17.01.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 74 / Zusatzpunkt 5

Alexander GaulandAfD - Aktuelle Stunde: Zustand der EU - Deutsch-Französische Sonderwege

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am 22. Januar will die Bundeskanzlerin mit Frankreichs Staatschef Macron in Aachen – gewissermaßen unter den Augen Karls des Großen – einen neuen deutsch-französischen Freundschaftsvertrag schließen. Eigentlich handelt es sich um zwei Verträge. Ein deutsch-französisches Parlamentsabkommen wurde bereits im November unterzeichnet. Der zweite und eigentliche Vertrag zwischen der Bundesrepublik und der Französischen Republik ist vertraulich. Sein Inhalt wurde der Öffentlichkeit bis jetzt vorenthalten. Erst gestern bekamen ihn die Bundestagsabgeordneten mit einem Vertraulichkeitsvermerk zugeschickt. Über den Grund kann ich nur Vermutungen anstellen: Entweder die Sache ist so belanglos, dass man die Bürger nicht damit traktieren will, oder es gehört inzwischen einfach zum Stil der Regierung, dem Volk gegenüber Diskretion zu wahren.

(Beifall bei der AfD – Florian Hahn [CDU/CSU]: An den Haaren herbeigezogen!)

Schauen wir nach Frankreich, meine Damen und Herren. Die Proteste der Gelbwesten gegen die Regierung hören nicht auf. Seit Wochen toben Straßenschlachten – und dieses Wort ist wörtlich zu nehmen – zwischen den Demonstranten und der Polizei. Die Protestler sind durchschnittliche Franzosen, keine Feinde der Republik. Die auf zahlreichen Videos bezeugte polizeiliche Gewalt gegen sie ist maßlos. Es gibt inzwischen mindestens zehn Tote, die Zahl der Verletzten liegt im vierstelligen Bereich, ebenso die Zahl der Inhaftierten. Im Nachbarland herrschen bürgerkriegsähnliche Zustände.

Liebe Kollegen, wollen wir uns doch einmal ausmalen, was hier los wäre, politisch und in unseren Medien, wenn Präsident Orban auf diese Weise gegen Demonstranten vorginge,

(Beifall bei der AfD)

wenn er mit Hartgummigeschossen auf sie schießen ließe und Demonstrationsverbote verhängte.

Frau Merkel hat sich auf bemerkenswerte Weise zu den Straßenschlachten geäußert: Die Möglichkeit, zu protestieren, sei Teil der Demokratie, aber das Gewaltmonopol liege beim Staat.

(Florian Hahn [CDU/CSU]: Ist das nicht so?)

Die Solidarisierung der Linkspartei mit den Gelbwesten nannte die Kanzlerin skandalös, weil Die Linke sich nicht klar und deutlich von der Gewalt der Demonstranten distanziere. Da sie zu den Übergriffen der Staatsgewalt nichts gesagt hat, dürfen wir sie so verstehen, dass die Bundeskanzlerin diese Gewalt billigt, weil es Macron ist? Ich hoffe, nicht.

Es war immer die Linie unserer Partei, dass wir uns nicht in die inneren Angelegenheiten anderer Länder einmischen wollen,

(Jürgen Hardt [CDU/CSU]: Ach!)

aber wir haben es hier mit einem Partner zu tun, mit dem die Regierung die Zusammenarbeit nicht bloß vertiefen, sondern mit dem sie praktisch eins werden will. Deutschland und Frankreich sollen mit dem Vertrag eine EU der zwei Geschwindigkeiten eröffnen, eine Art Super-EU innerhalb der EU bilden.

(Zuruf von der FDP: Das ist doch Quatsch!)

Eine deutsch-französische Sonderbeziehung wird uns allerdings von den anderen Europäern entfremden und genau jenen europäischen Gedanken torpedieren, den Frau Merkel und Herr Macron und auch die Union immer so innig beschwören.

(Beifall bei der AfD – Marianne Schieder [SPD]: Sind Sie jetzt für oder gegen Europa?)

Wenn es nach den Enthusiasten dieser deutsch-französischen Verbrüderung geht, wird bald nichts mehr unsere Länder trennen. Aber wie vertieft man die Verbindungen zu einem Land, das selber dermaßen uneins und gespalten ist, zu einem Land, das die Regeln der Demokratie außer Kraft setzen muss, um die Opposition zu bekämpfen? Mehr als die Hälfte der Franzosen unterstützt laut Umfragen die Gelbwesten. Mit welchem Teil Frankreichs verhandeln wir eigentlich?

(Christian Petry [SPD]: Was für eine komische Frage!)

Herr Macron erinnert mich ein wenig an Michail Gorbatschow Anfang 1991: im Ausland umschwärmt, und daheim bricht ihm seine Macht unter den Füßen weg.

(Beifall bei der AfD)

Seine hochherzigen europapolitischen Visionen scheitern bereits vor den Türen des Élysée-Palastes.

Ich sagte, dass wir uns nicht in die inneren Angelegenheiten anderer einmischen werden, aber das gilt natürlich auch für den umgekehrten Fall. Wir wollen uns nicht von Herrn Macron, der sein eigenes Land offensichtlich nicht in Ordnung bringen kann, Visionen über die Zukunft unseres Landes aufdrängen lassen,

(Beifall bei der AfD)

die aus seiner Sicht bloß auf finanzielle Unterstützung hinauslaufen.

(Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Sie haben es gar nicht gelesen!)

Als Populisten bestehen wir darauf, dass sich jeder zuerst um seinen eigenen Laden kümmert, aber wir wollen nicht, dass Macron ihn mit deutschem Geld renoviert.

(Beifall bei der AfD – Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Noch plumper geht’s nicht!)

Meine Damen und Herren, in Aachen verhandeln zwei Staatschefs, die ahnen, dass diese EU in dieser Form zerfallen wird. Es kann sein, dass auf französischer Seite jemand unterzeichnet, dessen politische Karriere bald Vergangenheit ist.

(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wollen sich doch nicht einmischen!)

Die Franzosen waren schon immer schneller als wir.

Ich bedanke mich.

(Beifall bei der AfD – Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Was für eine peinliche Rede!)

Vielen Dank. – Nächster Redner für die CDU/CSU-Fraktion: Jürgen Hardt.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7317782
Wahlperiode 19
Sitzung 74
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde: Zustand der EU - Deutsch-Französische Sonderwege
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