht wegen der FDP und wegen der AfD schon gar nicht den Koalitionsvertrag brechen oder der Koalition untreu werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das machen wir nicht. Eine gute Sachargumentation hat sich schon immer den Weg gebahnt. Wir werden unsere Argumente einbringen, und wir werden auch in der Zukunft gute Lösungen finden.

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Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7307653
Wahlperiode 19
Sitzung 71
Tagesordnungspunkt Solidaritätszuschlag
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