Alexander RadwanCDU/CSU - Finanzwende
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sprechen über das Thema „Zehn Jahre nach der Finanzmarktkrise“.
(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU], an Abg. Lothar Binding [Heidelberg] [SPD] gewandt: So einen Zollstock will ich auch!)
Der Hans Michelbach ist schon ganz neidisch auf den Zollstock. Er möchte, glaube ich, auch einen haben.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Nach der heutigen Rede hat er es eigentlich verdient, lieber Kollege Binding.
Wenn man sich die Anträge anschaut, sieht man, was alles hineininterpretiert wird. Der Kollege von den Linken hat es auch gesagt: Man will eigentlich einen Systemwechsel. – Man macht ein ganzes Potpourri von Themen auf, vom Mindestlohn über einen Finanz-TÜV, und man will zukünftig gesellschaftliche Ziele abklopfen. Letztendlich geht es bei den Anträgen gar nicht so sehr um die Lehren aus der Finanzmarktkrise, sondern eigentlich darum: Wie kann ich ein anderes Gesellschaftsmodell entwickeln? Das ist ja ein legitimer Ansatz, aber man muss es dann auch entsprechend benennen dürfen.
Wir hatten nach der Finanzkrise die Situation, dass sehr viel auf nationaler Ebene gemacht wurde, sowohl im Bereich der Regulierung als auch der Aufsicht. Darum wurde ein großartiger Systemwechsel vollzogen, durch den wir eine europäische Gesetzgebung und eine europäische Aufsicht haben.
Weil ich nachher meine Rede dazu zu Protokoll geben werde, möchte ich einen Schluss daraus hier anführen: Die europäische Aufsicht ist ein Garant dafür, dass zukünftig die Märkte transparent werden, dass die Märkte verstanden werden. Der Antrag der AfD zu dem später zu behandelnden Tagesordnungspunkt dazu, in dem gesagt wird: „Wir wollen keine europäische Aufsicht“, bezweckt genau das Gegenteil. Es erhöht die Risiken; es macht die Kapitalmärkte unsicherer.
(Beifall des Abg. Metin Hakverdi [SPD])
Es wird letztendlich zulasten des Steuerzahlers gehen. Letztendlich landet man damit im Nirwana. Das zeigt Ihre Kompetenz in dem Bereich.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Dr. Florian Toncar [FDP])
Wir haben hier in Europa und national konsequent an diesem Thema gearbeitet. Die Bundesregierung, insbesondere Wolfgang Schäuble, und die CDU/CSU sind es gewesen, die hier für Stabilität gesorgt haben. Die Eigenkapitalausstattung wurde angesprochen. Die europäische Bankenaufsicht, der europäische Abwicklungsmechanismus, der ESM – alles ist in Angriff genommen worden. Ein Punkt, der mir besonders wichtig ist: Europäische Vorgaben, die verabredet werden, europäische Regeln müssen letztendlich eingehalten werden. Da gilt es, noch sehr stark nachzusteuern.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Metin Hakverdi [SPD] und Markus Herbrand [FDP])
Meine Damen und Herren, Stichwort „Europa“. Herr Dr. Schick, auch wenn wir inhaltlich sehr viel Trennendes haben – inhaltlich, nicht menschlich –, haben wir eines gemeinsam – das haben, glaube ich, die meisten Fraktionen hier –: die Sorge um Europa. Ihre Eingangsanalyse zur möglichen Entwicklung Europas teile ich. Ich teile nicht unbedingt den Weg.
