14.12.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 72 / Tagesordnungspunkt 21

Claudia Roth - Multilateraler Gerichtshof

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Kollegin Dröge, es ist auch in unserem Parlament langsam Weihnachtsfrieden eingekehrt. Ich hatte eigentlich gehofft, dass wir heute eine Debatte führen, in der wir sicherlich nicht übereinkommen, wohl aber bei den Fakten bleiben. Allerdings dadurch, dass Sie in dieser Debatte noch einmal versuchen, dermaßen viele Dinge in einen Topf zu werfen, entsteht kein guter Glühwein für die Weihnachtszeit. Das, was Sie uns angeboten haben, ist einfach untrinkbar gewesen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dass Sie gerade jetzt, wo es darum geht, Weihnachtsgeschenke zu kaufen, zu organisieren und zu basteln, noch einmal richtig auf die Tränendrüse gedrückt haben, wird der Sache sicher nicht gerecht. Sie wissen doch ganz genau, dass die Investitionsschutzabkommen, über die wir reden, nicht dazu da sind, die Dinge zu regeln, die Sie gerne möchten,

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und warum nicht?)

sondern dass man andere Vertragswerke gestalten muss, in denen man die Einhaltung der Menschenrechte und der Bestimmungen zu den Arbeitsbedingungen vor Ort regeln kann.

Ich komme zu den Investitionsschutzabkommen zurück. Um es noch einmal ganz klar und deutlich zu sagen: Der Erfinder dieser Investitionsschutzabkommen ist im Prinzip Deutschland selbst gewesen. In den 50er- und 60er-Jahren war es notwendig, deutschen Unternehmen Investitionen in vielen Teilen der Welt zu ermöglichen. Um in vielen Teilen der Welt Investitionen zu tätigen, sind diese Investitionsschutzabkommen zustande gekommen.

Man muss ganz klar sagen, dass es gerade für kleine und mittlere Unternehmen wichtig ist, dass ihre Investitionen in unsicheren Ländern vor nicht rechtsstaatlichen Angriffen geschützt werden. Sie wissen ganz genau, dass das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit nicht überall auf der Welt genauso gilt wie in unserem Land. Schon bei TTIP gab es heftige Diskussion über die internationalen Investitionsschutzgerichte. Ich denke, Sie haben schon einen großen Erfolg erzielt. Bei der Diskussion über TTIP und CETA haben wir die europäische Ebene dazu veranlasst, neu darüber nachzudenken. Insofern können Sie sich selbst auf die Schulter klopfen und sagen: Wir haben etwas erreicht.

Der neue multinationale Investitionsgerichtshof, den die Europäische Union auf die Beine stellen will, ist ein sehr ambitioniertes Vorhaben; das muss man klar sagen. Durch diesen Gerichtshof sollen letztendlich auch die insgesamt rund 3 200 geltenden Investitionsschutzabkommen – davon sind 1 400 von EU-Mitgliedstaaten abgeschlossen worden – Schritt für Schritt abgelöst werden, um sie auf das europäische Level zu heben.

Ich finde es fortschrittlich, dass Sie einen Investitionsgerichtshof zumindest nicht grundsätzlich infrage stellen, wie man in Ihrem Antrag lesen kann. Das ist ein großer Fortschritt. Aber man muss sagen: Ihre Methode, den Unternehmen alles immer von oben aufzudrücken, immer die Unternehmer in ein schlechtes Licht zu rücken und so zu tun, dass sie die Menschenrechte und die lokalen Regelungen zu den Arbeitsbedingungen nicht einhielten, ist aus meiner Sicht falsch.

(Zuruf des Abg. Dr. Diether Dehm [DIE LINKE])

Gerade deutsche Unternehmen sind in der Welt hoch anerkannt, gerade weil sie es anders machen, weil sie für Ausbildung sorgen, weil sie in ihren Unternehmen in allen Teilen der Welt Standards haben, die unseren Vorstellungen entsprechen. Insofern halte ich, halten wir diese Methode, den Unternehmen alles von oben aufzudrücken, für falsch.

(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was heißt denn das? – Ottmar von Holtz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie reden komplett am Thema vorbei!)

Herr Lämmel, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung von Diether Dehm?

Ja, der Herr Dehm hat immer gute Bemerkungen.

Ich will nur gleich sagen: Es gibt maximal nur eine Zwischenfrage pro Fraktion und Debattenpunkt, aber keine Kurzinterventionen. Das hat die Kollegin Pau schon gesagt.

