Katja MastSPD - KiTa-Qualitäts- und -Teilhabeverbesserungsgesetz
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Sie hier auf den Zuschauertribünen zuschauen oder an den Bildschirmen die Debatte verfolgen! Meine Vorrednerin hat gesagt: 5,5 Milliarden Euro für Kinder, Familien und Erzieherinnen und Erzieher sind ein „Schlag ins Gesicht“ der Betroffenen.
(Dr. Karamba Diaby [SPD]: Das ist eine Beleidigung! – Ulli Nissen [SPD]: Schäbig ist das!)
Das kann ich nicht teilen. Das ist eine Beleidigung dessen, was wir hier heute tun.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Frau Baerbock, wenn Sie das so empfinden, dann muss ich Sie verbessern. Schauen Sie doch nach Baden-Württemberg. Sorgen Sie in Baden-Württemberg dafür, dass das Geld, das dort ankommt, tatsächlich bei den Familien ankommt, dass es in die Gebührenentlastung fließt, dass das Land sich weiterhin in diesem Bereich stark engagiert. Ich schaue mit großer Sorge dorthin.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Albert H. Weiler [CDU/CSU])
Frau Kollegin Mast, gestatten Sie eine Zwischenfrage aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen?
Sehr gerne.
Frau Kollegin Mast, es ist sehr schön, dass Sie Baden-Württemberg hier erwähnen. Ich frage Sie: Ist Ihnen bekannt, dass Baden-Württemberg hinsichtlich des Betreuungsschlüssels in den Kitas bundesweit am allerbesten dasteht? Denken Sie nicht auch, dass das in Zusammenhang damit steht, dass man die erste Priorität auf die Qualität setzt? Das ist doch das, was die Eltern umtreibt: dass es den Kindern in der Kita vor allem gut geht, dass es ausreichend Erzieherinnen und Erzieher gibt, die sich wirklich um das einzelne Kind kümmern können, und dass man vor allem diejenigen Familien entlasten muss, die sich die Kita nicht leisten können. Zum Beispiel in Stuttgart wurden die Gebühren für Familien mit geringem Einkommen gesenkt. Halten Sie es in diesem Rahmen wirklich für zielführend, die beitragsfreien Kitas ins Schaufenster zu stellen, auch wenn am Ende die Qualität wieder leiden wird?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Zuerst einmal geht es mir um mehr Qualität und weniger Gebühren.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Der Gesetzentwurf, über den wir heute abschließend diskutieren, nimmt Bezug auf einen vierjährigen Dialogprozess mit den Ländern, mit den Vertretern der kommunalen Spitzenverbände, aber vor allen Dingen mit vielen Betroffenen, mit Expertinnen und Experten und Vertretern der Wissenschaft, der zu Eckpunkten für ein Kitaqualitätsgesetz geführt hat. Das ist verabschiedet worden von der Jugend- und Familienministerkonferenz der Bundesländer, und wir haben im Koalitionsvertrag darauf Bezug genommen.
(Norbert Müller [Potsdam] [DIE LINKE]: Nicht Bezug nehmen, sondern umsetzen!)
In diesem Prozess war von Anfang an angelegt, dass die Gebührenreduzierung – bis hin zur Gebührenfreiheit – ein wichtiger Teil der Kitaqualität ist.
(Beifall bei der SPD)
Wenn Sie mir das nicht glauben, empfehle ich Ihnen den Zwischenbericht „Frühe Bildung weiterentwickeln und finanziell sichern“, auf den sich auch die Jugend- und Familienministerkonferenz bezieht, zu lesen. Dort steht auf Seite 11 unter der Überschrift „Handlungsziele“ als eines der ersten Qualitätsziele „Hürden der Inanspruchnahme abbauen“ – ich kann es Ihnen gerne vorlesen –:
Eine wichtige Stellschraube sind Elternbeiträge: Eine sozialverträgliche Gestaltung von Beiträgen bis hin zur Beitragsfreiheit kann die Nutzung außerfamiliärer Betreuungsangebote ... fördern.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Alle Expertinnen und Experten, alle am Dialogprozess Beteiligten wussten, dass das ein wichtiger Punkt ist.
