13.12.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 71 / Zusatzpunkt 13

Ingmar JungCDU/CSU - § 219a StGB Werbung für Schwangerschaftsabbrüche

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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP! Frau Bauer, ich bin Ihnen zunächst dankbar, dass Sie klargestellt haben, dass es für Sie hier nur um § 219a und nicht um § 218 und § 218 ff geht. Ich gebe zu: Ich nehme Ihnen das ab. Aber wir hatten heute schon eine Debatte, bei der wir feststellen mussten, dass es großen Teilen dieses Hauses eben nicht nur um § 219a geht,

(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch unredlich!)

sondern um das gesamte Schutzkonzept, das Sie eben hervorgehoben haben. Das zu schützen, ist auch unsere Aufgabe.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich kann der FDP auch nicht vollständig abnehmen, dass es heute Abend um die Sache geht und um die Streichung des § 219a. Wir haben im Geschäftsgang noch einen Gesetzentwurf der FDP, der den § 219a gestalten will. Jetzt soll der Paragraf abgeschafft werden, und die FDP tut so, als hätte sie uns damals ja nur einen Kompromiss vorlegen wollen und wäre schon immer für die Streichung gewesen.

(Frank Sitta [FDP]: Den haben sie angenommen!)

Wenn es Ihnen tatsächlich um den Kompromiss gegangen wäre, wenn Sie tatsächlich schon damals den § 219a hätten abschaffen wollen, dann frage ich mich, wie es zu Ihrer Begründung kommt. Ich möchte kurz, Herr Präsident, aus dem Gesetzentwurf zitieren:

Angesichts des hohen Wertes ungeborenen Lebens und der hohen Sensibilität breiter Teile der Bevölkerung, die Schwangerschaftsabbrüche moralisch kritisch sehen, sowie der Vergleichbarkeit anderer Fälle strafbarer Werbung ist eine strafrechtliche Sanktionierung weiterhin angemessen.

So die FDP in der Debatte noch vor zwei Monaten! Heute sind Sie plötzlich für die Abschaffung.

Meine Damen und Herren, Sie versuchen – das ist legitim –, einen Konflikt, der zwischen den Regierungsfraktionen in den Auffassungen besteht – das ist ja gar keine Frage –, auszunutzen; aber Sie missbrauchen dieses wichtige Thema dafür, und das ist nicht angemessen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und Sie konnten natürlich, als Sie diesen Antrag gestellt haben, noch nicht wissen, dass es eine Vereinbarung zwischen den Ministerinnen und Ministern gibt, die von den Regierungsfraktionen beauftragt waren. Lassen Sie mich wenigstens kurz darstellen, was da gestern Abend vereinbart wurde.

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Marco Buschmann?

Ja, bitte.

Herr Kollege Jung, eingedenk der schweren Vorwürfe, die Sie der FDP-Fraktion machen, frage ich: Ist Ihnen bewusst, dass wir von Anfang an eine Beschlusslage hatten und Ihnen auch ein Angebot gemacht haben, dass wir Ihnen die Hand ausgestreckt haben für einen möglichst breiten Kompromiss, dass Sie aber in die Hand gebissen haben, die wir Ihnen entgegengestreckt haben,

(Beifall bei der FDP – Zurufe von Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD: Oh! Oh! – ­Armin-Paulus Hampel [AfD]: Jung, der Beißer!)

und dass wir – weil Sie in diese Hand gebissen haben – jetzt auf die Position, die wir von Anfang an für diesen Fall in Aussicht gestellt haben, zurückgehen? Oder haben Sie es möglicherweise verpasst, sich auf Ihre Rede entsprechend vorzubereiten?

(Beifall bei der FDP)