Wir müssen schon darüber nachdenken, dass es momentan die Währungsunion und die Wirtschaft sind, die die europäischen Staaten gegeneinander aufbringen. Wir dürfen das Maß der Solidarität der Staaten, der Bevölkerung auf der einen Seite letztendlich nicht der Eigenverantwortung der Staaten auf der anderen Seite opfern. Wir müssen dafür sorgen, dass die Staaten, die stark sind, solidarisch bleiben, aber die anderen Staaten ihre Hausaufgaben machen. Wenn wir das trennen, werden die Völker Europas nicht beisammenbleiben, sondern sie werden noch mehr auseinandergehen. In der Analyse sind wir gleich; ich glaube, wenn wir gemeinsam weiterhin kräftig darüber diskutieren, werden wir auch einen gemeinsamen Weg finden.
Neben dem Immer-nach-hinten-Schauen – was war vor zehn Jahren, und was ist gekommen? – müssen wir auch nach vorne schauen. Kurzfristig wird die große Herausforderung für die Finanzmärkte und die Wirtschaft sein: „Was bedeutet es, wenn der Brexit kommt?“, ohne jetzt genau einschätzen zu können, was es bedeutet.
Die Small Banking Box. Ziel der Regulierung ist es, dass die großen Banken risikoadäquat reguliert werden und auch die kleinen Banken risikoadäquat reguliert werden. Die Krisen sind nicht von den Kleinen, von den Raiffeisenbanken, von den Sparkassen, ausgegangen, sondern von den Großen. Dazu brauchen wir auf europäischer Ebene entsprechende Vorgaben zur Proportionalität, die auch den Strukturen in den Mitgliedstaaten gerecht werden.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir brauchen eine intensive Auseinandersetzung mit der Digitalisierung – auf europäischer Ebene, auf nationaler Ebene. Stichwort „Aufseher“: Was bedeutet es, wenn zukünftig Algorithmen dazu führen, dass die automatischen Maßnahmen kumuliert werden? Führt das nicht zur Verschärfung der Risiken? Hier ist eine Auseinandersetzung mit dem Thema auf parlamentarischer Seite notwendig.
Der Kollege Binding hat gerade treffend gesagt: Man schaut nach links, man schaut nach rechts; das Problem kommt von oben. – Ist es richtig, dass wir weiterhin den Weg gehen, jedes Problem und jedes Risiko ins Gesetz zu schreiben? Oder wäre es nicht sinnvoller, auch mal darüber nachzudenken, nach Prinzipien, nach Grundsätzen zu arbeiten, um dann, wenn es notwendig ist, dem Aufseher unter parlamentarischer Kontrolle die Möglichkeit zu geben, schnell zu reagieren, statt vorher alles in Gesetzesform zu gießen?
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Lassen Sie mich abschließend sagen: Herr Schick – ich gehe davon aus: wir werden uns, darauf freue ich mich schon, öfters sehen –, Sie haben ja das Thema „Green Bonds“, nachhaltige Entwicklung, angesprochen.
Lassen Sie mich erst mal sagen: Man kann zum Thema Lobbyismus stehen, wie man will; man kann es kritisch oder weniger kritisch sehen. Wir hatten diese Woche ein Frühstück, wo zum Beispiel auch der WWF war. Ich glaube nicht, dass das eine Lobbyorganisation ist, die besonders schwach ist. Von daher sollten wir festhalten: In dem Bereich gibt es einigermaßen Waffengleichheit. Die einen mögen halt die Ziele des einen lieber als die des anderen.
Meine Damen und Herren, beim ganzen Thema „nachhaltige Finanzierung“ brauchen wir eine Orientierung an der Stabilität der Finanzmärkte. Was nicht geht, ist, dass man über nachhaltige Finanzierung im grünen Bereich oder im sozialen Bereich Gesellschaftspolitik innerhalb der Kapitalmarktregulierung abbildet. Das schwächt die Kapitalmarktregulierung und bringt eine solche Bürokratie, dass die Finanzmärkte und die Finanzindustrie am Schluss sagen werden: MiFID war das letzte Deregulierungspaket der Kommission.
Besten Dank. Und, Herr Schick: Alles Gute! Auf ein baldiges Wiedersehen!
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 71 |
Tagesordnungspunkt | Finanzwende |