(Dr. Karamba Diaby [SPD]: Richtig!)
Auf den zweiten Teil Ihrer Frage – Baden-Württemberg – gehe ich mit Vergnügen ein, weil ich zu der Zeit, in der wir die Vorlagen gestaltet haben, Generalsekretärin der SPD Baden-Württemberg war. Ich durfte mitverantworten, dass die Grunderwerbsteuer in Baden-Württemberg erhöht wurde. Das war ein harter Schritt für viele Menschen, die Häuser bauen wollen, und das ist in Baden-Württemberg noch immer ein Thema. Wir sind nämlich Häuslebauerinnen und Häuslebauer. Aber wir waren mutig und haben gesagt: Wir stecken das Geld eins zu eins in die Kitaqualität. Das trägt sozialdemokratische Handschrift, genau: die Handschrift von Andreas Stoch und Marion von Wartenberg.
(Beifall bei der SPD)
Jetzt würde, Frau Kollegin Mast, auch noch der Kollege Norbert Müller aus der Fraktion Die Linke eine Zwischenfrage stellen.
Vielen Dank. Gerne.
Ich freue mich auch immer über mehr Redezeit. Daher gönne ich Ihnen das. – Vielen Dank, Herr Präsident, dass Sie die Frage zulassen.
Frau Kollegin Mast, ich würde zwei Fragen anschließen. Erstens. Sie haben ja gerade aus dem Zwischenbericht vorgelesen. Warum haben Sie dann die verpflichtende Sozialstaffelung aus dem Gesetzentwurf per Änderungsantrag wieder herausgestrichen?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das ist überhaupt nicht zu erklären. Das haben Sie ja gerade vorgetragen.
Zweitens. Die Jugend- und Familienministerkonferenz hat im Zusammenhang mit dem Entwurf eines Kitaqualitätsentwicklungsgesetzes, das damals sozusagen vereinbart wurde, Folgendes festgelegt: Wir gehen diesen Schritt nur – das war die Zusage des Bundes –, wenn es jährlich – jährlich! – 5 Milliarden Euro gibt und wenn wir die Beitragsfreiheit – das war das Versprechen von Manuela Schwesig – mit jährlich nochmals 5 Milliarden Euro unterstützen. Das heißt, da ging es um 40 Milliarden Euro in vier Jahren, nicht um 5,5 Milliarden Euro. Das ist eine ganz andere Summe; es geht aber um das gleiche Gesetz. Daher können Sie sich nicht berufen auf den Beschluss der Jugend- und Familienministerkonferenz von vor anderthalb Jahren, zumal Sie weite Teile davon gar nicht umgesetzt haben.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Lieber Herr Kollege, das war eine zweiteilige Frage. Lassen Sie mich zunächst auf den ersten Teil eingehen. In unserem Gesetzentwurf steht, dass wir eine dauerhafte und nachhaltige Finanzierung in der Kinderbetreuung wollen. Wir haben im Koalitionsvertrag 3,5 Milliarden Euro für das Gute-Kita-Gesetz vereinbart. Jetzt stehen für vier Jahre 5,5 Milliarden Euro zur Verfügung, also 2 Milliarden Euro mehr. Wir werden als SPD in dieser Koalition weiterhin darauf dringen, dass die Mittel dauerhaft fließen. Dieser Aspekt aus dem Beschluss der Jugend- und Familienministerkonferenz, auf den wir uns im Übrigen im Koalitionsvertrag beziehen, ist für uns ein ganz wichtiger Punkt. Wir wollen aber noch eine Weile miteinander regieren und haben also Zeit, das hinzubekommen.
