14.12.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 72 / Tagesordnungspunkt 21

Markus TönsSPD - Multilateraler Gerichtshof

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Dröge, man muss schon ein bisschen aufpassen, wie man argumentiert.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das hat sie sehr gut gemacht!)

– Finden Sie? Ich finde nicht. – Mindeststandards werden zum Beispiel nicht im Rahmen von Investitionsschutzabkommen verhandelt, sondern im Rahmen von Freihandelsabkommen. Da muss man schon unterscheiden, wenn man das hier vorbringt. So ist das halt.

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sehen hier ein Konzept!)

Wenn man dann von der Klage Vattenfalls redet, dann muss man wissen, dass es hier um ein Investitionsschutzabkommen geht, in dessen Rahmen der schwedische Konzern Vattenfall den Staat Deutschland vor einem internationalen Schiedsgericht verklagt. Sie wissen auch, dass es nach dem Achmea-Urteil durchaus umstritten ist, ob das überhaupt möglich ist. Das ist ungeklärt. Über diese Frage werden wir uns noch unterhalten. Das aufzumetern, um zu sagen: „Jetzt ist aber alles, was mit Investitionsschutz zu tun hat, falsch“, ist ein schlechtes Beispiel.

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie beschreiben dasselbe Prinzip!)

Nur noch ein kleiner Hinweis zu China, der vielleicht hilft. Es gibt kein Investitionsschutzabkommen mit China. Das gibt es schlichtweg nicht.

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben schon verstanden, dass wir etwas Neues schaffen! Das ist ein Konzept!)

Das ist hilfreich. Vielleicht sollten Sie den Menschen keinen Sand in die Augen streuen, Frau Dröge.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum ist eigentlich die SPD, wenn es darauf ankommt, immer aufseiten der Großkonzerne? – Gegenruf des Abg. Falko Mohrs [SPD]: Das ist doch völliger Unfug!)

– Das ist doch Quatsch. Aber hören Sie doch mal zu! Dann können Sie vielleicht etwas lernen. Das ist vielleicht ganz gut für Sie.

(Beifall der Abg. Ingrid Arndt-Brauer [SPD] – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Keine Antwort auf meine Frage!)

Sie wollen gleichzeitig die Reform institutioneller Standards und die Reform materieller Standards. Sie wollen sozusagen die Quadratur des Kreises. Was haben wir? Wir haben weltweit 2 500 Investitionsschutzanträge. Alle sollen vereinheitlicht werden; das ist Ihr Ziel. Erst danach soll über einen multilateralen Investitionsgerichtshof verhandelt werden. Dann sind wir in 100 Jahren noch nicht weiter.

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir wollen den Prozess der EU unterstützen!)

Darüber muss man, glaube ich, auch mal nachdenken. Sie ziehen rote Linien und machen die Verhandlungsspielräume damit so eng, dass es dann schlichtweg nicht möglich ist, dies hinzubekommen. Außerdem müsste man dann auch bedenken, dass das Verhandlungsmandat nachträglich zu ändern ist. Ich glaube, dass das mit den 26 Partnern in der Europäischen Union – wir lassen die Briten mal an dieser Stelle weg – nicht möglich ist. Es ist richtig, den ersten Schritt zu machen und die institutionellen Standards zu ändern.

Dann will ich eines zur AfD sagen:

(Jürgen Braun [AfD]: Oh!)

Die AfD hat eine Vorstellung von Handelspolitik, die noch aus dem 19. Jahrhundert kommt. Für Sie ist Handel nur Austausch von Waren. Ich glaube, Sie haben überhaupt nicht begriffen, worum es in der internationalen, globalisierten Welt geht.

(Jürgen Braun [AfD]: Aber die SPD!)

Wenn man die ganze Zeit – was Sie ja immer tun – von deutschen Interessen spricht, dann muss man sich mit Investitionsschutz inhaltlich auseinandersetzen. Dann muss man auch mal verstehen, worum es dabei eigentlich geht. Das haben Sie gar nicht begriffen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Sie hassen die Europäische Union. Sie hassen alles Internationale. Sie hassen die UNO, wie Sie eben gesagt haben.

(Jürgen Braun [AfD]: Sie von der SPD hassen die Wahrheit!)

Sie wollen einen starken Staat, aber eine schwache EU.

(Jürgen Braun [AfD]: Sie erzählen Unsinn!)

Im Prinzip hassen Sie damit auch die Menschen in Deutschland,

(Jürgen Braun [AfD]: Sie erzählen kompletten Unsinn, Herr Töns!)

weil Sie das Beste – das ist es, worum es hier geht – in Zweifel ziehen. Das ist schon abenteuerlich.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wenn man Quatsch erzählt,

(Jürgen Braun [AfD]: Ja, wie Sie!)

dann sollte man ihn auch vernünftig begründen können. Ich kann den von Ihnen behaupteten Zentralismus eines multilateralen Investitionsgerichtshofes nun wirklich nicht erkennen. Das hat nichts miteinander zu tun.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Falko Mohrs [SPD]: Da ist ein Phrasendrescher rausgekommen!)

