Antje TillmannCDU/CSU - Finanzwende
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Insbesondere Herr Dr. Hollnagel, Sie haben in Ihrer Rede das getan, was die AfD immer macht. Sie haben vier Minuten lang die Probleme dargestellt, aber nicht mit einem Wort gesagt, wie diese Probleme auch in den Griff zu bekommen wären. Dass wir da auf einem guten Weg sind, sagt Joachim Wuermeling, der nämlich bei der Vorstellung der Veröffentlichung der Stresstests in der letzten Woche gesagt hat – ich zitiere mit Genehmigung der Präsidentin –: Die europäischen und deutschen Banken sind selbst in einem dramatischen Abschwung widerstandsfähig.
(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr gut! – Lachen bei Abgeordneten der AfD)
Ich weiß, dass Sie das nicht hören wollen, weil Sie natürlich lieber Probleme schildern, aber tatsächlich haben wir in den vergangenen zehn Jahren erheblich an diesen Problemen gearbeitet. Mittlerweile bezweifeln nicht einmal mehr die Betroffenen, dass diese Regulierung notwendig war.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wir haben damit begonnen, das Eigenkapital in den Banken zu verstärken; denn Banken mit höherem Eigenkapital sind natürlich nicht so anfällig gegen Risiken. Der Ausschuss für Finanzstabilität bestätigt, dass die Banken, die eigentlich 2019 10,5 Prozent Eigenkapital haben müssten, in Europa im Durchschnitt bei über 14 Prozent liegen.
Wir haben weitergemacht mit Risikoreduzierungen; Sie haben die ausfallgefährdeten Kredite angesprochen. Wir sind in Bezug auf die Risiken in den Bankbilanzen einen wesentlichen Schritt weitergekommen, indem wir nämlich bei neu ausfallgefährdeten Krediten eine Rückstellung bilden lassen und diese auch mit Eigenkapital untersetzen. Das hat auch schon dazu geführt, dass die Kredite im Durchschnitt geringer geworden sind. Trotzdem haben die Finanzminister beim Ecofin in der letzten Woche besprochen, dass diese ausfallgefährdeten Kredite weiter reduziert werden müssen. Auch das ist mehr Sicherheit in den Bankbilanzen.
(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)
Wir müssen mit dem Insolvenzrecht weitermachen; denn auch die übriggebliebenen Non-performing Loans – so heißen die ausfallgefährdeten Kredite – müssen noch weiter reduziert werden. Auch das haben die Finanzminister besprochen. Da hoffe ich noch auf ein Ergebnis im nächsten Jahr. Da sind wir noch nicht ganz so gut wie in den anderen Punkten, aber als Problem ist dies erkannt. Wir sind auf dem Weg, dieses Problem zu lösen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Endlich, nach langer Zeit, werden auch die Staatsschulden in den Fokus genommen. Ab 2022 sollen Staatsanleihen durch sogenannte Single-Limb Collective Action Clauses restrukturierbar werden. Das heißt, ich kann innerhalb eines Verfahrens alle Staatsanleihen einheitlich restrukturieren, und das macht im Falle einer Schwierigkeit einer Bank oder eines Staates die Verwertung dieser Anlagen wesentlich leichter. Das ist ja auch eine Anregung aus dem Antrag der Grünen. Das ist auf dem Weg. Ich hoffe, dass das Europäische Parlament dieses Verfahren jetzt auch unterstützt und durchsetzt. Auch da sind wir einen Schritt weiter.
Ich gebe zu, der heutige Tag passt gut zur Debatte. Die EZB hat heute verkündet, dass sie ihre Anleihenkäufe Ende des Jahres beendet. Das zeigt deutlich, dass auch die EZB in diesem Jahr Fortschritte nach der Krise sieht. Ich hoffe auch, dass die Zinsen im nächsten Jahr wieder ansteigen werden.
Bei der Bankenunion sind wir eigentlich bis auf den Common Backstop am Ziel. Wir haben die gemeinsame Aufsicht. Wir haben den gemeinsamen Abwicklungsmechanismus. Wir haben die direkte Bankenrekapitalisierung. Wir haben seit dem Ecofin auch die Verabredung, dass, wenn der Bankenabwicklungsfonds nicht ausreicht, aus dem ESM Mittel kreditweise zur Verfügung gestellt werden. Das alles steht unter der Überschrift: Steuerpflichtige bzw. steuerzahlende Bürger sollen für Krisenbanken nicht mehr bezahlen, sondern die Banken selbst sollen diese Kosten restrukturieren.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Es bleiben noch Themen offen; das will ich gar nicht verhehlen. Wir müssen in der Europäischen Union das Beihilferecht an die Bankenunion anpassen; denn leider ist es auch heute noch möglich, dass Banken, die nicht europäisch beaufsichtigt werden, durch nationale Steuern gerettet werden können. Das wollen wir nicht. Wir müssen das Beihilferecht anpassen. Das werden wir tun. Auch da sind wir auf einem guten Weg.
