Florian ToncarFDP - Finanzwende
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, dass das gut ist, dass wir nach zehn Jahren Finanzkrise heute noch einmal ihre Ursachen und Konsequenzen diskutieren. Die Ursachen sind vielfältig: ein unzureichendes Risikomanagement aufseiten der Banken, falsche Anreizsysteme, zum Beispiel auch bei der Vergütung, viele Fehler im Bereich der Regulierung, zu wenig Kapital, Intransparenz in vielen Bereichen, zum Beispiel bei Verbriefungen, und eine Aufsicht, die 2008 überfordert war, weil sie mit der Internationalisierung und auch der Computerisierung der ganzen Branche nicht Schritt gehalten hat.
Auch hatten wir nach dem 11. September ungesunde politische Eingriffe im amerikanischen Rechtsraum, den Versuch der Notenbank, mit billigem Geld die Wirtschaft wieder zu stimulieren, den Versuch der Politik, über staatliche Banken wie Fannie Mae und Freddie Mac Sozialpolitik zu betreiben und letzten Endes unabhängig von der Zahlungskraft der einzelnen Schuldner Kredite unters Volk zu bringen. Das waren politische Eingriffe, die diese Krise mit ermöglicht haben.
In Deutschland übrigens waren es staatliche Landesbanken, die sich unter staatlicher Abschirmung mit Geld vollgesogen und dann genau diese faulen verbrieften amerikanischen Immobilienkredite gekauft haben, weil sie nicht wussten, wohin mit dem Geld, und es nachher in Produkte investiert haben, von denen sie nichts, aber auch gar nichts verstanden haben. – Diese Ursachen, alle zusammen betrachtet, haben diese fatale Krise bewirkt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Folge waren beispiellose Bankenrettungen und ein Rückgang des Bruttoinlandsprodukts in Deutschland um 4,5 Prozent. Man muss eines ganz klar sagen: Bankenrettung, die Rettung von Unternehmen überhaupt durch den Steuerzahler, ist per se ein Vergehen gegen die soziale Marktwirtschaft. Es steht mit der sozialen Marktwirtschaft in keiner Weise im Einklang, wenn so etwas möglich und nötig ist.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)
Deswegen will ich – das geht gerade an die Adresse der Sozialdemokraten, Herr Kollege Hakverdi – an eines erinnern: Die Banken wurden von Frau Merkel und Herrn Steinbrück gerettet. Die schwarz-gelbe Koalition hat 2010 in Deutschland ein Restrukturierungsgesetz beschlossen, das möglich machen sollte, dass die Aktionäre haften. Es wurde später Vorbild für eine europäische Regelung. Jetzt sind es wieder Sozialdemokraten und auch Christdemokraten, die über einen sogenannten Backstop in Europa eine Kreditlinie aus Steuergeld in den Bankenrestrukturierungsfonds einführen wollen.
(Antje Tillmann [CDU/CSU]: Stimmt doch gar nicht!)
Sie müssen erst einmal diese Themen angehen, bevor Sie uns Belehrungen darüber erteilen, wie man richtig mit Bankenkrisen umgeht.
(Beifall bei der FDP)
Wir wollen die Steuerzahler schonen, und Sie wollen sie gerade wieder in die Haftung hineinnehmen. Es ist doch völlig paradox, was Sie hier vorschlagen.
(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Es wird aber nicht wahrer, wenn man das Falsche wiederholt! – Zuruf von der FDP: Sie wollen die Schulden immer verstaatlichen!)
Ein Gedanke: Nicht immer bringt mehr Regulierung bei den Banken auch mehr Finanzstabilität. Ein gutes Beispiel dafür ist, was die Grünen fordern, nämlich eine Eigenkapitalquote für Banken von verpflichtend 10 Prozent. Herr Kollege Schick von den Grünen, Sie kommen aus Mannheim. Ich habe mir mal die Bilanz Ihrer Sparkasse Rhein Neckar Nord und Ihrer Volksbank angeschaut. Die müssten, um Ihre Forderung zu erfüllen, 50 Prozent mehr Eigenkapital aufnehmen oder 50 Prozent weniger Kredite vergeben, und die sind noch gut aufgestellt, was die Verschuldungsquote angeht. Es kann doch nicht ernsthaft Ihr Vorschlag sein, dass die Häuslebauer, dass der Mittelstand in Mannheim, im Rhein-Neckar-Raum plötzlich Not hat, Kredite zu bekommen, weil sie die Leverage Ratio einhalten müssen. Das ist doch die völlig falsche Konsequenz aus der Krise, die Sie uns da vorschlagen.
(Beifall bei der FDP)
Im Übrigen hätte der Vorschlag auch zur Folge, dass ganz unterschiedliche Risiken plötzlich regulatorisch gleichbehandelt werden. Das spekulative Investment würde wegen der Leverage Ratio den gleichen Kapitaleinsatz erfordern wie ein sehr sicheres Investment. Sie würden also, vergleichend betrachtet, das spekulative Investment sogar attraktiver und lukrativer machen. Das ist, glaube ich, der falsche Weg. Wir brauchen eine Kapitalausstattung der Banken, die sich am Risiko orientiert und nicht alle Risiken gleichbehandelt.
(Beifall bei der FDP)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sollten uns klar machen – das soll mein Schlussgedanke sein –: Regulierungskosten treffen am Ende immer die Verbraucher, und hohe Regulierungskosten fördern übrigens auch die Konzentration, fördern gerade, dass es größere Banken gibt. Wir sollten nicht durch zu viel Regulierung größere Banken immer größer machen, sondern wir sollten gucken, dass auch kleine und mittelgroße Banken durch faire Regulierung, durch für sie angemessene, proportionale Regulierung eine Chance haben, durch guten Service für ihre Kunden am Markt zu bestehen.
(Beifall bei der FDP)
Vielen Dank, Kollege Toncar. – Nächster Redner in der Debatte: Jörg Cezanne für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 71 |
Tagesordnungspunkt | Finanzwende |