Was sind denn unsere Positionen? Es geht darum, bei einem multilateralen Investitionsgerichtshof zu mehr Rechtsbindung in einem internationalen Rahmen zu kommen, ein Schritt hin zu mehr Transparenz und Unabhängigkeit. Wir begrüßen das ausdrücklich. Ich will auf einige Dinge eingehen. Wo stehen wir? Grundsätzliches Problem: Private Schiedsgerichte entscheiden im Moment über die Auslegung internationaler Verträge. Das ist falsch, weil es mangelnde Transparenz der Verfahren gibt, mangelnde Rechtssicherheit, mangende Unabhängigkeit der Richter und keine Berufungsinstanz. Unsere Forderung bezieht sich auf die Auslegung des Völkerrechts. Es muss öffentlich und durch unabhängige Richter erfolgen. Deshalb ist die Ablösung des alten Systems, das intransparent ist, richtig. Zukünftig müssen private Schiedsgerichte der Vergangenheit angehören. Das ist der Schritt in die richtige Richtung.

Also, was tun wir? Ohne Sigmar Gabriel als Wirtschaftsminister und ohne die SPD hätte es die Veränderung von einem alten System hin zu einem neuen überhaupt nicht gegeben; das muss man deutlich sagen.

(Beifall bei der SPD)

Statt privater Schiedsgerichte öffentlich-rechtliche Gerichtshöfe! Um das an dieser Stelle auch zu sagen: Das alte System bedeutete geheime Verhandlungen und geheime Urteile. Der neue Investitionsgerichtshof bedeutet öffentliche Verhandlungen, veröffentlichte Urteile und Rechtssicherheit. Schiedsrichter mussten im alten System für jedes Verfahren neu ernannt werden. Zukünftig wird es unabhängige Richter geben, ernannt für einen längeren Zeitraum, feste Vergütungen und einen strengen Ethikkodex. Das alles sind Neuerungen und Verbesserungen. Es gab früher keine Möglichkeit, in Berufung zu gehen. Eine Berufungsinstanz wird es zukünftig geben. Auslegungsfehler können also korrigiert werden. Das alles ist neu und richtig. Ich glaube, auf diesen Weg müssen wir uns machen. Diese Verbesserung – das ist eindeutig – gibt es nur aufgrund des Einsatzes der SPD und des ehemaligen Bundeswirtschaftsministers Gabriel.

(Beifall bei der SPD)

Es gibt bereits Einigung über die Einrichtung bilateraler Investitionsgerichtshöfe mit Kanada, Mexiko, Singapur und Vietnam.

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind weiterhin Schiedsgerichte!)

Es ist ein mittelfristiges Ziel, einen multilateralen Investitionsgerichtshof zu schaffen, einen Gerichtshof für alle Staaten, die mitmachen wollen. Eine multilaterale Lösung ist aus meiner Sicht im Moment der Königsweg. Es können später sicherlich noch Dinge hinzukommen, über die man verhandeln muss. Aber das ist der erste Schritt. Aktuell läuft dazu übrigens ein Diskussionsprozess bei den Vereinten Nationen. Er ist ganz wichtig.

Noch mal an die Grünen gerichtet: Liebe Frau Dröge, es geht jetzt darum, bei anderen Staaten für einen multilateralen Investitionsgerichtshof zu werben und ein Mandat an die Kommission offenzuhalten. Wir sind am Anfang dieses Diskussionsprozesses. Sie ziehen aber rote Linien, bevor Sie überhaupt mit anderen Ländern gesprochen haben. Sie vergraulen die potenziellen Partner. Im Multilateralismus und in der internationalen Diplomatie ist das aus meiner Sicht schlichtweg naiv. Ich will Ihnen da einmal eine Frage stellen; denn eines wundert mich: Wann haben die Grünen eigentlich ihren Kompass in der internationalen Politik verloren? Da ist seit einigen Jahren doch schon einiges verloren gegangen.

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und was genau? Was denn?)

Wir fordern von der EU, international für den multilateralen Investitionsgerichtshof zu werben, weil er erstmalig ein Gericht ist, das auch transparent verhandelt. Er soll alle alten Verträge ersetzen und die privaten Schiedsgerichte durch öffentliche Gerichte ersetzen, Vertrag für Vertrag. Das ist der richtige Weg, zwar in kleinen Schritten, aber es ist der richtige Weg. Ein Beispiel ist der neue Investitionsschutzvertrag mit Singapur. Das ist ein gutes Beispiel dafür, dass es geht. Er wird 17 bilaterale Investitionsschutzabkommen ablösen, die nach dem alten System funktionieren. Das ist gut.

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)

Unsere Forderung als Sozialdemokraten an die Bundesregierung ist, sich bei der EU weiter dafür einzusetzen, dass es diesen multilateralen Investitionsgerichtshof mit möglichst vielen Partnern in der Welt gibt. Ich halte das für richtig.

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Möglichst wenig Antworten!)

– Es werden nicht alle mitmachen, Frau Dröge. Das ist halt so.

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie versuchen ja noch nicht einmal, es besser zu machen! Sie machen einfach nichts!)

Wir können es trotzdem versuchen. Wir werben um jeden.

Der Antrag der Grünen ist abzulehnen, weil er am Ziel vorbeischießt.

Ich wünsche uns allen trotzdem schöne Weihnachtstage und einen geruhsamen Übergang ins nächste Jahr.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank, Markus Töns. – Nächste Rednerin für die FDP-Fraktion: Sandra Weeser.

(Beifall bei der FDP)

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Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7307849
Wahlperiode 19
Sitzung 72
Tagesordnungspunkt Multilateraler Gerichtshof
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