14.12.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 72 / Tagesordnungspunkt 13

Alexander HoffmannCDU/CSU - Strafschärfung bei Rückfall

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Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Peterka, ich sage jetzt einfach mal: Schade. Denn ich habe eigentlich gedacht, auch vom Thema her, dass wir heute durchaus fachlich und sachlich tief und rechtspolitisch angemessen dieses Thema aufarbeiten können.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum denn? – Marianne Schieder [SPD]: Haben Sie das echt erwartet? – Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Von der AfD? Das ist aber traurig!)

– Ja, tatsächlich. – Ich habe mich dann im Laufe Ihrer Rede gefragt, in welchem Land Sie leben, wenn Sie von „Freibeuterstimmung“ und einem „Beutestaat“ reden. An der Stelle Ihrer Rede, als Sie gesagt haben: „Es gibt Leute, die ihren Sperrmüll heute schon rausstellen“, habe ich gedacht: Das kommt an diesem Rednerpult auch manchmal vor, dass Leute ihren Sperrmüll in verbaler Art und Weise rausstellen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Ich will Ihnen auch noch etwas dazu sagen, weil ich die Art und Weise, wie Sie die Debatten führen, für gefährlich halte. Ich glaube, die Rechtspolitik ist nicht der Raum, um dort Strafrecht nach der Schweinehundtheorie zu konstruieren, die sich bei Ihnen vor allem an der Herkunft und der Gesinnung entlanghangelt. Wenn Sie dann auch noch ausdrücklich sagen, dass Sie richterliches Ermessen einschränken wollen, dann läuft es mir eiskalt den Rücken herunter, und dann will ich Ihnen ganz ehrlich sagen: Da haben wir in diesem Haus einen anderen Anspruch.

(Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich möchte noch ein paar Sätze dazu sagen, warum ich mir von der Debatte fachlich und sachlich mehr erhofft hatte. Denn man kann in der Tat darüber nachdenken – das tun wir beim Pakt für den Rechtsstaat auch –, was man strafrechtlich machen kann, um vor allem auch präventiv mehr auf Täter einzuwirken. Beim Wiederholungstäter muss es natürlich um Sanktionen gehen – denn es ist ein Mehr an Schuld –, und es muss auch um Prävention gehen.

Aber man darf nicht ausblenden, dass wir mit § 48 StGB alter Fassung schon Erfahrungen gesammelt haben; Kollege Martens hat es gesagt. Er hatte eigentlich nicht die erhoffte Wirkung, ganz im Gegenteil. Wir stellen heute fest, dass nach der Abschaffung von § 48 das Strafmaß nicht niedriger geworden ist. Denn das, was § 48 damals formuliert hat, geht komplett in den heute anerkannten Regeln der Strafzumessung auf, die – das müssten Sie wissen – gerade auch vom BGH in den letzten Jahrzehnten sehr feingliedrig entwickelt worden sind.

Da sind Komponenten wie Vorstrafen und auch die Rückfallgeschwindigkeit ausdrücklich und zwingend zu berücksichtigen. Das darf also heute schon kein Richter außen vor lassen, weil das unter Umständen in seinem Urteil schon den Grund dafür, in die nächste Instanz zu gehen, geben könnte, zumal man auch feststellen muss – auch das ist angeklungen –: Strafzumessung bedeutet Einzelfallgerechtigkeit, und es verbieten sich schematische Vorgaben, die der Einzelfallgerechtigkeit im Ergebnis entgegenstehen können.

Wenn man eine Norm ins Feld führt, die vorsieht, den Rückfall ausdrücklich als strafschärfend gesetzlich zu regeln, dann muss man in dem entsprechenden Gesetzentwurf auch erklären – aber das machen Sie nicht –, warum nicht auch andere Komponenten wie zum Beispiel besondere schwere Auswirkungen beim Opfer ausdrücklich strafschärfend berücksichtigt werden.

Die Systematik in Österreich ist genannt worden. Ich glaube nicht, dass das als Beispiel trägt. Die Österreicher haben eine andere Systematik, was die Strafrahmen angeht. Ich glaube, dass sich unser Prinzip bewährt hat, weil wir die Strafzumessung in die Hand unabhängiger Gerichte legen, und ich glaube, dass wir gerade auf Unabhängigkeit großen Wert legen müssen.

Ich will am Ende dieser Debatte, kurz bevor Weihnachtsstimmung aufkommt, noch einen Punkt anmerken. Wenn Sie Ihren Gesetzentwurf hier vorstellen, merkt man schon, dass Sie sich in der Rolle der Partei der Rechtsstaatlichkeit gefallen – mit viel Pathos. Ich muss Ihnen aber ehrlich sagen: Wenn man diese Rolle spielen will, dann muss man sich auch in allen Belangen daran halten. In diesen Tagen wurde Ihre Fraktionsvorsitzende Frau Weidel mit dem Satz zitiert: Von den Gelbwesten in Frankreich können wir lernen.

(Ulli Nissen [SPD]: Pfui!)

Wenn ich Bilder von ausgebrannten Autos sehe, geplünderte Geschäfte – auch das ist eine Straftat –, eingeschlagene Fensterscheiben

(Marianne Schieder [SPD]: Das haben wir auch schon mal gehabt!)

und verletzte Polizisten, dann muss ich ganz ehrlich sagen: So ein Satz darf von einer Partei, die eine Partei des Rechtsstaats sein will, mit Sicherheit nicht kommen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wollen die doch gar nicht! – Martin Hohmann [AfD]: Es gibt nur verschiedene Aspekte da! Sie haben jetzt einen beleuchtet!)

– Man kann natürlich darüber reden, dass es verschiedene Aspekte gibt. Aber das ist schon ein halbes Zurückrudern. Sie sollten mir eigentlich recht geben und sagen: Der Satz ist letztendlich zu platt. – Er passt nämlich nicht in einen Rechtsstaat, Herr Kollege.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich wünsche Ihnen frohe Weihnachten und eine besinnliche Zeit.

(Marianne Schieder [SPD]: Das nützt bei denen nichts!)

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. Karl-Heinz Brunner, SPD, ist der letzte Redner in dieser Debatte.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7307874
Wahlperiode 19
Sitzung 72
Tagesordnungspunkt Strafschärfung bei Rückfall
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