(Beifall bei der SPD)
Ihr zweiter Punkt war, dass der Beschluss ein viel größeres Finanzvolumen hat. Das ist das, worauf wir uns in der Koalition einigen konnten. In den Koalitionsverhandlungen haben wir vereinbart, 45 Milliarden Euro in den prioritären Maßnahmen zu hinterlegen. Für uns von der SPD war das Vorhaben, 3,5 Milliarden Euro für das Gute-Kita-Gesetz aufzubringen, ein ganz zentraler Punkt für den Einstieg in diese Große Koalition.
Ich finde, dass es in der Debatte eine kleine Schieflage gibt. Die Mittel, die wir im Gesetzentwurf vorsehen, kommen zusätzlich zu den Mitteln der Länder. Es sind die Länder und Kommunen, die für die Angebote der Kitas die Verantwortung tragen. Wir stellen zusätzliches Geld für Kitas, für Kinder und für die Erzieherinnen und Erzieher zur Verfügung.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Lassen Sie mich in meiner Rede fortfahren. Mit dem Gute-Kita-Gesetz machen wir einen großen Schritt nach vorne: für mehr Qualität und weniger Gebühren, für gute frühkindliche Bildung, für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und für bessere Arbeitsbedingungen für die Erzieherinnen und Erzieher in unserem Land.
(Beifall bei der SPD – Ulli Nissen [SPD]: Super!)
Das machen wir, weil wir der festen Überzeugung sind, dass jedes Kind es packen muss. Das ist unsere Motivation.
Ich möchte auf die Gebührenfreiheit und auf die verbesserte Qualität, die im vorliegenden Gesetzentwurf verankert sind, eingehen. Im Gesetzentwurf sind viele Faktoren enthalten, die gute Qualität in der Kita ausmachen: ein guter Betreuungsschlüssel, qualifizierte Fachkräfte, eine starke Kitaleitung, bedarfsgerechter Ausbau, Angebote zu Randzeiten und vieles mehr. Das ist der Qualitätsaspekt. Zudem soll sichergestellt werden, dass der Besuch der Kita nicht an den Gebühren scheitern darf.
(Beifall bei der SPD)
Deshalb wollen wir mit dem Gesetz nicht nur vorschreiben – und das ist neu –, dass Eltern im Hartz‑IV-Bezug im Rechtskreis des SGB II von den Gebühren befreit werden. Vielmehr werden künftig alle Eltern, die Wohngeld oder Kinderzuschlag beziehen, von den Kitagebühren befreit. Das ist eine riesige Unterstützung gerade für Familien, die Woche für Woche und Tag für Tag jeden Euro umdrehen müssen.
(Ulli Nissen [SPD]: Da können wir nur Danke sagen!)
Das ist ein wichtiger Schritt nach vorne.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Silke Launert [CDU/CSU])
Wir von der SPD finden auch, dass die Erhebung von Gebühren nicht davon abhängen darf, ob die Eltern Ärztinnen und Ärzte, Krankenpfleger oder Busfahrer sind. Alle Eltern sollen langfristig von den Gebühren befreit werden. Deswegen gehen wir einen mutigen Schritt nach vorne.
(Beifall bei der SPD)
Zusammenfassend will ich sagen: mehr Qualität, weniger Gebühren. Das ist das Ergebnis eines langen Prozesses mit den Ländern gemeinsam. Das war für uns ein ganz wichtiger Grund, in die Koalition einzusteigen. Wir machen das, um Kinder, ihre Familien und Erzieherinnen und Erzieher zu entlasten, damit es jedes Kind packt.
Ich wünsche Ihnen allen frohe und besinnliche Weihnachten. Ich wünsche mir, dass wir gemeinsam über die Punkte reflektieren, die uns einen, und weniger über die, die uns trennen, vor allen Dingen über jene, die dieses Land zusammenhalten.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Nächster Redner ist der Kollege Thomas Ehrhorn, AfD.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7307783 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 72 |
Tagesordnungspunkt | KiTa-Qualitäts- und -Teilhabeverbesserungsgesetz |