Herr Kollege Buschmann, wenn Sie eben genau zugehört hätten, dann hätten Sie gehört, dass ich sogar gesagt habe, dass ich Ihr Verhalten legitim finde. Sie hätten nur nicht verschleiern sollen, worum es Ihnen heute Abend geht. Sie haben einen Vorschlag gemacht, der für uns nicht tragfähig war, weil er nicht einen angemessenen Ausgleich zwischen verschiedenen Interessen geschaffen hat. Deswegen haben wir diesem Vorschlag bisher nicht zugestimmt, und deswegen werden wir jetzt den besseren Vorschlag verfolgen, den die Ministerinnen und Minister unterbreitet haben. Das müssen Sie uns zugestehen. Dafür muss man in keine Hände beißen, bei allem Respekt.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Meine Damen und Herrn, lassen Sie mich wenigstens kurz zusammenfassen, was uns da gestern Abend vorgelegt wurde. Sie haben gesehen, dass mehrere Punkte vereinbart wurden – ich versuche, das so kurz wie möglich zu machen –: Dazu gehören die Fortsetzung der Vermeidung und Bewältigung von Schwangerschaftskonflikten auf der einen Seite – das gehört eben auch dazu – sowie der Schutz des ungeborenen Lebens durch Prävention, Aufklärung, Beratung und Hilfe auf der anderen Seite. Das ist etwas, was wir schon jetzt haben; aber es ist wichtig, das festzustellen. Vorgeschlagen wird die gesetzliche Verankerung des staatlichen Informationsauftrages, dass die Bundesärztekammer und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung alle Kontaktinformationen zur Verfügung stellen können. Dann ist vereinbart, dass Qualifizierungsmaßnahmen für Ärztinnen und Ärzte durchgeführt werden.

Und § 219a StGB – jetzt komme ich zum Knackpunkt – soll dahin gehend geändert werden, dass es demjenigen, der einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen möchte, zum einen erlaubt ist, die Information zu geben, dass er diesen Eingriff vornimmt, und es ihm zum anderen erlaubt ist, auf die Kontaktinformationen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und der Bundesärztekammer zu verweisen. Drittens. Neben diesem Informationsrecht, das wir in dieser Einigung zugestehen, bleibt aber die darüber hinausgehende Werbung verboten. Das ist ein Punkt, der uns natürlich nicht ganz unwichtig ist.

Ich sage Ihnen ganz offen: Auch der Kompromiss, gerade der letzte Punkt, ist für uns in der CDU/CSU-Fraktion schwierig; das wissen Sie. Ich sage aber auch, warum. Weil für uns natürlich eine Aufweichung des § 219a StGB aus vielen Gründen, über die wir hier schon mehrmals miteinander diskutiert haben, extrem schwierig ist. Aber ich werde dafür werben, dass wir diesen Vorschlag, diesen Kompromiss am Ende umsetzen, weil ich weiß, dass es für die Kolleginnen und Kollegen der SPD an der Stelle genauso schwierig ist, diese Vereinbarung so zu treffen. – Deshalb bin ich Ihnen sehr dankbar, dass wir an der Stelle zusammengefunden haben. Ich hoffe, dass wir den Kompromiss am Ende auch so umsetzen werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Florian Toncar [FDP]: Da sind wir mal gespannt!)

Ich will noch einmal deutlich machen, warum wir an der Stelle so dogmatisch sind.

(Dr. Marco Buschmann [FDP]: Ja, dogmatisch!)

Wir haben eben vom Selbstbestimmungsrecht der Frau geredet. Frau Bauer, das ist ein hohes Rechtsgut, gar keine Frage; aber wir sind hier in einer Situation, in der wir widerstreitende Grundrechtsgüter haben. An dieser Stelle muss man zu einer vernünftigen Abwägung kommen, und das Bundesverfassungsgericht – nicht nur das – hat uns deutlich gemacht: Es gibt den Schutz des ungeborenen Lebens mit Grundrechtscharakter, und aufgrund des Untermaßverbotes gibt es auch eine staatliche Schutzpflicht für das ungeborene Leben gegen den Eingriff Dritter. Das dürfen wir an der Stelle nicht völlig vernachlässigen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Bedenken Sie noch eines: Die Abwägung ist so problematisch, weil man das Schutzrecht, das Rechtsgut des ungeborenen Lebens, in einer Abwägung eben nicht einschränken kann. Sie können es nur gewähren oder nicht gewähren. Wenn Sie den Schwangerschaftsabbruch für zulässig erklären, wofür es in bestimmten Fällen Gründe gibt, dann führt das zum Totalverlust des Rechtsguts.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das kann in Einzelfällen zulässig sein. Aber genau deshalb – das ist für uns klar – muss es ein absoluter Ausnahmefall bleiben. Deshalb sind wir an der Stelle so dogmatisch. Deshalb halten wir auch die Werbung durch die, die das vornehmen, für problematisch. Da werden wir auch in Zukunft so strikt bleiben. Ich hoffe, wir kommen da noch näher zusammen.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege Jung. – Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Jens Maier, AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7307744
Wahlperiode 19
Sitzung 71
Tagesordnungspunkt § 219a StGB Werbung für Schwangerschaftsabbrüche
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