So, Herr Dehm, aber bitte kurz.

Herzlichen Dank. – Die Kollegin hatte, wenn ich mich recht erinnere, von KiK und Bangladesch gesprochen. Wer aus Bangladesch steht denn über einem Konzern wie KiK? Wer ist denn derjenige, von dem Sie befürchten, er könne von oben auf KiK zugreifen? Oder ist es nicht so, dass über manchen Konzernen nur der blaue Himmel ist?

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Über uns allen ist nur der Himmel. Ich weiß nicht, wie das bei Ihnen ist. Aber da Sie ja nicht an einen Himmel glauben, ist über Ihnen ja vielleicht ein rotes Zelt. Ich weiß es nicht.

Ganz klar ist doch: KiK ist natürlich ein besonderer Fall; da sind wir uns in diesem Hause einig. Deshalb hatte ja Gerd Müller als zuständiger Minister damals das Textilbündnis mit auf den Weg gebracht, um auch auf politischer Ebene für diese Dinge Sorge zu tragen.

(Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Was ist denn mit dem Grünen Knopf?)

Es gibt natürlich immer wieder schwarze Schafe – das ist gar keine Frage; das will ich gar nicht bestreiten –, und deswegen haben wir politisch die notwendigen Initiativen ergriffen. Es wäre natürlich nicht schlecht, wenn sich noch mehr Firmen am Textilbündnis beteiligen würden. Damit will ich Ihnen bloß sagen: Wir tun schon das politisch Notwendige. Aber wir unterstützen nicht den Antrag der Grünen, in dem die Unternehmerschaft grundsätzlich ins schwarze Licht gerückt wird.

(Beifall des Abg. Stefan Rouenhoff [CDU/CSU] – Ottmar von Holtz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stimmt doch gar nicht!)

Frau Dröge, noch eine Sache, die Sie eigentlich wissen müssten. In der Anhörung des Wirtschaftsausschusses am 6. Juni dieses Jahres haben die Gutachter doch ganz klar dargelegt – da haben Sie sicherlich gut zugehört –, dass im Durchschnitt nur 25 Prozent der Schiedssprüche, die nach angestrengten Verfahren gesprochen werden, zugunsten der Unternehmen ausgehen – das ist also schon eine sehr geringe Zahl – und dass ungefähr weitere 25 Prozent der Schiedsgerichtsverfahren mit einem Vergleich enden; 50 Prozent sind damit also schon abgefrühstückt. In den Fällen, in denen es letztendlich um eine finanzielle Entschädigung ging, war die durchschnittliche Entschädigungshöhe ungefähr 29 Prozent.

(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welche 29 Prozent? – Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Äußern Sie sich doch einmal zu Vattenfall!)

Also das, was Sie hier als Gespenst an die Wand malen, findet überhaupt nicht statt. Es stimmt überhaupt nicht, was Sie versucht haben den Menschen zu suggerieren.

Meine Damen und Herren, wir wollen auch nicht, dass ein Verbändeklagerecht auf internationaler Ebene eingeführt wird wie in Deutschland. Wir können sehen, dass in Deutschland Investitionen, ob nun in Stromnetze, in Straßen oder in Schienen, verhindert werden, weil jeder Verband heutzutage ein Klagerecht hat und damit die Möglichkeit, Investitionen auf ewige Zeit zu verzögern.

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht um Opfer von Menschenrechtsverletzungen!)

Eine Investitionsgerichtsbarkeit, die Schiedsgerichte, der Investitionsschutz sind notwendig, um überhaupt Investitionen zu ermöglichen; Frau Dröge, das wissen Sie ganz genau. In Afrika würden noch weniger Investitionen deutscher Unternehmen getätigt werden, hätten wir nicht die Investitionsgerichtsbarkeit. Deswegen, meine Damen und Herren, können wir über die Themen, die die Grünen in ihrem Antrag angesprochen haben, gerne sprechen, aber nicht im Zusammenhang mit Investitionsschutz und einem multilateralen Investitionsgerichtshof. Also: Wir lehnen Ihren Antrag ab.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielen Dank, Andreas Lämmel. – Nächster Redner für die AfD-Fraktion: Stephan Brandner.

(Beifall bei der AfD)

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Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7307844
Wahlperiode 19
Sitzung 72
Tagesordnungspunkt Multilateraler Gerichtshof
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