Unter der Krise gelitten haben auch Verbraucher. Auch da haben wir über mehrere Gesetze sichergestellt, dass Verbraucher mehr vor den Problemen geschützt sind. Wir haben über die Geeignetheitsprüfung festgestellt, dass derjenige, der Verbrauchern Anleihen anbietet, klären muss, ob der Verbraucher vor ihm tatsächlich geeignet ist, diese Anlage zu kaufen. Wir haben über Warnhinweise bei Finanzprodukten sichergestellt, dass der Kunde genau weiß, was er tut, und wir haben über Kostentransparenz für Verbraucherinnen und Verbraucher mehr Informationen sichergestellt. Der gut informierte Verbraucher geht weniger Risiken ein. Das haben wir klargestellt.
(Beifall des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] [SPD])
Aber der Verbraucher, der mit diesen Informationen noch nicht zurechtkommt, kann sich über Finanzmarktwächter, die bei den Verbraucherzentralen angesiedelt sind, ebenfalls zusätzliche Informationen holen. Auch das haben wir dargestellt.
Als Allerletztes: Selbst die BaFin hat die Zuständigkeit für den Verbraucherschutz bekommen, sodass auch hier Verbraucherinnen und Verbraucher sicher sein können, dass sie mit ihren Problemen und Sorgen gut aufgehoben sind.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Dieser Teil aus dem Antrag der Linken, die Verbraucherinnen und Verbraucher besser zu schützen, ist also auch längst auf dem Weg bzw. von uns in den letzten Jahren beschlossen worden. Auch hier brauchten wir die Anregung nicht.
Aber es gibt auch neue Risiken, und da, Herr Dr. Hollnagel, haben Sie völlig recht: Wir müssen jetzt nicht nur sehen, dass wir die Risiken aus der Finanzkrise von vor zehn Jahren in den Griff bekommen, sondern es drohen auch neue Krisen. Das könnte zum Beispiel im Bereich der Immobilien sein. Daher fand ich es im Antrag der Grünen ein wenig unglücklich, dass Sie die Bundesbank zwar zitiert haben hinsichtlich der Frage, dass die Kosten bei Grundstückspreisen gestiegen sind, aber den eigentlichen Satz aus dem Bundesbankstabilitätsbericht 2018 nicht zitiert haben, der nämlich besagt – ich zitiere –:
Insgesamt deuten die verfügbaren Daten zur Preisentwicklung, Kreditvergabe und privaten Verschuldungen derzeit nicht auf einen substanziell erhöhten Aufbau von Finanzstabilitätsrisiken aus dem Neugeschäft mit Wohnimmobilienfinanzierungen hin.
Also, es gibt die Blase ganz offensichtlich nicht, jedenfalls nicht mit einer Auswirkung auf Finanzkredite.
Trotzdem haben wir auch hier schon Vorsorge getroffen. Wir haben mit dem Finanzaufsichtsrechtergänzungsgesetz der BaFin zusätzliche Möglichkeiten an die Hand gegeben, auch Immobilienkredite zu regulieren, und die Wohnimmobilienkreditrichtlinie, die wir umgesetzt haben, führt dazu, dass die Banken sehr genau nachschauen müssen, an wen sie Immobilienkredite vergeben.
Insgesamt: Zehn Jahre nach der Krise haben wir an vielen Punkten an den Stellen, wo die Krise ausgebrochen ist, Regulierungen eingeführt. Die Finanzmärkte sind sicher geworden. Trotzdem wissen wir: Wir sind aufmerksam, wo neue Probleme auftauchen. Ich nenne nur das Stichwort „Cyberkriminalität“. Wir werden uns regelmäßig weiter mit diesen Themen befassen. Bankensicherheit, Finanzmarktsicherheit ist für einen Sozialstaat immanent wichtig. Das behalten wir im Auge. Wir werden hier konsequent weiter vorgehen. Dabei mitzumachen, lade ich Sie herzlich ein.
Danke.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Vielen Dank, Antje Tillmann. – Nächster Redner: Dr. Florian Toncar für die FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7307694 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 71 |
Tagesordnungspunkt | Finanzwende |