17.01.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 74 / Tagesordnungspunkt 8

Michael SchrodiSPD - Anpassung kindergeldrechtlicher Regelungen

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon erwähnt worden: Wir haben jetzt mehrere Debatten zu dem Thema geführt. Die Anträge der AfD waren schon damals Quatsch. Aber um es mit Herbert Wehner zu sagen: Sie sind einige Wochen später nur noch „quätscher“.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der FDP)

Es gibt einige Dinge dazu zu sagen, warum sie nur noch „quätscher“ sind.

Zum Ersten. Die Zunahme der Kindergeldanträge und der Kindergeldzahlungen in den letzten Jahren bringen Sie immer in Zusammenhang mit Missbrauch; das ist hier auch schon erwähnt worden. Richtig ist: Sie ist eine Folge der Arbeitnehmerfreizügigkeit. Die Wirtschaft brummt. Es gibt hohe Beschäftigungszahlen. Darauf sind wir stolz.

Wir brauchen aber auch weiter Menschen, die hier arbeiten. So wirbt zum Beispiel auch der Gesundheitsminister um europäische Pflegekräfte. Die Menschen kommen also hierher, arbeiten hier, zahlen hier Steuern und zahlen hier Versicherungsbeiträge. Sie haben deswegen – das steht so in dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs, das Sie hier zitieren – ein Recht auf Kindergeld. Wir werden nicht zulassen, dass es Lohndumping auf Kosten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gibt, indem man ihnen dieses Recht abspricht, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Zum Zweiten. Sie reden von Einsparungen. Um das einmal einzuordnen: 2018 gingen 1,64 Prozent der Kindergeldzahlungen an Kinder im europäischen Ausland – davon übrigens 30 000 deutsche Staatsbürger; die wollen Sie jetzt irgendwie herausrechnen –, und der Anteil der Kindergeldzahlungen an EU-Staaten am Gesamtvolumen betrug 1,08 Prozent. Wenn man über Einsparungen spricht, muss man aber auch erwähnen, dass es enormen bürokratischen Aufwands bedarf, diese Kindergeldindexierung einzuführen. Die EU-Kommission rechnet vor, dass dadurch bis zu 300 Prozent an mehr bürokratischem Aufwand und an Mehrkosten entstehen würden. – So viel zum Thema der Einsparungen.

Zum dritten und letzten Punkt, Ihre Behauptung, die Indexierung sei mit dem EU-Recht konform. Dabei handelt es sich, wie Sie bereits erwähnt haben, um eine „als ob“-Fiktion. Sie von der AfD tun ja auch so, als ob Sie Ahnung von diesem Thema hätten. Das ist auch eine gewisse Art von Fiktion.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Aber – es wurde auch schon erwähnt – mehrere Gutachten auch der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages gerade zu Österreich haben gezeigt, dass sie eben nicht mit europäischem Recht vereinbar ist. Ich wünsche Österreich viel Spaß vor dem Europäischen Gerichtshof.

Weil Sie aber das Kindergeld immer wieder in Zusammenhang mit Sozialmissbrauch bringen, lassen wir doch einmal einen Experten zu Wort kommen. Ich darf aus einem Interview mit dem Leiter der Familienkasse bei der Bundesagentur für Arbeit, Karsten Bunk, vom 31. Dezember 2018 zitieren. Dort sagt er zum Thema „Kindergeldzahlungen ins Ausland“:

Die Fälle, bei denen Kindergeld ins Ausland überwiesen wird, sind in der Regel diejenigen, wo Menschen – ohne ihre Familien – nur zum Arbeiten nach Deutschland kommen. … In solchen Fällen findet Missbrauch so gut wie nicht statt.

Zur Indexierung sagt er:

Die Debatte um die Indexierung ist nicht geeignet, um Missbrauch zu bekämpfen.

Insofern geht Ihr Antrag vollkommen ins Leere, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bei Missbrauch geht es eher darum, dass Schleuserbanden die Menschen in Schrottimmobilien unterbringen und dann Sozialleistungen beantragen lassen. Dort muss man ansetzen. Wir haben schon einiges getan – es ist erwähnt worden, zum Beispiel die Einführung einer steuerlichen Identifikationsnummer für Eltern und Kinder, um eine doppelte Beantragung auszuschließen –, und wir werden weitere Maßnahmen auf den Weg bringen. Es wird eine Taskforce für besseren Datenaustausch zwischen Familienkasse, Behörden und den betroffenen Kommunen geben. Außerdem hat Olaf Scholz angekündigt, dass es eine Anpassung der Voraussetzung für Kindergeldanspruch geben soll, unter anderem einen Leistungsausschluss für neu zugezogene, nicht erwerbstätige Unionsbürger in den ersten drei Monaten. Wir wollen dort ansetzen, wo Missbrauch möglich ist, aber nicht bei der Kindergeld-Indexierung.

Um Ihnen von der AfD das etwas lebensnäher zu erklären: Wenn die im europäischen Ausland lebende Frau Weidel und die AfD bei den Parteispenden tricksen, dann stellen wir nicht die bewährte Parteienfinanzierung infrage, sondern dann bekämpfen wir Missbrauch, dann ermittelt die Staatsanwaltschaft. So machen wir das auch beim Kindergeld: Wir bekämpfen Missbrauch, wir stellen aber nicht den bewährten Anspruch auf Kindergeld für die große, ehrliche, hier arbeitende und hier Steuern zahlende Mehrheit infrage, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dass es der AfD dabei nicht um eine Besserstellung der Familien in Deutschland geht, hat die Debatte über das Kindergeld in Deutschland gezeigt. Die AfD hat das Kindergeld infrage gestellt. Wir haben es erhöht, und wir werden es weiter erhöhen. Sie von der AfD wollen auch in anderen Bereichen sparen, bei Familienleistungen, Rentnern und Langzeitarbeitslosen. Die AfD ist die Partei des sozialen Kahlschlags für alle Menschen in diesem Land. Das zeigt nicht nur, aber auch der vorliegende Gesetzentwurf. Deshalb ist er abzulehnen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Der nächste Redner für die Fraktion Die Linke: der Kollege Jörg Cezanne.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7317821
Wahlperiode 19
Sitzung 74
Tagesordnungspunkt Anpassung kindergeldrechtlicher Regelungen
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