14.12.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 72 / Tagesordnungspunkt 13

Johannes FechnerSPD - Strafschärfung bei Rückfall

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Nach diesem Treffer noch reden zu müssen, ist undankbar.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf den Tribünen! Einmal mehr legt die AfD einen handwerklich schlecht gemachten Gesetzentwurf vor, der zudem gefährlich ist, weil er für mehr Kriminalität sorgen würde. Vom Vorsitzenden des Rechtsausschusses sind wir gewohnt, dass er regelmäßig rechtspolitische Debatten schwänzt, aber dass der Redner der AfD keinen einzigen Kollegen aus seiner Fraktion aus dem Rechtsausschuss hier ins Plenum bekommt, dass Sie von den eigenen Leuten so im Stich gelassen werden, zeigt doch die dünne Qualität dieses Gesetzentwurfs, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deutschland ist eines der sichersten Länder. Damit das auch so bleibt, hat die Große Koalition schon in der letzten Wahlperiode viel getan, und wir haben auch noch viel vor. Zum Beispiel haben wir im Bereich der Prävention mit unserem Förderprogramm für Einbruchschutz dafür gesorgt – wie alle Experten sagen –, dass die Einbrüche in Deutschland zurückgehen, und dieses Programm haben wir um 80 Millionen Euro aufgestockt. Wir haben das Strafrecht dort, wo es sinnvoll war, etwa im Sexualstrafrecht oder bei den Attacken gegen Rettungskräfte, verschärft. Und vor allem werden wir für mehr Personal sorgen. Wir haben schon in der letzten Wahlperiode 3 000 zusätzliche Stellen bei den Sicherheitsbehörden geschaffen. Wir haben mehr Personal beim Generalbundesanwalt und beim BGH geschaffen. Und ich hoffe, dass wir im Januar auch zu dem Pakt für den Rechtsstaat kommen und damit 2 000 zusätzliche Stellen für die Justiz schaffen können. Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit solchen Maßnahmen sorgen wir für mehr Sicherheit, mit solchen Maßnahmen bekämpfen wir Kriminalität, nicht mit Ihrem Gesetzentwurf. Sie wollen die Leute ja nur wegsperren, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU])

Heute Morgen haben wir das Gute-Kita-Gesetz verabschiedet. Warum sage ich das? Ich finde, mit guten Bildungseinrichtungen, mit guten Bildungsangeboten verschaffen wir jungen Leuten einen Berufsabschluss und damit eine Lebensperspektive. Das ist für mich, nebenbei gesagt, auch Kriminalitätsprävention. Auch deswegen war das Gute-Kita-Gesetz eine wichtige Maßnahme, die wir heute Morgen beschlossen haben.

(Beifall bei der SPD)

Der AfD-Gesetzentwurf ist schlampig formuliert. Auf Seite 1 schreiben Sie zum Beispiel „Fragesteller“. Offensichtlich war der Text des Gesetzentwurfs für eine Anfrage geplant.

(Ulli Nissen [SPD]: Peinlich!)

Sie zeigen aber auch allein schon durch Ihre Sprache, wes Geistes Kind dieser Gesetzentwurf ist. Begriffe wie „sozialschädliche Gewohnheitsverbrecher“, angebliches Verwirken des Rechts auf Freiheit, Bürger mit angeblich angeborenen schädlichen Neigungen – das sind Begriffe, die an die finstersten Zeiten in Deutschland erinnern, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das will ich hier ausdrücklich sagen.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch rechtsdogmatisch ist Ihr Gesetzentwurf indiskutabel. Für den Strafrahmen maßgeblich ist der Unwertgehalt der Handlung, der durch den Rückfall eben nicht erhöht wird. Aus guten Gründen wurde deshalb 1986, mit Zustimmung über alle Parteigrenzen hinweg, der damalige, vergleichsweise noch harmlose, § 48 in der alten Version gestrichen. Ich glaube, das war eine richtige Maßnahme, die damals getroffen wurde.

Vor allem aber – und das ist mir der wichtigste Punkt – ist Ihr andauerndes Misstrauen gegenüber unserer Justiz eine schallende Ohrfeige für alle Staatsanwälte und alle Strafrichter in Deutschland, die oft unter hoher Arbeitsbelastung ihren Dienst für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland tun.

(Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es ist einfach unerträglich, wie Sie den hart arbeitenden Staatsanwältinnen und Staatsanwälten und Strafrichtern immer wieder vorwerfen, zu lasch zu urteilen und den jeweiligen Strafrahmen nicht auszuschöpfen. In Ihrem Gesetzentwurf sprechen Sie ausdrücklich vom Misstrauen gegenüber der Judikative. Dieses Dauermisstrauen gegenüber der Justiz ist, wie gesagt, eine schallende Ohrfeige, die die Arbeit der Staatsanwälte und Strafrichter in Deutschland in einer unangemessenen Weise herabwürdigt. Das können wir nicht dulden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU sowie der Abg. Stephan Thomae [FDP] und Helin Evrim Sommer [DIE LINKE])

Sie verweisen auf den Fall in Straßburg. Ich war vor wenigen Tagen selbst mit meiner Familie auf diesem wunderschönen Weihnachtsmarkt. Der Fall in Straßburg ist ein Beispiel dafür, dass Ihr Gesetzentwurf überhaupt nichts bringen würde; denn die längste Haftstrafe hat der Täter für seine Einbrüche in Deutschland bekommen. Wir haben also eine hart urteilende, eine angemessen urteilende Justiz in Deutschland. Von einer laschen Justiz kann überhaupt keine Rede sein. Und es war der Gefängnisaufenthalt, der diese Person radikalisiert hat. Das heißt, je länger man jemanden wegsperrt, desto höher ist das Risiko, dass er ins kriminelle Milieu abdriftet und eine kriminelle Karriere starten wird.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Helin Evrim Sommer [DIE LINKE] – Jürgen Braun [AfD]: Das behaupten Sie doch nur! Das ist doch eine bloße Behauptung in diesem Fall! Im konkreten Fall wissen Sie das doch gar nicht, Herr Fechner!)

Auch dazu gibt es genügend Studien, die Sie natürlich ignorieren, wie Sie es auch in Ihrem Gesetzentwurf tun.

Insofern: Der Gesetzentwurf ist nicht zu unterstützen. Er würde nichts bringen, sondern würde – im Gegenteil – für mehr Kriminalität in Deutschland sorgen.

(Jürgen Braun [AfD]: Niemanden mehr einsperren, das will Herr Fechner, das ist seine Logik! Alle Gefängnisse aufmachen, damit niemand radikalisiert wird! Was ist das für eine Logik? Eine absurde Nummer hier!)

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Nächster Redner ist der Kollege Niema Movassat, Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7307869
Wahlperiode 19
Sitzung 72
Tagesordnungspunkt Strafschärfung bei Rückfall
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