Lothar BindingSPD - Finanzwende
Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich den Titel des Antrags lese – „Finanzwende anpacken – Den nächsten Crash verhindern“ – finde ich, es ist ein totaler Zufall, dass der Titel genauso heißt wie der künftige Arbeitgeber von Gerhard Schick. Das ist eine besonders interessante Kombination, und das fällt auch noch mit seiner letzten Rede zusammen. So viel Zufall auf einen Schlag: Das ist schon Wahnsinn.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Allerdings muss man sagen: Der Titel „Den nächsten Crash verhindern“ ist tückisch; denn das suggeriert ein bisschen, als ob das möglich wäre. Wir hatten eine Anhörung zu diesem Thema, und jeder von uns weiß: Es ist sehr gefährlich, zu glauben, man könnte Crashs in der Zukunft verhindern. Das Schlimme ist ja: Sie kommen immer von einer anderen Ecke, und wenn ich glaube, nach allen Seiten alles geregelt zu haben, dann kommt er von oben.
(Heiterkeit bei der SPD und der CDU/CSU)
Es ist also richtig schwierig, das so dichtzumachen, wie wir es gerne möchten. Es ist nicht so leicht.
Florian Toncar hat uns schon ein bisschen was erklärt. Er war ja lange bei Freshfields. Nun muss man sagen – da unterscheide ich mich von Gerhard –: Die Krise ist auch von Fachleuten gemacht, und zwar eher von Fachleuten als von Laien. Denn zu den Produkten, die da explodiert sind, muss man sagen: Auf so eine Idee wären Laien gar nicht gekommen. Die Krise ist von Fachleuten gemacht.
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Theurer [FDP]: Aber der Toncar war nach der Krise bei Freshfields!)
– Nein, das ist vor der Krise. Die nächste kommt bestimmt. Sie haben nur eine Krise im Kopf, aber ich bin sozusagen auf der Zeitachse des Kontinuums. Alles völlig klar.
(Michael Theurer [FDP]: Sie haben nur Krise im Kopf!)
– Nein, nein, das ist klar, wenn man nur kurze Abschnitte im Kopf hat.
(Michael Theurer [FDP]: Aber Sie haben nur Krise im Kopf offensichtlich!)
Wir haben institutionell sehr viel geregelt. Wir haben Eigenkapitalanforderungen gestellt. Wir haben richtig viel gemacht. Wir haben Aufsichtsregime, Einlagensicherungssysteme und Rettungsschirme neu geschaffen. Ich finde, wir haben wirklich viel gemacht. Gucken Sie sich die Gesetze mal an! Das ist richtig viel. Ich weiß nicht, was das in Zentimetern wäre. Es ist richtig viel. Die Widerstandsfähigkeit im Bankensektor ist sehr hoch geworden.
Der Schlüsselbegriff ist natürlich Eigenkapital. Und doch: Wir hatten heute Morgen mit den Auslandsbanken ein Gespräch. Da wurde zwar bestätigt, dass vieles sicherer geworden ist. Man muss aber auch sagen: Die risikogewichtete Eigenkapitalunterlegung hat eine Tücke, nämlich dass wir nach der Krise interessanterweise sieben oder acht Jahre Wachstumsphase haben, und in einer Wachstumsphase ist die Tendenz, die Risiken zu unterschätzen, extrem hoch. Wenn man dann risikoadjustiertes Eigenkapital hat, dann ist das eben zu niedrig. Deshalb müssen wir zu ungewichteter Unterlegung kommen, und deshalb ist die Leverage Ratio etwas ganz Wichtiges. Über die Zahl – ob 10 oder 5 Prozent – kann man streiten, aber dass wir sie in einer neuen Dimension brauchen, ist völlig klar. Auch dass wir über Einlagensicherung erst reden, wenn die notleidenden Kredite – das hat Antje Tillmann vorgetragen – in ganz Europa und in den einzelnen Ländern auf einem entsprechenden Niveau sind, ist völlig klar, und auch, dass wir die extrem starke Konzentration in den Banken auf heimische Staatsanleihen absenken müssen. All das ist völlig klar.
Jetzt sehe ich gerade: Ich habe nur noch 42 Sekunden Redezeit. Dann lege ich mein Manuskript zur Seite, um noch etwas anderes zu sagen.
Gerhard Schick, wir danken dir für viele wirklich gute Erklärungen. Meine ganz persönliche Feststellung ist – das muss ich mit ein bisschen Verwunderung und Bewunderung sagen –: Du hast es immer ohne Zollstock geschafft.
(Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Aber, Gerhard, man weiß nie, was die Zukunft bringt. Könntest du mit Erlaubnis der Präsidentin kurz zum Rednerpult kommen? – Denn du weißt nie, was in der Zukunft kommt, und einen solchen Zollstock „Für Gute Arbeit“ von der SPD kann man immer gut gebrauchen.
(Abg. Lothar Binding [SPD] überreicht Abg. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] einen Zollstock)
Schönen Dank.
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vielen herzlichen Dank, Lothar Binding. – Letzter Redner in der Debatte: Alexander Radwan für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7307700 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 71 |
Tagesordnungspunkt | Finanzwende |